Der Klimawandel bedroht unsere Lebensgrundlagen. Die durch den Menschen verursachten Treibhausgasemissionen lassen die Durchschnittstemperatur auf der Erde ansteigen. Die Weltgemeinschaft muss gegensteuern – zentral dabei ist global betrachtet das im Jahr 2015 erzielte Pariser Klimaabkommen und auf europäischer Ebene der Europäische Grüne Deal, der European Green Deal. Baden-Württemberg geht beim Klimaschutz voran und setzt durch ambitionierte Ziele neue Maßstäbe. Bereits bis 2040, also fünf Jahre früher als der Bund und zehn Jahre früher als die EU, wollen wir Klimaneutralität beziehungsweise Netto-Treibhausgasneutralität erreichen. Bis zum Jahr 2030 wollen wir die Emissionen gegenüber 1990 um mindestens 65 Prozent reduzieren.
Sollte es uns nicht gelingen, den globalen Temperaturanstieg deutlich zu begrenzen, werden Wetterextreme wie Stürme, Starkregen, Waldbrände und Hitzewellen weiter dramatisch zunehmen. Der Klimawandel findet bereits statt und seine Auswirkungen sind längst auch bei uns deutlich spürbar und sichtbar. Für die Folgen des Klimawandels, die sich nicht mehr aufhalten lassen, hat das Land eine Anpassungsstrategie entwickelt.
In Baden-Württemberg wird der Klimaschutz seit Juli 2013 in einem eigenen Gesetz geregelt. Baden-Württemberg war das zweite Bundesland mit einem solchen Klimaschutzgesetz. Zuletzt haben wir das Klimaschutzgesetz im Februar 2023 überarbeitet und zu einem Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz weiterentwickelt.
Neben den oben genannten, übergeordneten Klimazielen für 2030 und 2040 hat Baden-Württemberg mit dem Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz als erstes Bundesland Sektorziele für das Jahr 2030, also konkrete Einsparvorgaben beim Treibhausgasausstoß für einzelne Sektoren, wie zum Beispiel die Energiewirtschaft, die Industrie oder den Verkehr, verankert. Dies dient dazu, das Klimaziel für 2030 handhabbar zu machen. Um diese Sektorziele zu erreichen, wurde das Instrument des „Klima-Maßnahmen-Registers“ entwickelt, in dem die Maßnahmen der Landesregierung zum Schutz des Klimas einheitlich, übergeordnet und fortlaufend geführt werden. Außerdem wurde ein Klimavorbehalt für Förderprogramme gesetzlich festgelegt und mit dem CO2-Schattenpreis ein Instrument eingeführt, das bei Baumaßnahmen und Beschaffungen des Landes die Kosten der Umwelt, die durch den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid entstehen, durch einen rechnerischen Preis sichtbar macht. Gleichzeitig wurde in dem Gesetz die Rolle der Klimawandelanpassung gestärkt.
Vorbild soll auch die Landesverwaltung sein und bereits bis zum Jahr 2030 klimaneutral organisiert sein. Dabei geht es vor allem darum, landeseigene Gebäude energetisch zu sanieren und auf erneuerbare Energien umzustellen. Mobilität und Dienstreisen, Informationstechnologien und Beschaffungswesen rücken ebenfalls in den Fokus.
Der Klima-Sachverständigenrat wurde Ende 2021 eingerichtet. Er soll die Landesregierung und den Landtag sektorübergreifend zu Fragen des Klimaschutzes und der Klimawandelanpassung beraten. Bei dem Sachverständigenrat handelt sich um ein unabhängiges wissenschaftliches Expertengremium, das sich aus sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammensetzt. Die Berufungsdauer beträgt fünf Jahre.
Zu den zentralen Aufgabenfeldern des Klima-Sachverständigenrats gehört es, die Landesregierung bei der Umsetzung der Klimaschutzziele und der Anpassungsstrategie zu beraten und auch sektorspezifische Maßnahmenvorschläge zu entwickeln. Zudem wirkt er insbesondere beim Monitoring der Klimaschutzmaßnahmen mit und kann eigene Arbeitsschwerpunkte setzen.
Die Klimaschutzpolitik des Landes wird wesentlich von den Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene bestimmt. So erfasst beispielsweise der Emissionshandel, das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS), EU-weit etwa 40 Prozent und in Baden-Württemberg rund ein Drittel aller Treibhausgasemissionen. Bisher konnten die im EU ETS gesetzten Ziele eingehalten werden. Der seit 2019 deutlich gestiegene Preis für CO2-Zertifikate entfaltet seine Lenkungswirkung. Dennoch muss die weitere Entwicklung auch im EU-ETS sorgfältig beobachtet werden, damit der EU-ETS einen angemessenen Beitrag zum Klimaschutz leistet und zugleich Wettbewerbsfähigkeit und Sozialverträglichkeit gewahrt bleiben.
Europa soll der erste klimaneutrale Kontinent werden
Im Europäischen Klimagesetz ist die Klimaneutralität bis 2050 rechtlich verankert. Das soll Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Bis 2030 soll EU-weit eine Emissionsreduktion um 55 Prozent gegenüber 1990 erreicht werden. Dazu hat die Europäische Union ein „Fit-for-55-Paket“ mit insgesamt zwölf Einzelregelungen auf den Weg gebracht. Neu ist der Plan, in den Sektoren Gebäude und Verkehr ebenfalls ein Emissionshandelssystem einzuführen. Darin wird das bundesweit seit 2021 geltende Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) voraussichtlich ab 2027 aufgehen. Das BEHG gibt CO2 einen zunächst festgelegten Preis, der mit 25 Euro pro Tonne CO2 startete, seit Anfang 2024 bei 45 Euro pro Tonne CO2 liegt und sukzessive steigt, bevor er in ein Handelssystem überführt wird.
Bundesweite Vorgaben und Strategien wirken sich ebenfalls ganz erheblich auf den Handlungsspielraum des Landes aus. Der Bund hat mit dem 2019 vorgelegten und zuletzt 2024 novellierten Klimaschutzgesetz einen wichtigen Rahmen für die Klimapolitik vorgegeben. Der Bund strebt Klimaneutralität bis 2045 und bis 2030 eine Reduktion der Emissionen um 65 Prozent an. Um die Zielerreichung zu überprüfen hat der Bund ein Nachsteuerungsmechanismus eingeführt. Zentrale Maßnahmen zur Zielerreichung sind im Klimaschutzprogramm 2030 zu finden.
Ein Großteil der Emissionen geht auf Erzeugung und Verbrauch von Strom, Wärme und Kraftstoffen zurück – rund 90 Prozent aller klimaschädlichen Emissionen im Land fallen energiebedingt an. Besonders viel CO2 entsteht im Verkehrssektor. Mit absteigendem Anteil stammen weitere Emissionen aus dem Betrieb von Gebäuden, der Industrie, der Land- und Forstwirtschaft und schließlich der Abfall- und Abwasserwirtschaft. Diese verschiedenen Sektoren betrachten wir getrennt voneinander, um ihre Entwicklung separat verfolgen und beeinflussen zu können.
Das für 2020 angepeilte Zwischenziel, insgesamt ein Viertel weniger Treibhausgase auszustoßen als im Jahr 1990, haben wir erreicht. Allerdings waren die Treibhausgasemissionen in 2020 durch die Pandemie bedingt gering und stiegen danach wieder an. 2023 fiel der Treibhausgasausstoß nach ersten Schätzungen des Statistischen Landesamts dann aber auf den niedrigsten Stand seit 1990. Allerdings war ein großer Teil der Emissionsminderung 2023 von einer wirtschaftlichen Stagnation und hohen Energiepreisen geprägt. Auch wenn die Emissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 um fast 31 % zurückgegangen sind, verbleibt bis 2030 nur noch wenig Zeit, um die Gesamtemissionen auf mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Dies zeigt auch die Projektion, also die Vorausberechnung von Treibhausgasemissionen für 2030 und 2040 auf Basis der bis 2024 verbindlich beschlossenen Maßnahmen.
Baden-Württemberg engagiert sich im Klimaschutz auch auf internationaler Ebene. Gemeinsam mit Kalifornien gehören wir zu den Gründungsmitgliedern der Under2-Coalition. Dieses Klimabündnis zählt zwischenzeitlich über 170 Mitgliedsregionen, die 1,7 Milliarden Menschen und 50 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung repräsentieren. Ihnen allen ist gemein, dass sie das 1,5 Grad-Ziel unterstützen und den dazu notwendigen Wandel in allen relevanten Sektoren vorantreiben.
Kommunen, Unternehmen, Vereine, kirchliche Organisationen und kommunale Betriebe sind wichtige Partner beim Klimaschutz. Um sie zu unterstützen hat das Umweltministerium das Förderprogramm „Klimaschutz-Plus“ ins Leben gerufen. Denn die ambitionierten Klimaziele können nur erreicht werden, wenn Energie effizienter eingesetzt und bei Strom und Wärme Energie eingespart wird – insbesondere im Gebäudebestand.
Die Rolle der Städte und Gemeinden ist dabei besonders hervorzuheben. Denn sie haben gegenüber ihren Einwohnerinnen und Einwohnern eine Vorbildfunktion und gestalten innerhalb ihrer Gemarkung die Rahmenbedingungen zur Emissionsreduktion ganz wesentlich mit. Das Programm Klimaschutz-Plus besteht dabei aus drei Säulen:
- CO2-Minderungsprogramm: Förderung von Maßnahmen, die eine nachhaltige Minderung der aus dem Energieverbrauch resultierenden CO2-Emissionen bewirken.
- Struktur-, Qualifizierungs- und Informationsprogramm: Förderung zusätzlicher Klimaschutzaktivitäten (zum Beispiel durch Bilanzierung von CO2-Emissionen, Vernetzung und Beratung, Projekte an Schulen, Klimaneutrale Kommunalverwaltung, regionale Beratungsstellen zur Unterstützung der kommunalen Wärmeplanung).
- Nachhaltige, energieeffiziente Sanierung: Dabei fördern wir bei der Sanierung von Schulgebäuden solche Vorhaben zusätzlich, die besondere Effizienzstandards erreichen.
Die Transformation hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft innerhalb von weniger als zwanzig Jahren stellt uns vor große Herausforderungen in allen Bereichen des Lebens und Wirtschaftens.
Von der Stromerzeugung, die perspektivisch komplett aus regenerativen Quellen stammen muss, über die Mobilität, bei der künftig alternative Antriebsformen die Norm werden müssen, bis hin zur Frage wie wir unsere Wohnungen und Häuser heizen.
Für die Erreichung der ambitionierten Zielsetzungen stehen alle Ebenen und Ressorts in der Verantwortung und müssen möglichst rasch in die Umsetzung kommen. Um in diesem kurzen Zeitraum den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen, sind wir zudem darauf angewiesen, die Menschen mitzunehmen und für einen effektiven Klimaschutz möglichst viele Akteure aus der gesamten Gesellschaft einzubinden.
Nur durch konsequenten Klimaschutz können wir erreichen, dass der Klimawandel in einem für uns beherrschbaren Rahmen bleibt. Gleichzeitig müssen wir uns auf die bereits hervorgerufenen und nicht mehr vermeidbaren klimatischen Veränderungen einstellen.
Wir brauchen effektive Strategien für die Anpassung, denn die Klimawandelfolgen sind bereits heute deutlich zu sehen und zu spüren. Das gilt auch für Baden-Württemberg – seit den 1990er Jahren verläuft die Entwicklung immer rasanter. Zuletzt wurde 2023 ein neuer Höchstwert der Jahresmitteltemperatur für Baden-Württemberg erreicht. Extremwetterereignisse werden weiter zunehmen.
Maßnahmen, die Klimaschutz und Klimaanpassung effektiv miteinander verbinden, bringen große Chancen mit sich und können unsere Lebensqualität insgesamt steigern. So können beispielsweise Stadtbegrünungsmaßnahmen dazu führen, einerseits die Versickerung von Oberflächenwasser zu erleichtern und Hitzeeffekten entgegenzuwirken, andererseits werden aber auch öffentliche Räume aufgewertet und können attraktiver gestaltet werden.
Die Strategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Baden-Württemberg stammt aus dem Jahr 2023. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie und mit welcher Dynamik sich das Klima zukünftig ändern wird und zeigt die Bandbreite möglicher Klimaentwicklungen in Baden-Württemberg auf. Es werden Maßnahmen erarbeitet, die von einem regelmäßigen Monitoring-Bericht flankiert werden.