„Die Ergebnisse der vierten Bundeswaldinventur sind eine wichtige Grundlage, um die nachhaltige Forstwirtschaft weiterzuentwickeln und um die notwendigen politischen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Die Bilanz zeigt, dass der Klimawandel zunehmend seine Spuren hinterlässt. Aber auch, dass wir in Baden-Württemberg, insbesondere mit der bei uns praktizierten nachhaltigen Waldwirtschaft, auf einem guten Weg sind und die richtigen Maßnahmen angepackt haben. Wir machen den Wald widerstandsfähiger und erhöhen seine Biodiversität. Der Waldumbau schreitet voran. Auf 88 Prozent der Landesfläche finden wir heute Mischwälder, ein Anstieg um 20 Prozent in den letzten 35 Jahren. Klimalabile Fichtenwälder haben im selben Zeitraum um rund zwölf Prozent abgenommen, damit auch das Risiko. Diese Erfolge sind nicht nur das Ergebnis langfristigen Engagements unserer Waldbesitzerinnen, Waldbesitzer und Forstleute, sondern auch eines liberalen Landeswaldgesetzes, das den Bewirtschaftern Freiheiten lässt, ihnen Angebote macht, sie unterstützt und motiviert“, sagte der Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk, anlässlich der Veröffentlichung der Ergebnisse der vierten Bundeswaldinventur.
„Wälder sind langlebige Ökosysteme, die sich in sehr langen Zeiträumen langsam entwickeln. Der rasch verlaufende Klimawandel überfordert diese natürliche Anpassungsfähigkeit. Daher unterstützen die Waldbewirtschafter und passen die Wälder an. Der Umbau labiler Fichtenwälder in den letzten 35 Jahren im Umfang von rund 160.000 Hektar ist eine enorme Leistung. Dies entspricht einem jährlichen Waldumbau von rund 4.500 Hektar oder mehr als 6.000 Fußballfeldern. Wir brauchen jedoch auch weiterhin einen langen Atem und müssen die Waldbesitzer und Forstleute langfristig unterstützen“, stellt Forstminister Hauk fest.
Intensive und landesweite Datenerhebungen
„Nachhaltige Waldnutzung braucht gute Daten. Nur wer weiß, wie die Wälder im Detail aussehen, kann die richtigen Entscheidungen treffen. Das gilt für den Forstbetrieb ebenso wie für die Waldpolitik. Daher freuen wir uns heute nach intensiven, landesweiten Datenerhebungen und monatelanger Auswertung die aktuellen Ergebnisse der Bundeswaldinventur 2022 präsentieren zu können. Im Verbund mit den vielen Monitoringsystemen, die die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) kontinuierlich in Baden-Württemberg unterhält, ergibt sich mit dieser als ‚Mutter aller Waldinventuren‘ geltenden systematischen Vermessung der Bäume ein dichtes Bild unserer Wälder im Land, von deren Risiken und Potenzialen“, sagte Ulrich Schraml, Direktor der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg.
Georg Schirmbeck, Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates betont: „Das Thünen-Institut hat ausgerechnet, dass die Anpassung der Wälder an den Klimawandel in den nächsten 30 Jahren einen Kapitalbedarf von über 14 Milliarden Euro verlangen. Diese erheblichen Kosten können nur bewältigt werden, wenn sowohl der Bund als auch die Länder ihre Unterstützung bereitstellen. Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz kann lediglich eine Ergänzung zum bestehenden und allgemein anerkannten Förderprogramm Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) darstellen. Zudem muss der Bund wieder in die Waldforschung investieren und dafür Mittel dauerhaft und verlässlich bereitstellen.“
Staatswald befindet sich auf dem richtigen Weg
Max Reger, Vorstandsvorsitzender von ForstBW erklärt: „Die Ergebnisse der Bundeswaldinventur zeigen, dass wir uns im Staatswald auf dem richtigen Weg befinden. ForstBW geht entsprechend seines öffentlichen Auftrags mit gutem Beispiel voran“.
Gerade den Anteil an naturnahen und sehr naturnahen Wäldern hebt Max Reger besonders hervor. Im Staatswald ist die tägliche Arbeit der Försterinnen und Förster bereits seit mehreren Jahrzehnten auf die Pflege und den Erhalt struktur- und artenreiche Wälder ausgerichtet, so der Vorstandsvorsitzende. „Solche gut strukturierten Bestände sind zugleich klimaangepasst, sie gewährleisten, dass wir auch in Zukunft multifunktionale Wälder in Baden-Württemberg haben. Diese liefern nicht nur den wertvollen Rohstoff Holz, oder dienen als Lebensraum für viele tausend Tiere, Pflanzen und Pilze, sondern auch als Erholungsraum für die Bevölkerung, Wasserspeicher, Klimamanager und vieles mehr.“ Zudem findet man überall zahlreiche Biotopbäume in den Staatswäldern Baden-Württembergs. „Wir führen ganz konkret den Nachweis, dass es gelingt, Waldwirtschaft, Klimaschutz und Naturschutz eng miteinander zu verzahnen, sodass zum Wohle aller der Wald optimal alle seine Funktionen entfalten kann“. Man dürfe sich nun aber nicht auf den aktuellen Begebenheiten ausruhen. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ForstBW setzen sich jeden Tag mit ganzer Energie dafür ein, die uns anvertrauten Wälder fit für eine Zukunft zu machen, die von massiven Unsicherheiten durch den Klimawandel gekennzeichnet ist“.
Nadelbaumanteil geht zurück
Die Flächenanteile der Nadelbäume sind weiter zurückgegangen und belaufen sich nun auf 51,5 Prozent. Der Fichtenanteil hat sich um drei Prozent reduziert und liegt jetzt bei 31 Prozent. Für Forstminister Peter Hauk ist aber auch klar: „Der regionale und nachwachsende Rohstoff Holz ist ausreichend verfügbar. Mit der Ernte von Bäumen, pflegen wir den Wald und stabilisieren ihn, erhöhen seine Mischung und senken das Risiko. Vom Holzvorrat von insgesamt 495 Millionen Kubikmeter hat die Fichte heute einen Anteil von 185 Millionen Kubikmetern. In der Holzverwendung müssen wir uns jedoch auf künftige Veränderungen bei den verfügbaren Sortimenten einstellen. Diese Weiterentwicklung unterstützen wir, in dem wir die Bioökonomie stärken und innovativen Holzverwendungsmöglichkeiten am Technikum Laubholz zur Marktreife führen.“
Wald als Klimaschützer
Wälder sind unsere wichtigsten terrestrischen Kohlenstoffspeicher. Trotz der enormen Waldschäden der letzten Jahre konnte in Baden-Württemberg der gebundene Kohlenstoff in der lebenden Biomasse in etwa gehalten werden. „Mit 373 Festmetern Holzvorrat pro Hektar haben die Wälder im Land im bundesweiten Vergleich die zweithöchsten Vorräte. Auch europaweit sind dies Spitzenwerte. Trotzdem lässt die Kohlenstoffsenkenleistung der Wälder nach. Der Zuwachs an Biomasse ist um rund 12 Prozent gegenüber der letzten Inventurperiode (2002 bis 2012) zurückgegangen. Daher ist es umso wichtiger, dass wir auch außerhalb des Waldes Kohlenstoffspeicher aufbauen, in dem wir mit Holz bauen und es in der Bioökonomie verwenden“, betont Hauk. Zudem sei die Bindung von Kohlendioxid je Hektar in jungen, heranwachsenden Wäldern viel höher, als in älteren Beständen, sodass der junge Wald stark als Kohlenstoffsenke wirke. „Es ist ein Trugschluss, ausschließlich älteren Wäldern ein Senkenpotential zuzuschreiben, in dem man sie weniger nutzt und Vorräte aufbaut, denn damit potenziert sich leider auch ihr Ausfallrisiko“, betonte Minister Hauk.
Geringe Waldschäden
Die Waldschäden der letzten Jahre spiegeln sich auch in den Ergebnissen der Bundeswaldinventur für Baden-Württemberg wider. Trotzdem haben die Fortschritte beim Waldumbau das Land bisher vor größeren Schäden bewahrt. „Dank des sehr hohen Anteils von rund 76 Prozent zwei- und mehrschichtiger Wälder haben die Waldschäden nur auf einem Prozent der Waldfläche zu flächigen Nutzungen geführt“, sagte Minister Hauk. Im bundesweiten Vergleich sei dies ein sehr niedriger Wert. Die meisten Schäden konnten durch selektive Nutzungen aufgefangen werden.
Die Baumverjüngung besteht mittlerweile zu rund 72 Prozent aus meist klimaanpassungsfähigeren Laubbäumen. Die heimischen Eichenwälder sind auf einen Anteil von rund neun Prozent und des trockenheitstoleranten Nadelbaums Douglasie auf vier Prozent gestiegen. Auch der Anteil der selteneren Hainbuchen und Ahornarten ist gestiegen. Für die Klimaanpassung der Wälder sind das positive Ergebnisse. „Viele klimaanpassungsfähige Baumarten, wie die Eichen, sind unter den heutigen Verhältnissen konkurrenzschwächer als der häufigste Laubbaum, der Buche. Daher sind diese Erfolge nicht mit Flächenstilllegungen zu erreichen, sondern nur mit einer zielführenden aktiven Waldpflege“, betont Minister Hauk.
„Diese positiven Entwicklungen sind das Ergebnis und der Erfolg von mehr als 30 Jahren naturnaher Waldwirtschaft und der Umsetzung der Waldnaturschutzkonzepte in Baden-Württemberg. Der Klimawandel verändert die Rahmenbedingungen und damit die Lebensräume. Daher brauchen wir mehr, denn dynamische und flexible Artenmanagement-Maßnahmen im Rahmen der nachhaltigen Waldwirtschaft, statt statischer Schutzgebiete, die Wanderbewegungen über Biotopvernetzungen ermöglichen“, stellt Minister Hauk fest.
Die Entwicklung der Wälder wird seit 1987 bundesweit systematisch erfasst. Seit der zweiten Bundeswaldinventur im Jahr 2002 führen Bund und Länder die Inventur alle zehn Jahre durch. Für die vierte Bundeswaldinventur haben die Aufnahmetrupps, koordiniert durch die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, an 13.277 Probepunkten mehr als 100.000 Bäume ab einem Durchmesser in Brusthöhe von mindestens sieben Zentimetern erfasst. Hinzu kommen weitere rund 150.000 junge Bäume. Hochgerechnet wachsen in den Wäldern Baden-Württembergs fast 19 Milliarden Bäume.
Die Qualität der Waldlebensräume für viele Arten alter Wälder wurde verbessert. Die Wälder werden älter und naturnäher und die Bäume dicker. So gelten mehr als 80 Prozent der Waldfläche als naturnah und fast 20 Prozent sind über 120 Jahre alt. Mittlerweile hat jeder dritte Baum (36 Prozent) einen Durchmesser in Brusthöhe von mehr als 50 Zentimetern. Im Jahr 1987 lag der Anteil an dicken Bäumen noch bei 16 Prozent. Die Anzahl der Bäume, die älter als 160 Jahre und zugleich einen Durchmesser in Brusthöhe von mehr als 80 Zentimeter haben, hat sich seit 1987 auf rund 700.000 vervierfacht.
Für die Forstbetriebe bedeutet dies gleichzeitig auch ein steigendes Risiko, dass Bäume absterben. So hat der Anteil an Totholz deutlich zugenommen und liegt mittlerweile bei rund 34 Kubikmeter pro Hektar. Das entspricht rund einem Zehntel der gesamten Holzbiomasse. Das stehende Totholz hat sich um den Faktor 2,5 erhöht und liegt aktuell bei 4,4 Kubikmeter pro Hektar. Auch Bäume mit wertvollen Habitatstrukturen, wie Höhlen oder Kronentotholz sind häufiger geworden. Im Durchschnitt kommen auf einem Hektar 7,5 Biotopbäume vor.