Das Land stellt sich den finanziellen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen der Pandemie. Um Steuerrückgänge auszugleichen und den kommunalen Stabilitäts- und Zukunftspakt zu finanzieren, hat die Landesregierung den Entwurf eines zweiten Nachtrags zum Haushalt 2020/21 auf den Weg gebracht.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die finanzielle Situation des Landes sind erheblich. Um die prognostizierten Steuerrückgänge auszugleichen und den kommunalen Stabilitäts- und Zukunftspakt zu finanzieren, hat das Kabinett am Mittwoch, 23. September 2020, den Entwurf eines zweiten Nachtrags zum Haushalt 2020/21 auf den Weg gebracht. Darüber hinaus soll für Risiken vorgesorgt werden, die sich aus dem weiteren Pandemieverlauf ergeben können. Um die wirtschaftlichen Folgen abzufedern, sieht die Landesregierung ein Paket „Zukunftsland BW – Stärker aus der Krise“ vor.
Impulse für die Zukunftsfähigkeit des Landes
„Corona ist nicht vorbei, wir sind weiterhin mitten in der Pandemie“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. „Mit dem zweiten Nachtrag stellen wir uns den finanziellen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Wir treffen Vorsorge für den Gesundheitsschutz. Und wir setzen Impulse für die Zukunftsfähigkeit des Landes. Denn die Pandemie hat die Wirtschaft schwer getroffen. Für die Branchen, die gerade einen Transformationsprozess durchlaufen, hat sich die Lage dramatisch verschärft. Dem tragen wir Rechnung.“
Der Entwurf des Nachtrags sieht Rücklagen in Höhe von insgesamt zwei Milliarden Euro vor: 1,2 Milliarden Euro für das Maßnahmenpaket „Stärker aus der Krise“, 800 Millionen Euro für die Rücklage für Haushaltsrisiken. Finanzministerin Edith Sitzmann wies darauf hin, dass dabei eine sogenannte einseitige Deckungsfähigkeit gelte: „Niemand kann voraussagen, wie sich die Pandemie entwickelt. Es bleiben Ungewissheiten, auf die wir uns vorbereiten müssen. Sollten die vorgesehenen 800 Millionen Euro für die Vorsorge nicht ausreichen, können wir auf Geld aus dem Maßnahmenpaket ,Stärker aus der Krise' zurückgreifen.“ Das Maßnahmenpaket hat vier Schwerpunkte: Gesundheitsstandort, Transformation, Klimaschutz und Mobilität, außerdem Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sowie BW Invest, ein Innovations- und Investitionsförderprogramm. Außerdem ist mit dem Nachtrag eine erneute Erhöhung des Bürgschaftsrahmens auf fünf Milliarden Euro vorgesehen, um im Bedarfsfall Unternehmen schnell helfen zu können.
Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut erklärte mit Blick auf die konjunktur- und strukturpolitischen Schwerpunkte, die im zweiten Nachtrag zum Landeshaushalt 2020/2021 enthalten sind: „Der Entwurf setzt die richtigen Akzente in den Bereichen Wirtschaft und Technologie. Es ist jetzt entscheidend, dass wir in Baden-Württemberg Impulse geben, geeignete Rahmenbedingungen schaffen und so den Weg frei machen für Investitionen in die Wertschöpfung und Arbeitsplätze von morgen“, sagte Hoffmeister-Kraut. In der Krise würden ohnehin laufende Veränderungsprozesse beschleunigt und viele Weichen neu gestellt. „Daraus sich ergebende Chancen können wir durch das Programm ‚BW Invest‘ und durch weitere Vorhaben insbesondere in den Zukunftsfeldern Künstliche Intelligenz und Nachhaltige Mobilität gezielt nutzen“, so die Ministerin weiter. „Wirtschaftspolitik muss jetzt in erster Linie als Standortpolitik begriffen werden. Dies spiegeln die gesetzten Schwerpunkte klar wider“, so Hoffmeister-Kraut.
Aufnahme neuer Schulden vorgesehen
Die Landesregierung plant, den Nachtragshaushalt auch über die Aufnahme neuer Schulden zu finanzieren. Zwar gilt seit diesem Jahr die Schuldenbremse. Die Regelungen lassen jedoch eine Schuldenaufnahme zu, wenn sich die Konjunktur deutlich negativ entwickelt. Nach einer Konjunkturkomponente, die insbesondere von der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts abhängt, sind derzeit Kredite in Höhe von knapp 6,4 Milliarden Euro für die Jahre 2020 und 2021 zulässig. Nach der Steuerschätzung für Baden-Württemberg vom 14. September 2020 muss das Land in diesem Jahr mit knapp 2,6 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen rechnen als im Ur-Haushalt veranschlagt. Für das kommende Jahr gehen die Steuerschätzer von einem Rückgang um 1,8 Milliarden Euro aus.
„Das Land steht zu seinen Kommunen“, stellte Sitzmann fest. „Wir haben deshalb vereinbart, sie bei der Bewältigung der Pandemie mit aller Kraft zu unterstützen. Das enge Miteinander von Land und Kommunen zeichnet Baden-Württemberg aus, es hat uns stets stark gemacht. In der Krise ist das wichtiger denn je. Die Hilfe des Landes bedeutet aber auch einen finanziellen Kraftakt. Wir werden dafür weitere Kredite in Höhe von 2,2 Milliarden Euro aufnehmen müssen.“ Diese kommen zu den 6,4 Milliarden Euro Krediten hinzu, die nach der Konjunkturkomponente zulässig sind. Dabei greift eine Ausnahme von der Schuldenbremse, wonach das Land bei Naturkatastrophen oder außerordentlichen Notsituationen Schulden aufnehmen kann. Der Landtag von Baden-Württemberg hatte nach dieser Vorgabe bereits im März 2020 festgestellt, dass es sich bei der Coronavirus-Pandemie um eine Naturkatastrophe handelt und eine Kreditaufnahme von bis zu fünf Milliarden Euro eingeräumt.
Weitere absehbare Steuerrückgänge
Mit dem zweiten Nachtrag zum Haushalt 2020/21 sollen außerdem weitere absehbare Steuerrückgänge abgebildet werden, die sich aus geplanten rechtlichen Änderungen wie der Erhöhung des Behinderten-Pauschbetrags ergeben. Daneben werden zwangsläufige Mehrausgaben veranschlagt, unter anderem die aufgrund der Erhöhung des Bürgschaftsrahmens notwendige Absicherung von Bürgschaftsausfällen. Zur Deckung des Nachtragshaushalts plant die Landesregierung, neben der Aufnahme neuer Kredite einen Überschuss von 279 Millionen Euro aus dem Vorjahr sowie einen Konsolidierungsbeitrag von 320 Millionen Euro einzusetzen. Diesen werden die einzelnen Ressorts über eine globale Minderausgabe leisten.
Die Landesregierung wird den Entwurf des zweiten Nachtragshaushalts 2020/21 am Mittwoch, 30. September, in den Landtag einbringen.
Deckungskonzept zum zweiten Nachtragshaushalt
(gerundete Beträge in Millionen Euro)
Deckungsbedarfe | 2020 | 2021 |
Steuermindereinnahmen | - 2.571 | - 1.803 |
Weitere Steuermindereinnahmen | - 2.198 | - 347 |
Kommunaler Stabilitäts- und Zukunftspakt | - 2.198 | 0 |
Zwangsläufige Mehrausgaben | - 34 | - 243 |
Rücklage für Haushaltsrisiken | - 800 | 0 |
Rücklage für das Maßnahmenpaket „Stärker aus der Krise“ | - 967 | - 233 |
Summe | - 6. 570 | - 2.626 |
Deckungsmittel
(gerundete Beträge in Millionen Euro)
Deckungsmittel | 2020 | 2021 |
Kreditaufnahme gemäß Paragraph 18 Absatz 3 und 4 Landeshaushaltsordnung (Finanztransaktions- und Konjunkturkomponente) | 3.903 | 2.496 |
Verbleibender Überschuss 2019 | 279 | 0 |
Aufstockung der Globalen Minderausgabe 2020/21 | 190 | 130 |
Kreditaufnahme gemäß Paragraph 18 Absatz 6 Landeshaushaltsordnung (Ausnahmekomponente) | 2.198 | 0 |
Summe | 6.570 | 2.626 |
Rücklage für Haushaltsrisiken wurde aufgestockt
Bereits im Urhaushalt 2020/21 wurde aktiv Vorsorge betrieben und die Rücklage für Haushaltsrisiken aufgestockt. Damit standen Rücklagemittel in einer Größenordnung von 1,2 Milliarden Euro für Haushaltsrisiken bereit, denen noch keine konkreten, haushaltsreifen Maßnahmen zugeordnet waren. Mit dem ersten Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2020/21 wurden die finanziellen Voraussetzungen geschaffen, um schnell handeln und den aufgrund der Coronavirus-Pandemie stark erhöhten Mittelbedarf decken zu können.
Dazu wurden zum einen die Entnahmemöglichkeiten aus der Rücklage für Haushaltsrisiken erweitert, sodass Corona-bedingte Maßnahmen aus den freien Rücklagemitteln finanziert werden konnten. Zum zweiten wurde zur Finanzierung von notwendigen, coronabedingten Maßnahmen eine Kreditermächtigung in Höhe von bis zu fünf Milliarden Euro ausgebracht, sowie die Möglichkeit geschaffen, Mittel des Bundes beziehungsweise der Europäischen Union der Rücklage zuzuführen.
Aus der Rücklage für Haushaltsrisiken wird ein Beteiligungsfonds mit einem Volumen von einer Milliarde Euro angelegt. Bis zum 18. September 2020 hat das Finanzministerium darüber hinaus in Entnahmen über rund 4,1 Milliarden Euro eingewilligt. Darunter sind mehr als 680 Millionen Euro für den kommunalen Stabilitäts- und Zukunftspakt. Das Land trägt mit insgesamt 2,88 Milliarden Euro den größten Anteil an dem Pakt, 1,39 Milliarden Euro kommen vom Bund.