In alter Zeit stand auf dem Teckberg ein Felsenschloss. Darin lebte eine Frau, die große Schätze besaß. Die Leute nannten sie Sibylle, denn mit ihren tiefen Augen konnte sie in die Zukunft sehen. Ihr langes, wallendes Haar fiel rot um ihre Schultern, und immer trug sie ein schlichtes weißes Gewand. Viele Menschen stiegen den steilen Berg zu ihr empor, um sich weissagen zu lassen, und keiner kam je mit leeren Händen wieder herunter. Die Leute liebten ihre weise und mildtätige Herrin.
Sybille hatte drei Söhne, die aber alle hartherzig und geizig, ja bösartig waren. Das betrübte sie sehr, und je ärger die jungen Männer es mit den Untertanen trieben, desto trauriger wurde sie und schämte sich. Ihr Kummer wurde so groß, dass sie eines Tage beschloss, das Land zu verlassen.
Am Abend fuhr sie mit ihrem goldenen Wagen, der von zwei geflügelten Katzen gezogen wurde, zum Tor hinaus. Sie hob sich rauschend in die Lüfte durchs Lenninger Tal hinüber nach Beuren. Dort am Hügel wurde sie zuletzt gesehen. Seitdem heißt der Berg „Sibyllenkappel”.
Ein letztes Mal beschenkte sie die Menschen: Noch heute ist eine breite Wagenspur quer übers Land zu erkennen. In Ihren Furchen trägt das Getreide mehr Frucht und das Laub der Bäume und Weinreben leuchtet üppiger wie anderswo.