Die von Bauministerin Nicole Razavi eingebrachte große Reform der Landesbauordnung (LBO) wurde vom Landtag in zweiter Lesung verabschiedet. „Das ist eine gute Nachricht für alle Bauwilligen“, sagte Bauministerin Nicole Razavi. Nach der Verkündung im Gesetzblatt wird die Reform drei Monate später in Kraft treten.
Die LBO-Reform „Schnelleres Bauen“ gliedert sich in zwei Bereiche: Der erste Bereich enthält Maßnahmen zur Optimierung und Beschleunigung der Baugenehmigungsverfahren, zum Beispiel durch die Einführung einer Genehmigungsfiktion, die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens und die Einführung einer Typengenehmigung. „Wenn dem Baurechtsamt alle Unterlagen und Stellungnahmen vorliegen, beginnt die Uhr zu ticken“, so Razavi. „Dann gelten nach drei Monaten viele Bauanträge mit der Genehmigungsfiktion automatisch als genehmigt, sofern es in der Zwischenzeit keinen anderen Bescheid gibt. Mein klares Ziel ist, dass Bauherren schneller, leichter und mit weniger Papierkrieg zu ihrem Baurecht kommen“, sagte Bauministerin Razavi.
Der zweite Bereich zielt auf den Abbau baulicher Standards. Beispiele hierfür sind die Vereinfachungen für das Bauen im Bestand, die Überarbeitung der Kinderspielplatz-Verpflichtung, die Vereinfachung der Abstandsregelung sowie Erleichterungen beim Errichten von Ladestationen. „Wir reduzieren Standards überall dort, wo wir es für sinnvoll erachten. Und wir ermöglichen es insbesondere, den bereits vorhandenen Gebäudebestand besser nutzen und einfacher umbauen zu können“, sagte Razavi.
Die wichtigsten Änderungen der Landesbauordnung im Überblick
Einführung einer Genehmigungsfiktion wie im Beschleunigungspakt zwischen Bund und Ländern vereinbart. Sie wird als wählbare Option (Bauherren können sich auch weiterhin für das vereinfachte Genehmigungsverfahren entscheiden) sowohl für das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren als auch für die Errichtung von Mobilfunkanlagen jeglicher Höhe eingeführt. Eine Genehmigungsfiktion führt dazu, dass bei Nichtbescheidung eines vollständig vorliegenden Bauantrags innerhalb der vorgesehenen Frist (drei Monate) die beantragte Baugenehmigung als erteilt gilt. Mit Ablauf der Frist tritt damit die Fiktionswirkung ein. Für Bauherren schafft dies schnellere Planungssicherheit, da die Entscheidung über den Antrag zeitlich beschränkt wird. Die Baurechtsbehörden hingegen können die Fiktionswirkung nutzen, um die personellen Kapazitäten gezielter und sinnvoller dort einzusetzen, wo sie dringend benötigt werden.
Abschaffung des Widerspruchverfahrens bei den Regierungspräsidien: Mit Einlegung des Widerspruchs konnten bislang Bauherren und Nachbarn die Überprüfung der baurechtlichen Ausgangsentscheidung veranlassen. Zunächst erfolgte dies durch die untere Baurechtsbehörde und bei nicht erfolgter Abhilfe durch das zuständige Regierungspräsidium. Erst nach Entscheidung über den Widerspruch stand es den Beteiligten frei, den verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg zu beschreiten. Künftig kann und soll in Streitfällen direkt das zuständige Verwaltungsgericht angerufen werden. Die Verwaltungsgerichte wurden dafür personell gestärkt. Die Widerspruchsverfahren als vorgeschaltete Extraschleife werden abgeschafft. Sie dauerten bei den Regierungspräsidien im Schnitt zwischen sechs und 14 Monate. Allein 2022 gingen bei den vier Regierungspräsidien im Land insgesamt 2.250 Widersprüche ein. Die Abschaffung dieser Extraschleife führt somit in den meisten Fällen zu einer schnelleren Bestandskraft vieler bau- und denkmalschutzrechtlicher Entscheidungen und zur schnelleren Rechtssicherheit. Die Verwaltung wird damit entlastet, die freiwerdenden Personalkapazitäten bei den Regierungspräsidien sollen für die verstärkte Beratung und Fortbildung der unteren Baurechts- und Denkmalschutzbehörden eingesetzt werden. Bayern hat das Widerspruchsverfahren im Baubereich bereits im Jahr 2007 abgeschafft, Baden-Württemberg hat dies im Jahr 2022 für die Errichtung von Windkraftanlagen getan.
Für bauliche Anlagen, die in einer konkret festgelegten Ausführung an mehreren Stellen errichtet werden, wird eine Typengenehmigung eingeführt. Diese Maßnahme wird auch in der Musterbauordnung (MBO) der Bauministerkonferenz (BMK) empfohlen. Mit einer Typengenehmigung wird sichergestellt, dass die einmal geprüfte und bestätigte Konformität mit der Landesbauordnung für eine gewisse Zeit rechtsverbindlich ist. Bei Durchführung der Baugenehmigungsverfahren werden die von der Typengenehmigung erfassten Feststellungen von den Baurechtsbehörden nicht mehr geprüft. Dies dient der Beschleunigung und Entbürokratisierung baurechtlicher Verfahren und unterstützt zum Beispiel das serielle Bauen oder auch das bundesweite Errichten baugleicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge.
Ausweitung des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens: Für viele nicht sehr komplexe Vorhaben hat ein Bauherr bereits heute bei Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3 (bis sieben Meter Höhe) nur noch die Wahl zwischen dem Kenntnisgabeverfahren und dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren. Beide Verfahren sind deutlich weniger aufwändig und damit schneller als das normale Baugenehmigungsverfahren. Nun wird diese eingeschränkte Wahl auf Wohngebäude der Gebäudeklasse 4 (bis 13 Meter Höhe) ausgeweitet. Bei allen anderen Bauvorhaben, also insbesondere auch gewerblichen, wird ein Optionsmodell eingeführt: Bauherren könnten künftig entscheiden, ob sie lieber im vereinfachten Verfahren oder lieber im Vollverfahren beantragen wollen. Ausgenommen davon sind nur Sonderbauten wie etwa Hochhäuser oder Schulen. Für diese soll weiterhin das volle Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden. Das vereinfachte Genehmigungsverfahren hat den Vorteil, dass die Baurechtsbehörde eine stark eingeschränkte Prüfung baurechtlicher Vorschriften vornimmt. Für dieses Verfahren gelten zudem kürzere Entscheidungsfristen (ein Monat) und es ist unmittelbar mit der Genehmigungsfiktion verknüpft. Das Verfahren wird damit schneller und kostengünstiger zum Abschluss gebracht.
In der Landesbauordnung ist im Einzelnen geregelt, welche Bauvorhaben der Verfahrensfreiheit unterliegen. Verfahrensfreie Bauvorhaben können errichtet, verändert oder umgenutzt werden, ohne dass es hierfür eines baurechtlichen Verfahrens bedarf. Dies spart Bauherren Zeit und Kosten für die Realisierung ihres Bauvorhabens und entlastet die Baurechtsbehörden. Für die Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften sind die Bauherren dabei selbst verantwortlich. Zur schnelleren Schaffung von Wohnraum werden Nutzungsänderungen hin zur Wohnnutzung nun generell verfahrensfrei gestellt. Zudem wird die Liste verfahrensfreier Vorhaben erweitert, beispielsweise um Wand- und Dachöffnungen in Gebäuden, beim Bau von Kinderspielplätzen, Garagen und Terrassen sowie bei Brennstoffzellen.
Um die Dauer baurechtlicher Verfahren zu verkürzen, wird die Nachbarbeteiligung von vier auf zwei Wochen reduziert. Nachbarliche Einwendungen können somit künftig innerhalb einer zweiwöchigen Frist vorgebracht werden. Da seit der letzten Änderung der LBO im November 2023 (Digitalisierungsnovelle zur Einführung des Virtuellen Bauamts) für Abweichungen, Ausnahmen oder Befreiungen ein gesonderter Antrag der Bauherren erforderlich ist, ist eine Befassung des Nachbarn mit dem insgesamt einfacher: Nachbarn können schneller als früher erkennen, von welchen nachbarschützenden Vorschriften eine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung erteilt werden soll.
Das Bauen im Bestand wird erleichtert. In die LBO wird eine Definition des Bestandsschutzes aufgenommen, um Inhalt und Reichweite des Bestandsschutzes klar und verständlich festzulegen. Darüber hinaus sind Nutzungsänderungen und bauliche Änderungen von Gebäuden – etwa in Form von Aufstockungen – künftig im Bestand nicht mehr den aktuellen, oftmals strengeren Vorschriften des Brandschutzes unterworfen. Bislang haben gerade nachträglich erforderliche Brandschutzertüchtigungen des Bestandsgebäudes dazu geführt, dass Bauvorhaben nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten realisiert werden konnten.
Auch der Umbau und die Wiedererrichtung bestehender Gebäude(-teile) wird vereinfacht. Für den Fall, dass das Gebäude durch den Umbau nicht größer wird, ist eine Abweichung von den abstandsflächenrechtlichen Regelungen zuzulassen. Dies gilt für Gebäude aller Art. Gleichzeitig soll die Schaffung von Wohnraum erleichtert werden. Bisher waren Abweichungen von den bauordnungsrechtlichen Vorschriften nur möglich, sofern dies dem Aus- oder Umbau des vorhandenen Wohnraums diente. Der Anwendungsbereich bezog sich also lediglich auf bestehende Wohngebäude. Von dieser Beschränkung soll abgesehen werden, die Abweichungsmöglichkeit würde dann auch für Nicht-Wohngebäude gelten. Das Potenzial für die Schaffung von Wohnraum kann damit vollumfassend in Bestandsgebäuden aller Art ausgeschöpft werden.
Die Abstandsflächenregelungen werden vereinfacht. Künftig wird auch die Bebauung im unbeplanten Innenbereich maßgebend sein, ob an die Grundstücksgrenze gebaut werden darf. Die Berechnung der Giebelfläche soll insgesamt einfacher und verständlicher geregelt werden. Zudem werden anderweitige Nutzungen von Dachflächen bestehender privilegierter Grenzbauten, wie beispielsweise Garagen, nicht mehr dazu führen, dass die Grenzbauten nachträglich ihre Privilegierung verlieren und somit die erforderliche Abstandsfläche unterschreiten. Dies schafft eine erleichterte Nutzung vorhandener Bauten und bereits versiegelter Flächen, wie beispielsweise die Errichtung von Dachterrassen auf Grenzgaragen.
Die brandschutzrechtlichen Regelungen werden gestrafft und vereinfacht, wo dies möglich und sachgerecht ist. Es werden daher insbesondere Ausnahmen für den zweiten Rettungsweg gemacht und das Erfordernis einer Brandwand in praxistauglicher Weise reduziert. Aber auch die Anforderungen an die Brandwand werden gesenkt und bauliche Erleichterungen bei notwendigen Treppenräumen gemacht. Durch die Einbettung brandschutzrechtlicher Vorschriften der Allgemeinen Ausführungsverordnung zur Landesbauordnung (LBOAVO) in die LBO wird künftig einfacher nachzuvollziehen sein, welche brandschutzrechtlichen Anforderungen an Bauvorhaben gestellt werden.
Die Pflicht zur Errichtung eines Kinderspielplatzes beziehungsweise die Freihaltung der dafür vorgesehenen Flächen führte bislang zu Kostensteigerungen von Bauvorhaben, ohne dass damit dem kindlichen Wohl gedient war. Die gesetzlich vorgesehene Ablösemöglichkeit schöpfte zudem ihr Potenzial nicht aus. Zum einen unterlag die Ablösemöglichkeit einer behördlichen Ermessensentscheidung und zum anderen war für die Verwendung des Geldbetrages eine konkrete Zweckbindung vorgesehen, die jedoch nicht die Wartung und Pflege bereits bestehender Spielplätze umfasste. Künftig soll es Bauherren in jedem Fall offenstehen, ersatzweise eine monetäre Ablösemöglichkeit wählen zu können. Das damit zur Verfügung stehende Geld soll kommunal für die Errichtung und den Ausbau kommunaler Spielplätze genutzt werden. Im Ausnahmefall kann das Geld auch für die Instandhaltung bestehender kommunaler Spielplätze verwendet werden. Die Praxis zeigt, dass größere Spielplätze attraktiver sind und somit häufiger von Kindern genutzt werden, wohingegen die oftmals nur vereinzelt errichteten Spielgeräte auf den Baugrundstücken vernachlässigt werden.
Bereits heute braucht es für die bloße Errichtung einer Ladestation für Elektrofahrzeuge keine Baugenehmigung mehr. Künftig wird auch die Errichtung gewerblicher Ladestationen (zum Beispiel in Tiefgaragen) verfahrensfrei gestellt. Bislang bedeutete dies noch eine Nutzungsänderung des Gebäudes und bedurfte der Genehmigung. Zudem werden künftig die mit der Ladeinfrastruktur zusammenhängenden technischen Nebenanlagen, wie beispielsweise Trafo-Stationen, ebenfalls verfahrensfrei gestellt.
Um den Ausbau erneuerbarer Energien weiter zu vereinfachen und zu entbürokratisieren, wird die Errichtung und Änderung von Freiflächen-Solaranlagen generell verfahrensfrei gestellt. Bislang war dies nur für gebäudeabhängige Anlagen und freistehende Anlagen der Fall. Für letztere Anlagen sieht die Verfahrensfreiheit bislang eine Begrenzung auf drei Meter Höhe und neun Meter Länge vor. Von dieser Begrenzung wird nunmehr abgesehen.
Bereits heute gilt: Kommunen dürfen per Gestaltungssatzung nicht verbieten, dass man mit Photovoltaik-Anlagen die äußere Gestaltung von Gebäuden verändert. Dies wird künftig insbesondere auch für Einfriedungen und unbebaute Grundstücksflächen auf Baugrundstücken gelten. Dies betrifft zum Beispiel Solaranlagen auf Lärmschutzwänden oder sogenannte Solarzäune. Für bestehende örtliche Bauvorschriften, die diese Anforderungen nicht bereits erfüllen, wird den Gemeinden eine Umsetzungsfrist von sechs Monaten ab Inkrafttreten der Regelung eingeräumt.
„Diese Reform ist die bedeutendste LBO-Änderung in dieser Legislaturperiode“, sagte Razavi. „Wir haben jeden Stein umgedreht und eine Grundsanierung durchgeführt. Mein Ziel war es, das System von ‚Kontrolle‘ auf ‚Ermöglichen‘ umzustellen und beim Bauen endlich wieder Bremsen zu lösen. Dafür vereinfachen und beschleunigen wir die Verfahren und bauen unnötige Standards ab. Das Motto lautet: alle Hebel auf Go!“
Reform der Landesbauordnung (LBO)
Die LBO-Reform „Schnelleres Bauen“ ist bereits die vierte LBO-Änderung in dieser Legislaturperiode. In den drei vorhergehenden Novellen wurde unter anderem das Aufstocken von Bestandsgebäuden zu Wohnzwecken erleichtert (als Teil des Klimaschutzgesetzes) sowie das Errichten von Mobilfunkmasten. Zudem wurde die Landesbauordnung fit für die Digitalisierung der Baurechtsverfahren gemacht (Virtuelles Bauamt).
Landtags-Drucksache: Gesetzentwurf der Landesregierung: Gesetz für das schnellere Bauen (PDF)