Innenminister Thomas Strobl hat die Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus einem Jahr Arbeit der Stabsstelle moderne Führungs- und Wertekultur vorgestellt.
„Wir haben das Thema moderne Führungs- und Wertekultur bei der Polizei schon lange auf die Tagesordnung gesetzt – nicht zuletzt, weil unsere Polizei einen der größten Transformationsprozesse ihrer Geschichte durchläuft. In den vergangenen Jahren gab es freilich auch Rückschläge. Diese haben uns alle eines gezeigt: Jetzt erst recht: Jetzt erst recht steht das Thema moderne Führungs- und Wertekultur ganz oben auf der Agenda. Dass wir nicht nur darüber reden, sondern das auch tun und Ernst meinen, dafür habe ich vor einem Jahr einen weiteren Grundstein gelegt. Ich habe Jörg Krauss aus dem Ruhestand zu uns an Bord geholt – mit einem klaren Auftrag: Eine ehrliche Bestandsanalyse, wo wir in dem Bereich stehen. Er sollte in Erfahrung bringen, was gut läuft, vor allem aber auch ans Licht bringen, wo der Schuh drückt. Und das hat er getan: In über 2.000 Gesprächen und Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen hat er zugehört, genau hingehört und hingeschaut. Und an die Erkenntnisse dieser Arbeit werden wir jetzt anknüpfen. Denn für mich war und ist klar: Das, was Jörg Krauss erarbeitet hat, ist ein Auftrag“, so der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl am 26. Juli 2024 in Stuttgart.
Die Handlungsempfehlungen finden Sie online (PDF). Eine barrierefreie Version der Handlungsempfehlungen wird im Nachgang an dieser Stelle abrufbar sein.
Die Ergebnisse
Vor einem Jahr, am 18. Juli 2023, hat die Stabsstelle moderne Führungs- und Wertekultur ihre Arbeit aufgenommen und seither mit über 2.000 Kolleginnen und Kollegen aus der Innenverwaltung und der Polizei gesprochen und diskutiert. Dabei wurde sowohl mit den Führungskräften gesprochen, ebenso wie mit den Beschäftigten, der Basis in der Fläche. An den Veranstaltungen nahmen sowohl Beamtinnen und Beamte, als auch Tarifbeschäftigte teil. Die Stabsstelle wollte mit ihrem Ansatz eine umfassende Gesprächsbreite und Gesprächstiefe erzielen, um auf der Basis nachhaltige Handlungsanweisungen abzuleiten. „Wir haben aus den vielen guten, aber auch kritischen und stets konstruktiven Gesprächen neun Handlungsfelder mit 24 Handlungsempfehlungen identifiziert. Sie sind Wegweiser hin zu einer starken Führungs- und Wertekultur in der Innenverwaltung und der Polizei. Es war mir dabei wichtig, nichts zu beschönigen, nichts zu bewerten und 100 Prozent transparent zu sein. Es ist wichtig die Offenheit und das Vertrauen, das uns überall entgegenbracht wurde, zurückzugeben“, sagte Jörg Krauss.
Die neun Handlungsfelder
- Objektivität und Transparenz von Personalentscheidungen erhöhen, zum Beispiel durch eine unabhängige Eignungsdiagnostik bei der Besetzung von Führungsfunktionen.
- Kommunikationskultur offener und transparenter gestalten, zum Beispiel durch Intensivierung der direkten Kommunikation der Kolleginnen und Kollegen und Achtung einer Feedbackkultur.
- Einführung einer werteorientierten Führungskultur in der Innenverwaltung und der Polizei, zum Beispiel durch Einführung eines neuen Führungsstils und durch kontinuierliche Fortbildung der Führungskräfte im zweijährigen Turnus in der werteorientierten Führung.
- Stärkung der Teamverantwortung und des Individuums, zum Beispiel durch Förderung der Selbstreflektion, des Erfahrungsaustauschs, die gemeinsame Erarbeitung von Lösungsansätzen in Führungsfragen und die dienststellenübergreifende Vernetzung.
- Bindung an den Beruf erhöhen und Fachkarrieren stärken (inklusive Onboarding), zum Beispiel durch bessere Entwicklungsmöglichkeiten im gehobenen Dienst bei der Polizei und Stärkung der Willkommenskultur.
- Abbau der Bürokratie und Regelungsdichte, da es maßgeblich darauf ankommt, Verantwortung dort anzusiedeln, wo Entscheidungen im Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern getroffen werden.
- Personelle und inhaltliche Konzentration auf die Kernaufgaben. Polizistinnen und Polizisten müssen dafür von vollzugsfernen Aufgaben entlastet werden.
- Stärkung der Kolleginnen und Kollegen im Tarifbereich, zum Beispiel durch Schaffung von 500 Stellen für Ermittlungsassistentinnen und -assistenten sowie von Stellen für spezialisierte Bereiche im IT- und Technikbereich.
- Nachwuchs sichern, zum Beispiel durch Optimierung des Bewerbungsprozesses und Erhöhung von Anreizfaktoren für die Tätigkeit.
Erkenntnisse in Innenverwaltung und Polizei verankern
„Wir reden nicht nur darüber, sondern meinen es ernst. Dafür habe ich vor einem Jahr einen weiteren Grundstein gelegt. Die Arbeit der Stabsstelle, die Erkenntnisse, die sie gewonnen hat, werden wir jetzt verbindlich und konkret in der Innenverwaltung und der Polizei verankern“, unterstrich Minister Thomas Strobl. Die Maßnahmen betreffen insbesondere drei Bereiche:
- Werteorientierte Führung: Es sollen weitere Mechanismen und Strukturen in der Innenverwaltung und der Polizei verankert werden, die eine werteorientierte Führung und offene Kommunikationskultur unterstützen. Hier geht es also um das Miteinander und um die Organisationskultur, um Führungsverantwortung, Achtsamkeit, Fehlerkultur und offene Kommunikation. Künftig sind in diesem Zusammenhang beispielsweise die Vorgesetztenfeedbacks als verbindliches Führungselement oder verstärkte Führungskräftefortbildungen vorgesehen. Außerdem soll ein verstärkter Erfahrungsaustausch innerhalb der Organisation implementiert werden.
- Personalentwicklung und Personalentscheidungen: Hier geht es vor allem um Objektivität, Transparenz und Vertrauen. Konkret soll beispielsweise das Auswahlverfahren für den Aufstieg in den höheren Polizeivollzugsdienst optimiert und eine unabhängige Eignungsdiagnostik eingeführt werden. Zudem soll der Umlauf, den angehende Führungskräfte bei der Polizei absolvieren müssen, im Sinne der Transparenz und der Familienfreundlichkeit, zeitlich begrenzt werden. Auch sollen die Eingruppierungen im Tarifbereich sowie die Entwicklungsmöglichkeiten im gehoben Polizeivollzugsdienst strukturell verbessert werden.
- Fortführung der Einstellungsoffensive: Um die Polizei personell zu stärken und zu entlasten, muss die Einstellungsoffensive fortgeführt werden – im Vollzug und im Nichtvollzug. Damit sich Polizistinnen und Polizisten auf ihre originären Aufgaben konzentrieren können, bedarf es zum Beispiel zusätzlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Ermittlern zuarbeiten oder Spezialistinnen und Spezialisten im IT-Bereich. Diese Maßnahmen hängen natürlich ganz maßgeblich von den finanziellen Ressourcen ab, die zur Verfügung stehen.
„Klar ist freilich: Wir sind in einem Prozess, wir werden uns hier immer wieder aufs Neue hinterfragen. Mit den Handlungsempfehlungen setzen wir jetzt aber genau dort an, wo es notwendig ist. Das ist der klare Auftrag unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, den wir sehr ernst nehmen“, sagte Innenminister Thomas Strobl abschließend.
Weitere Maßnahmen
Die Einrichtung der Stabsstelle moderne Führungs- und Wertekultur vor einem Jahr war eine von fünf Maßnahmen. Darüber hinaus wurde in den letzten 12 Monaten
- das Landespolizeipräsidium neu aufgestellt, hin zu einem starken Führungsteam,
- eine neue Grundlage für das Beurteilungswesen und die strategische Personalentwicklung auf den Weg gebracht,
- eine Vertrauensanwältin beauftragt,
- eine Dienstvereinbarung gegen sexuelle Belästigung in der Innenverwaltung geschlossen und eine für die gesamte Polizei, die aktuell mit dem Hauptpersonalrat der Polizei ausgestaltet wird.
Bereits davor wurden zahlreiche Maßnahmen im Bereich der Führungs- und Wertekultur aufgesetzt, unter anderem:
- über 100 Einzelmaßnahmen zur Stärkung der demokratischen Resilienz und Weiterentwicklung der Führungs- und Wertekultur auf den Weg gebracht,
- die Mitarbeiterbefragung der Polizei BW als anonymes und umfassendes Feedbackinstrument weiterentwickelt und Aktionswochen Feedback- & Fehlerkultur“ durchgeführt und
- eine neue – vollständig überarbeitete – Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst eingeführt und sind dabei dasselbe für den gehobenen Dienst zu tun.
Bisherige Maßnahmen zum Schutz gegen sexuelle Belästigung, unter anderem:
- Meldewege und -verpflichtungen überprüft und angepasst,
- eine Dienstvereinbarung „Schutz vor sexueller Belästigung“ erarbeitet und diese mit dem Örtlichen Personalrat abgestimmt sowie
- anonymisierte Abfragen durchgeführt, um einen Überblick über Verdachtsfälle im Zusammenhang mit sexuellen Belästigungen innerhalb der Polizei Baden-Württemberg zu erhalten.