Ein Gutachten bestätigt, dass die in den Jahren 2020 und 2021 vom Land aufgenommenen Corona-Notlagenkredite in ihrer Höhe und Verwendung zulässig waren. Das ist ein zentraler Unterschied zum Bund. Dieser hatte die Corona-Notlagenkredite für andere Zwecke umgewidmet.
Das Bundesverfassungsgericht hat im November 2023 ein wegweisendes Urteil gefällt: Die Art und Weise der Verwendung von Corona-Notlagenkrediten durch die Bundesregierung war verfassungswidrig. Das Urteil hat auch weitreichende Auswirkungen auf die Haushaltspraxis der Länder. Deshalb hatte das Finanzministerium als erstes Bundesland ein Rechtsgutachten zu diesem Urteil in Auftrag gegeben. Im Zentrum stand die Frage, was das Urteil für die Haushaltspraxis im Land bedeutet. Gutachter war der Heidelberger Professor Hanno Kube. Er ist Verfassungsjurist und Experte für Finanz- und Steuerrecht.
Das Gutachten (PDF) von Professor Kube bestätigt, dass die in den Jahren 2020 und 2021 vom Land aufgenommenen Corona-Notlagenkredite in ihrer Höhe und Verwendung zulässig waren. Das ist ein zentraler Unterschied zum Bund. Der Bund hatte die Corona-Notlagenkredite für andere Zwecke umgewidmet.
Allerdings waren in Baden-Württemberg in den Jahren 2020 und 2021 am Jahresende noch nicht alle Notkredite vollständig genutzt. Ein Teil wurde deshalb auf das Folgejahr übertragen. Also von 2020 auf 2021 und von 2021 auf 2022. Dieser Übertrag war dem Gutachten zufolge im Lichte des Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht zulässig.
Notlagenkredite müssen demnach immer vollständig in dem Jahr verwendet werden, in dem die Notlagensituation nach der Schuldenbremse erklärt wird. Daraus ergibt sich laut Rechtsgutachten allerdings kein Handlungsbedarf. Denn die Haushaltsjahre sind abgeschlossen. Dem Land sind durch die Übertragung der Notkredite keine Nachteile entstanden. Und ebenso kein Schaden für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Rechtliche Klarheit für die künftige Haushaltspraxis
Finanzminister Dr. Danyal Bayaz: „Wir wollten mit dem Rechtsgutachten rechtliche Klarheit für die künftige Haushaltspraxis im Land. Die haben wir nun. Wir haben im Gegensatz zur Bundesregierung keine Notkredite umgewidmet. Das Gutachten bestätigt uns, dass sie in der Höhe und Verwendung rechtlich zulässig waren. Wir haben damals nach gängiger Haushaltspraxis Notkredite auf ein neues Haushaltsjahr übertragen. Das war rückblickend unzulässig. Das hat allerdings keine Konsequenzen, weil die Haushalte bereits abgeschlossen sind. Wir müssen nichts rückwirkend ändern.“
Professor Hanno Kube: „Anders als auf Bundesebene wurden die Corona-Notlagenkreditmittel in Baden-Württemberg nicht umgewidmet. Sie wurden zweckentsprechend eingesetzt. Unzulässig war allein die Bildung einer überjährigen Rücklage aus diesen Mitteln, also die zeitliche Zuordnung der Mittel zu den einzelnen Haushaltsjahren. Das Rechtsgutachten zeigt darüber hinaus, dass konjunkturbedingt aufgenommene Kreditmittel überjährig gespeichert werden dürfen. Auch im Übrigen hat das Land einige Möglichkeiten, jahresübergreifend und damit wirtschaftlich zu haushalten.“
Das Gutachten bestätigt: Alle Voraussetzungen für die Aufnahme der Corona-Notkredite lagen vor. Die Höhe und auch die Zweckbestimmung waren zulässig. Bis zum Ende des Jahres 2022 wurden auch alle Mittel vollständig und ausschließlich für Corona-Zwecke ausgegeben.
Dass ein Notlagenkredit nicht übertragen werden darf, war bei Aufnahme und Verwendung der Notkredite noch nicht bekannt. Dementsprechend hatte weder der Rechnungshof noch der Finanzausschuss diese Praxis kritisiert. Nach der strengen Jahresbetrachtung des Bundesverfassungsgerichts für Notlagenkredite hätte das Land rückwirkend betrachtet auch im Jahr 2022 erneut die Notlage erklären müssen.
Gutachten bestätigt wichtige Elemente der Haushaltspraxis
Das Gutachten bestätigt ansonsten wichtige Elemente der Haushaltspraxis im Land: Kreditermächtigungen aus der Konjunkturkomponente der Schuldenbremse können übertragen werden. Sie können auch dazu dienen, die Rücklage zu stärken. Das Land nutzt Konjunkturkredite auch als Instrument einer vorsorgenden Finanzpolitik. Die aufgeschobene Kreditaufnahme ist ebenso zulässig. Dabei werden die finanziellen Mittel, die zur Deckung beschlossener Maßnahmen notwendig sind, erst dann am Kreditmarkt aufgenommen, wenn sie tatsächlich benötigt werden.
So kann zum Beispiel die Zinsbelastung reduziert werden.
Die Corona-Notlagenkredite des Landes
Das Land hat in den Jahren 2020 bis 2022 insgesamt 8.139 Millionen Euro Corona-Kredite aufgenommen.
- Aufnahme Corona-Kredit: 5.000 Millionen Euro
- Verwendung: Rücklage für Haushaltsrisiken
- zweckgebundene Ausgaben: 2.944,6 Millionen Euro (darin 1.000 Millionen Euro Beteiligungsfonds)
- Restbetrag zum 31. Dezember 2020: 2.055,4 Millionen Euro
- Aufnahme Corona-Kredit: 2.198 Millionen Euro
- Verwendung: Weiterleitung an die Kommunen
- zweckgebundene Ausgaben: 2.198 Millionen Euro
- Aufnahme Corona-Kredit: 941,7 Millionen Euro
- Verwendung: Rücklage für Haushaltsrisiken
- zweckgebundene Ausgaben: 2.478,5 Millionen Euro
- Restbetrag zum 31. Dezember 2021: 518,6 Millionen Euro
- Verwendung: Sondertilgung von Corona-Notkrediten in Höhe von 942 Millionen Euro. Zuführung Rücklage für Haushaltsrisiken in Höhe von 506,3 Millionen Euro.
- zweckgebundene Ausgaben: 1.521,5 Millionen Euro
- Restbetrag zum 31. Dezember 2022: minus 496,6 Millionen Euro (mehr aus der Rücklage verausgabt als insgesamt aufgenommen)
Weitere Informationen sowie Fragen und Antworten
Das Bundesverfassungsgericht hatte Mitte November 2023 in einem Urteil den zweiten Nachtragshaushalt 2021 der Bundesregierung für verfassungswidrig erklärt. Damit gaben die Richterinnen und Richter der Normenkontrollklage von Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion statt.
Gegenstand der Entscheidung war eine haushaltspolitische Entscheidung der Bundesregierung: Im Februar 2022 wurden 60 Milliarden Euro in ein Sondervermögen verschoben, den sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF). Die Kreditermächtigungen waren ursprünglich für die Corona-Politik eingeplant, wurden dann aber doch nicht dafür benötigt. Im zweiten Nachtragshaushalt für das Jahr 2021 beschloss der Bundestag im Februar 2022, diese Kreditermächtigungen dem KTF zur Verfügung zu stellen. Die Summe wurde in voller Höhe im Jahr 2021 verbucht, obwohl das Geld erst in den Folgejahren ausgegeben werden sollte. Professor Kube hatte die Normenkontrollklage von Bundestagsabgeordneten von CDU/CSU gegen den Nachtragshaushalt des Bundes vor dem Bundesverfassungsgericht geführt.
In sogenannten Notsituationen ist eine Ausnahme von der Schuldenbremse möglich. Eine solche Notsituation ist zum Beispiel eine Naturkatastrophe. Die Corona-Pandemie war eine Naturkatastrophe. Deshalb war eine höhere Kreditaufnahme des Landes möglich. Die Notlagenkredite werden nach einem festen Tilgungsplan binnen eines angemessenen Zeitraums getilgt.
Davon zu unterscheiden sind die Konjunkturkredite nach der Konjunkturkomponente der Schuldenbremse. Sie ermöglichen in konjunkturell schwierigeren Zeiten dem Land eine höhere Kreditaufnahme. Dafür ist kein Notlagenbeschluss notwendig. Jedoch ist die Konjunkturkomponente symmetrisch ausgelegt. Das bedeutet, dass das Land in konjunkturell guten Zeiten wiederum Kredite tilgen muss.
Die Bundesregierung hatte nicht genutzte Corona-Notkredite für einen anderen Zweck umgewidmet. Das war unzulässig. Die Mittel hatte der Bund allerdings schon im Klima- und Transformationsfonds für konkrete Maßnahmen eingeplant. So entstand eine Finanzierungslücke. Sie erforderte konkrete Sparmaßnahmen der Bundesregierung. Das ist im Land nicht der Fall.
Nein. Dem Land brechen keine Mittel weg, weil das Land keine Corona-Mittel anderweitig einsetzen will und wollte. Der unzulässige Übertrag nicht genutzter Notkredite in der Vergangenheit hat keinerlei Auswirkungen auf künftige Haushalte oder die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.