Im April 2023 ist der letzte verbliebene Atommeiler in Baden-Württemberg endgültig vom Netz gegangen. Damit wurde der 2011 beschlossene Atomausstieg umgesetzt. Zusätzlich zum Atomausstieg ist Baden-Württemberg in besonderem Maße vom Kohleausstieg betroffen, den der Bund im Jahr 2020 beschlossen hat. Um die wegfallenden Kapazitäten zu ersetzen, treiben wir die Energiewende engagiert voran.
Im Jahr 2022 hatten die erneuerbaren Energieträger in Baden-Württemberg einen Anteil an der Stromerzeugung von etwa 36 Prozent. Langfristig sollen die erneuerbaren Energien einen noch größeren Teil der Stromversorgung in Baden-Württemberg decken.
Die Windkraft hat dabei das größte Ausbaupotenzial. Deshalb hat die Landesregierung die Weichen für einen konsequenten Ausbau der Windkraft im Land gestellt.
Dabei haben wir schon viel erreicht: Ende 2022 waren in Baden-Württemberg insgesamt 761 Windenergieanlagen in Betrieb. Erzeugte die Windkraft in Baden-Württemberg 2011 gerade mal knapp 0,6 Terawattstunden (TWh) Strom, waren es im Jahr 2022 nach ersten Schätzungen bereits rund drei TWh. Das zeigt, dass der Ausbau Fahrt aufnimmt. Seit 2018 hat sich der Ausbau allerdings deutlich verlangsamt. Im aktuellen Koalitionsvertrag sind daher Maßnahmen verankert, um dem Windenergieausbau wieder den notwendigen Schwung zu bringen.
Unter einer von Ministerpräsident Winfried Kretschmann eingesetzten ressortübergreifende Task Force für die Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien wurden rund 60 Maßnahmen bearbeitet, um die Verfahren bei Windenergieanlagen drastisch zu beschleunigen.
Neben der Windkraft will die Landesregierung auch die Potenziale der Solarenergie noch besser ausschöpfen. Im Jahr 2022 hat die in Baden-Württemberg installierte Photovoltaikleistung von 8,3 Gigawatt (GW) rund 7,9 TWh Strom produziert.
Auch die Wasserkraft hat in Baden-Württemberg mit über sieben Prozent Anteil an der Stromerzeugung bereits ein hohes Niveau erreicht. Vor allem durch die Modernisierung von kleinen Anlagen wollen wir die installierte Leistung noch erhöhen.
Für den Anbau von Energiepflanzen für Biogas und für Biotreibstoffe werden in Baden-Württemberg derzeit rund 15 Prozent der Ackerflächen genutzt. Dieses Niveau hat sich in den letzten Jahren stabilisiert und liegt im Rahmen dessen, was nachhaltig machbar ist. Der bereits angestoßene Prozess einer Nutzung von ökologisch wertvollen Substraten, Rest- und Abfallstoffen anstelle von Energiemais sowie die flexible Bereitstellung von Energie wird in Zukunft zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Auch unsere Digitalisierungsstrategie digital@bw wird einen wichtigen Teil zur Energiewende und zur Integration der erneuerbaren Energien beitragen. So setzt Baden-Württemberg auf Informations- und Kommunikationstechnologien, wenn es darum geht, Strom, Wärme und Verkehr sinnvoll zu einem Ganzen zu verbinden.
Um die Potenziale der Solarenergie in Baden-Württemberg noch besser auszunutzen, haben wir eine Solaroffensive gestartet. Mit der Freiflächenöffnungsverordnung (FFÖ-VO) haben wir frühzeitig die vorgegebene Flächenkulisse im Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) für solare Freiflächenanlagen auf Acker- und Grünlandflächen in sogenannten benachteiligten Gebieten geöffnet. Damit haben wir bereits 2017 einen ersten Impuls zur Stärkung der Photovoltaik im Land gesetzt. Nun hat der Bund diese Gebietsöffnung zum Standard gemacht.
Darüber hinaus haben wir die flächenneutrale Installation gestärkt. Mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes im Jahre 2021 haben wir eine Photovoltaikpflicht für neue Gebäude und große Parkplatzflächen sowie bei grundlegenden Dachsanierungen eingeführt.
Neben einer gesteigerten Nutzung geeigneter Dachflächen verfolgen wir auch innovative Ansätze. Momentan werden Projekte gefördert, welche gebäudeintegrierte Fassaden-Photovoltaik voranbringen und die Potenziale für ehemalige Deponien und sogenannte schwimmende Photovoltaik aufzeigen. Auch für die Etablierung der Agri-Photovoltaik setzen wir uns auf vielfältige Weise und mit verschiedenen Forschungsprojekten ein.
Photovoltaik-Mieterstrommodelle sollen die Nutzung von Photovoltaik auch für Mieterinnen und Mieter ermöglichen und so zu einem stärkeren Ausbau der Photovoltaik in den Städten führen. Wir haben uns bei der Bundesregierung dafür eingesetzt, dass die rechtlichen Rahmenbedingen für diese Modelle verbessert werden. Außerdem unterstützen wir die relevanten Akteurinnen und Akteure im Rahmen des Förderwettbewerbs „Regionale Photovoltaik-Netzwerke“ durch Informations- und Beratungsangebote sowie Vernetzungsaktivitäten bei der Überwindung organisatorischer, informatorischer und institutioneller Barrieren für die Errichtung von Photovoltaikanlagen. Damit gibt das Land auf regionaler Ebene einen wichtigen Impuls für die Errichtung von Photovoltaikanlagen.
Der Wärmemarkt hat mit rund 50 Prozent den größten Anteil am Endenergieverbrauch und bietet damit großes Potenzial, CO2-Emissionen zu reduzieren. Um die Energiewende im Wärmesektor voranzubringen und die Wärmeversorgung spätestens bis zum Jahr 2040 nahezu klimaneutral zu gestalten, muss der Wärmebedarf vor allem von Gebäuden konsequent reduziert und der verbleibende Restwärmebedarf vornehmlich auf Basis erneuerbarer Energien gedeckt werden.
Daher unterstützt die Landesregierung zusätzlich zu den Bundesförderungen den Ausbau von effizienten Wärmenetzen.
Einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leistet auch das baden-württembergische Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG). Nach einem Heizungsaustausch sollen demnach 15 Prozent der Wärme aus erneuerbaren Energien stammen. Dabei gibt es eine große Wahlfreiheit und hohe Flexibilität, wobei sich erneuerbare Energien und Ersatzmaßnahmen miteinander kombinieren lassen. Schlüssel für eine planvolle Wärmewende ist die kommunale Wärmeplanung. Jede Kommune entwickelt im kommunalen Wärmeplan ihren Weg zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung, der die jeweilige Situation vor Ort bestmöglich berücksichtigt. Wir haben die großen Kreisstädte mit dem Klimaschutzgesetz schon frühzeitig verpflichtet, Wärmepläne zu erstellen. Damit liegen bis Ende 2023 für über 50 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner Baden-Württembergs erste Wärmepläne vor. Auch kleinere Kommunen profitieren von dem geknüpften Netz regionaler Beratungsstellen für die kommunale Wärmeplanung.
Die Abwärmenutzung soll sich zu einer relevanten Säule der Energiewende entwickeln und zukünftig einen wichtigen Baustein darstellen, um die im Klimaschutzgesetz formulierten Ziele zu erreichen. Mit der Umsetzung der im „Abwärmekonzept Baden-Württemberg“ verankerten Maßnahmen sollen die großen vorhandenen Potenziale erschlossen und Abwärme zu einem relevanten Energieträger ausgebaut werden. Schwerpunkt ist Abwärme aus Industrie und Gewerbe, aber auch Wärme aus Kläranlagen und Rechenzentren soll in Wärmenetzen genutzt werden. Bei der Umwelttechnik BW ist ein Kompetenzzentrum Abwärme eingerichtet.
Mit der Gründung der deutsch-französischen Wärmegesellschaft „Calorie Kehl-Strasbourg“ Ende 2021 wurde die grenzüberschreitende Nutzung der Abwärme, die bei der Stahlproduktion der Badischen Stahlwerke GmbH anfällt, aufs Gleis gesetzt – ein deutsch-französisches Leuchtturmprojekt für den Klimaschutz und die Wärmewende. Die Abwärme soll über die Landesgrenze hinweg in die Fernwärmenetze von Straßburg und Kehl eingespeist werden.
Die sichere Versorgung mit Strom ist insbesondere für ein Industrieland wie Baden-Württemberg unverzichtbar. Die Landesregierung achtet deshalb sehr genau darauf, dass eine zuverlässige und stabile Stromversorgung jederzeit gewährleistet ist. Dazu müssen wir unser Energiesystem modernisieren. Mit dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien müssen wir auch unsere Stromnetze ausbauen und intelligenter machen.
Wir müssen erneuerbare Energien speichern und den Energieverbrauch reduzieren und flexibilisieren. Aber auch hocheffiziente, schnell reaktionsfähige Gaskraftwerke, die in Zukunft mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden können, sollen zum Einsatz kommen. Es kommt jetzt darauf an, die richtigen Weichen zu stellen und zügig die dazugehörenden Investitionen in Angriff zu nehmen.
Energie, die nicht verbraucht wird, muss erst gar nicht erzeugt werden. Eingesparte Energie ist deshalb die günstigste und klimafreundlichste Energie. Deswegen wollen wir die Energieeffizienz im Neubau und Gebäudebestand weiter voranbringen und die Sanierungsquote im Land anheben. Gute Beispiele zeichnet das Umweltministerium mit dem Effizienzpreis Bauen und Modernisieren aus.
Die Landesregierung fördert die serielle Sanierung von Gebäuden mit industriell vorgefertigten Fassaden- und Dachelementen. Außerdem setzen wir Anreize für besonders ambitionierte Sanierungen im Eigenheim und unterstützen Erstberatungs- und Informationsangebote.
Die soziale Komponente der Energiewende greifen wir, gemeinsam mit allen maßgeblichen Akteurinnen und Akteuren, in der Initiative „Energieeinsparung in einkommensschwachen Haushalten“ auf. Mit der Initiative bauen wir zielgruppenspezifische Angebote und Unterstützungsmöglichkeiten aus, um auch einkommensschwachen Haushalten eine aktive Teilhabe an der Energiewende zu erleichtern.
Auch Unternehmen unterstützen wir dabei, ihre Energieeffizienzpotenziale zu heben. Mit den „Regionalen Kompetenzstellen des Netzwerks Energieeffizienz (KEFF)“ bieten wir, insbesondere dem verarbeitenden Gewerbe, eine neutrale und kostenfreie Anlaufstelle mit Unterstützungsangeboten in den Bereichen Ressourceneffizienz und Klimaschutz. Im Fokus von KEFF+ stehen vor allem jene kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), denen im Vergleich zu den großen Unternehmen oftmals die Zeit und die Kapazitäten für eine intensive Auseinandersetzung mit den eigenen Ressourceneffizienzpotenzialen fehlen.
Hilfreich für die Steuerung und die Erfolgskontrolle der Effizienzbemühungen ist die Einführung eines Energiemanagementsystems. Dabei unterstützen wir Unternehmen und Kommunen. So behalten sie ihre Energiekosten im Griff und haben gute Chancen, ihren Energieverbrauch systematisch und kontinuierlich zu reduzieren.
Durch fünf Kompetenzzentren und das Informationsprogramm Zukunft Altbau (ZAB) bei der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA) unterstützt das Land alle Zielgruppen mit Impulsberatungen, Vorträgen und Veranstaltungensowie beim Aufbau und der Pflege von Netzwerken.
Die Energiewende ist ökologisch richtig und sie ist auch ökonomisch sinnvoll. Hieß es vor wenigen Jahren noch, es sei unmöglich, mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben, ist heute klar, dass man künftig nur noch mit grünen und nachhaltigen Ideen und Technologien schwarze Zahlen schreiben kann. Klimaschädliche Technologien sind ein Auslaufmodell – gerade auch auf dem Weltmarkt. Schon heute ist der Umwelt- und Klimaschutz ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Davon profitieren viele Branchen im Land: vom Anlagenbau bis zum Heizungsinstallateur, vom exportorientierten Weltkonzern bis zum kleinen Handwerksbetrieb vor Ort. Energieeffiziente und ressourcenschonende Maschinen und Produkte „Made in Baden-Württemberg“ bieten besonders für den Maschinenbau als Schlüsselbranche der hiesigen Industrie große Chancen.
Vor allem für den Industrie- und Technologiestandort Baden-Württemberg bietet grüner Wasserstoff – klimaneutral aus erneuerbarem Strom erzeugt – große Potenziale. Um diese Potenziale zu nutzen, hat das Umweltministerium in enger Abstimmung mit Industrie, Wissenschaft, Verbänden und Politik einen Fahrplan für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft erarbeitet. Sie gibt den Weg für die kommenden Jahre vor, um Baden-Württemberg zu einem führenden Standort für Wasserstoff- und Brennstofftechnologien zu machen.
Die Wasserstoff-Roadmap Baden-Württemberg soll dazu beitragen, durch den Einsatz von grünem Wasserstoff in den unterschiedlichen Sektoren wie Industrie, Mobilität und Energiewirtschaft die Treibhausgas-Emissionen zu verringern, und den Auf- und Ausbau einer Wasserstoffwirtschaft begleiten. Zur Umsetzung der Wasserstoff-Roadmap BW haben wir die Plattform H2BW eingerichtet.