Die eigene Sprache ist wohl eines der stärksten Merkmale von regionaler Identität. Die Dialekte bereichern das Hochdeutsche, in dem sie Ausdrücke und Wörter finden, für die es im Hochdeutschen höchstens komplizierte Umschreibungen gäbe. Oder wie sollte man „Herrgottsbscheißerle“ ins Hochdeutsche übersetzen?
Dabei sind die Dialekte keineswegs nur in der gesprochenen Sprache präsent. Zahlreiche Autorinnen und Autoren aus Baden-Württemberg schrieben und schreiben auch in ihrem Heimatdialekt. In Baden-Württemberg gibt es zwei Groß-Dialekte: Fränkisch im nördlichen Drittel und Alemannisch in den südlichen zwei Dritteln. Die Bezeichnungen leiten sich von den Stammes-Siedlungsgebieten der Franken und Alemannen ab. Doch kann man die Verbreitungsgebiete der Dialekte heute nicht eins zu eins auf die alten Siedlungsräume übertragen. Beide Großdialekte teilen sich jeweils in Untergruppen, und diese fächern sich wiederum in viele regionale Mundartformen auf.
Kurpfälzisch und Hohenlohisch
Im nördlichen Baden-Württemberg werden fränkische Dialekte gesprochen. Die fränkischen Dialekte gehören teilweise schon zu den mitteldeutschen Sprachen. Das Kurpfälzische, das im Raum um Mannheim und Heidelberg gesprochen wird, gehört zum Beispiel schon zum rheinfränkischen Dialektraum. Auch das Hohenlohische ist eine fränkische Mundart, die insbesondere in den Landkreisen Schwäbisch Hall, Hohenlohekreis und Bad Mergentheim gesprochen wird.
Badisch und Schwäbisch
Die größte Sprachgruppe bilden in Baden-Württemberg die alemannischen Dialekte. Sie werden im südlichen Landesteil gesprochen, etwa südlich der Linie Rastatt, Pforzheim, Backnang, Ellwangen. Alemannisch ist eine oberdeutsche Sprache. Auch wenn Schwaben das vielleicht nicht gerne hören, so ist auch das Schwäbische eine Form des Alemannischen.
Wenn man umgangssprachlich von Badisch spricht, so sucht man vor allem einen Gegenbegriff zum Schwäbischen und meint damit so unterschiedliche Mundarten wie das Fränkische im Norden oder das Oberrhein-, Hoch- oder Bodensee-Alemannische im Südwesten. Auch wenn das Schwäbische mit den zuletztgenannten alemannischen Dialekten verwandt ist, so unterscheiden sie sich doch deutlich.
Dialekte entwickeln sich weiter
Sprache und Dialekte sind jedoch keine statischen Gebilde, sie waren und sind immer noch permanent Einflüssen von innen und außen ausgesetzt. Dies ist jedoch kein Phänomen der Moderne. Denn gewandert sind die Menschen und teilweise ganze Völkergruppen schon immer. Daher fällt es schwer, genaue Sprachgrenzen festzulegen. Auch die verschiedensten Eroberer und Besatzer übten einen Einfluss auf die Sprache aus. So dass sich in den Dialekten schon immer Einflüsse anderer Sprachen finden. Früher ging dieser Prozess meist langsamer vonstatten. Mit der gestiegenen Mobilität in den letzten 100 Jahren hat sich dieser Prozess aber sicher beschleunigt. Auch die Verbreitung des Schrift- oder Hochdeutschen durch die Massenmedien führt zu einem Abschliff der Dialekte. Die Globalisierung und das Englische als internationale Sprache haben uns zudem viele neue Lehnwörter beschert. Die gesprochenen Dialekte sind in der Lage, mit dieser Dynamik umzugehen. Neue Wörter und Wendungen werden assimiliert, teilweise so sehr, dass sich ihr Ursprung dem Laien nicht mehr erschließt.
Dialekte fördern und sie als Chance nutzen
Einer der bekanntesten Dialektsprecher des Landes ist Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. „Für mich ist der Dialekt kein unentrinnbares Schicksal, sondern eine Option und eine Chance. Er erweitert die Möglichkeiten des standardsprachlich Sagbaren und schafft ein Gefühl gemeinschaftlicher Verbundenheit“, bekennt er. Und nicht nur er ist großer Verfechter des Dialekts. Auch die baden-württembergische Landesregierung sucht aktuell Möglichkeiten, wie der aktive Dialektgebrauch im Land gestärkt werden kann. Erste Ideen lieferte der Dialektkongress „Daheim schwätzen die Leut'“. Hier trafen sich Expertinnen und Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Schule, Kultur und Medien, um intensiv über Gegenwart und Zukunft der baden-württembergischen Dialekte zu diskutieren.
„Sprachliche Diversität ist ein Wert an sich. Wenn Sprachen jedoch nur noch zuhause gesprochen werden, gelten sie als gefährdet. Deshalb sind wir in Sachen der Dialekte politisch verpflichtet, die in der UNESCO-Konvention 2007 vereinbarten Maßnahmen zum Schutz der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu ergreifen“, erklärt Kretschmann sein Anliegen. Dialekte seien außerdem besonders geeignet, Emotionen mitzuteilen und Resonanzen herzustellen. „Die hohe emotionale Kraft des Dialekts, so meine Hoffnung, kann dazu beitragen, Debatten friedlicher zu führen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken“, so Kretschmann.