Teilhabe

Austausch über Barrieren für Taubblinde und Hörsehbehinderte

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Landes-Behindertenbeauftragte Simone Fischer hat sich mit Mitgliedern der Landesarbeitsgemeinschaft taubblind Baden-Württemberg über Barrieren im Alltag taubblinder und hörsehbehinderter Menschen ausgetauscht.

Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) taubblind (TBI) Baden-Württemberg (BW) haben im Gespräch mit der Beauftragten der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Simone Fischer, auf beträchtliche Barrieren hingewiesen, die sie im Alltag erleben. Dabei handelt es sich um Barrieren in der Kommunikation, im Zugang zu Informationen und in der Mobilität. „Durch diese Barrieren wird ihr Rechts- und Teilhabeanspruch vielfach nicht erfüllt und das selbstverständliche Miteinander in der Gesellschaft erschwert“, so Simone Fischer. Die Betroffenen fordern deutliche Verbesserungen, wie zugängliche Beratungsangebote für taubblinde und hörsehbehinderte Menschen sowie die Anerkennung des Merkzeichens TBl in der Versorgungsmedizinischen Verordnung (VersMedV). Im Rahmen des Gesprächs mit Benjamin Gutwein und Hans-Jürgen Heitz ist ein Video entstanden, in dem die Forderungen der LAG taubblind BW aufgegriffen werden.

Simone Fischer betont: „Es ist von Bedeutung, dass taubblinde und hörsehbehinderte Menschen die notwendige Unterstützung bekommen sowie spezifische Beratung in der von ihnen bevorzugten Kommunikationsform wahrnehmen können. Niedrigschwellige Beratungsangebote ermöglichen den Zugang zu wichtigen Informationen und somit die von der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN) garantierte Teilhabe. Sie sind daher für taubblinde und hörsehbehinderte Menschen unverzichtbar. Die LAG taubblind ist ein wichtiges Netzwerk. Sie bündelt Kompetenz und Wissen. Taubblinde Menschen sind Expertinnen und Experten in eigener Sache.“ Sie sprach sich dafür aus, dass diese Expertise künftig auch von Ämtern, Behörden und Beratungsstellen genutzt werden müsse.

Spezifische Beratungs- und Unterstützungsangebote fehlen

Cüma Ak, Benjamin Gutwein, Hans-Jürgen Heitz und Ute Neumann sind taubblind beziehungsweise hörsehbehindert. Sie weisen im Gespräch mit der Landes-Beauftragten auf das Fehlen spezifischer Beratungs- und Unterstützungsangebote für ihren Personenkreis in Baden-Württemberg hin: „Wir benötigen Zugang zu sozialen Diensten und Beratungen, die auf die Lebenssituation von taubblinden Menschen ausgerichtet sind.“ Der Unterstützungsbedarf betreffe alle relevanten Themen des Alltags im Kontext der Taubblindheit und Hörsehbehinderung, wie gründliche Beratung zu Rehabilitation, Bildung, Arbeit, Wohnen, Freizeit und Kommunikation. Betroffene Menschen benötigten unter anderem Informationen zu ihren Rechten, Unterstützung bei der fachgerechten Beantragung von Leistungen und Hilfsmitteln sowie bei der Vermittlung von Fachärzten, Therapeuten und anderen relevanten Anlaufstellen.

„Die Kommunikation im Rahmen dieser Unterstützungsangebote muss in der von ihnen bevorzugten Kommunikationsform, beispielsweise über das Lormen oder taktile Gebärdensprache, oder unter Einsatz technischer Hilfsmittel möglich sein. Außerdem sind Fort- und Weiterbildungen in Bezug auf die Situation taubblinder und hörsehbehinderter Menschen in sozialen Diensten, Ämtern und Behörden nötig, damit dort angemessen beraten werden kann“, fasst Simone Fischer zusammen.

Spezialisierte Sozialberatung und Peer-to-Peer-Ansatz gefordert

Die LAG taubblind BW fordert die Einführung und den Ausbau spezialisierter Sozialberatung mit spezifischen Beratungsmöglichkeiten, die taubblinden und hörsehbehinderten Menschen Zugang zu Informationen und konkreten Hilfen bieten und damit eine verbesserte Teilhabe ermöglichen. Diese Dienste müssen über Fachwissen und Erfahrung im Umgang mit den Bedürfnissen taubblinder und hörsehbehinderter Menschen verfügen und finanziell sowie personell angemessen ausgestattet sein. Beratungsangebote speziell für taubblinde und hörsehbehinderte Menschen sind eine notwendige Voraussetzung, um das durch die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN) garantierte Recht auf Teilhabe für diese Personengruppe umzusetzen.

Ein zentrales, von der LAG taubblind BW für notwendig befundenes Beratungsinstrument ist der Peer-to-Peer-Ansatz in der Beratung, bei der die Beraterinnen und Berater ebenfalls taubblind oder hörsehbehindert sind und ihre gelebte Erfahrung in die Beratung einfließen lassen können. „Das ist gerade in Bezug auf Taubblindheit von großer Bedeutung“, bestätigte Simone Fischer. Niedrigschwellige Beratung in Lormen, taktiler und visueller Gebärdensprache, Brailleschrift und so weiter bietet taubblinden und hörsehbehinderten Menschen den notwendigen Zugang zu wichtigen Informationen rund um Teilhabe und Rehabilitation. „Zudem können sich taubblinde oder hörsehbehinderte Beraterinnen und Berater besser in die Bedürfnisse der zu beratenden Personen hineinversetzen, haben Kenntnisse bezüglich der spezifischen Belange und können eine adäquate Beratung bieten. Diese Beratungsangebote ermöglichen taubblinden und hörsehbehinderten Menschen die Teilhabe und sind daher für sie unverzichtbar“, so die Mitglieder der LAG taubblind BW.

„Taubblinden und hörsehbehinderten Menschen ist der Zugang zu Ämtern, Behörden und Beratungsangeboten erschwert, da sie auf eine dolmetschende Begleitperson angewiesen sind. Angesichts langer Wartezeiten, bedingt durch einen Mangel an Taubblindenassistenzen und Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetschern, ist eine zeitnahe Beratung kaum möglich. Zudem stellen Sozialdienste und Beratungsstellen oft keine Budgets für den Einsatz von Dolmetschenden oder Taubblindenassistenzen bereit. Bei Behörden ist es ebenfalls nicht immer leicht, die Kostenübernahme durchzusetzen. Findet eine Beratung statt, fehlt nicht betroffenen Beraterinnen und Beratern vielfach das Hintergrundwissen zu den spezifischen Bedarfen und der Lebenssituation taubblinder und hörsehbehinderter Menschen“, beschreiben die Mitglieder der LAG die aktuelle Situation.

Taubblindheit 2016 erstmalig als eigene Form der Behinderung anerkannt

Mit der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) Ende 2016 wurde das Merkzeichen TBl für den Schwerbehindertenausweis eingeführt. Damit wurde Taubblindheit erstmalig als eigene Form der Behinderung anerkannt. Allerdings fand es nicht Eingang in die Versorgungsmedizinische Verordnung. Die Selbstvertretungen der taubblinden Menschen fordern: „Taubblindheit und Hörsehbehinderung müssen als eigenständige medizinische Phänomene mit spezifischen Bedürfnissen anerkannt und mit entsprechenden Leistungen beziehungsweise Nachteilsausgleichen verknüpft werden.“ Sie setzen sich deshalb auf Bundesebene für die Aufnahme des Merkzeichens TBl in die VersMedV ein.

Weiter betonen sie: „Taubblindheit und Hörsehbehinderung sind mehr als eine Kombination von Blind- und Taubheit. Es ist eine eigenständige Behinderung. Die Bedarfe taubblinder und hörsehbehinderter Menschen unterscheiden sich deutlich von denen blinder oder tauber Personen. Der Hauptgrund hierfür liegt in der fehlenden Kompensationsmöglichkeit durch einen anderen, intakten Sinn. Es werden andere Hilfsmittel und mehr Unterstützung benötigt. Daher muss auch ein Nachteilsausgleich für taubblindenspezifische Bedarfe mit dem Merkzeichen TBl verbunden werden.“

Zu wenig Assistenz für taubblinde und hörsehbehinderte Menschen

Taubblinde und hörsehbehinderte Menschen benötigen vielfach Assistenz für Mobilität, Orientierung und Kommunikation. Assistenz ist für taubblinde Menschen unverzichtbar, um umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten. Diese Assistenzen passen sich den Bedürfnissen der Menschen an und kommunizieren mit ihnen in der von ihnen bevorzugten Kommunikationsform, wie beispielsweise Lormen, taktile Gebärdensprache oder technische Hilfsmittel. Außerdem verfügen die Assistenzen über Kenntnisse und Fähigkeiten bezüglich Führungstechniken bei der Begleitung taubblinder Menschen.

Laut Assistentenverband gibt es derzeit in Baden-Württemberg 30 zertifizierte Taubblindenassistenzen. Seit 2018 wird die Qualifizierung zur Taubblindenassistenz durch das Land Baden-Württemberg mit rund 226.000 Euro gefördert. Im aktuellen, dritten geförderten Ausbildungsjahrgang befinden sich zwölf Personen. Damit leistet Baden-Württemberg wichtige Unterstützung für taubblinde und hörsehbehinderte Menschen. Die LAG taubblind BW weist dennoch auf den Mangel an Taubblindenassistenzen hin. Bei geschätzten 625 Betroffenen in Baden-Württemberg können die 30 Taubblindenassistenzen den Assistenzbedarf nicht abdecken. Bei einer angenommenen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden entfallen auf jede taubblinde oder hörsehbehinderte Person nur 1,9 Assistenzstunden. Dabei sind Fahrzeiten nicht berücksichtigt, zudem arbeiten viele Taubblindenassistenzen nicht in Vollzeit. Dem steht die Forderung nach mindestens 20 Stunden persönlicher Assistenz (PDF) gegenüber, die vom gemeinsamen Fachausschuss hörsehbehindert/taubblind (GFTB) als Untergrenze benannt wird. Simone Fischer sagte zu, die wichtigen Anliegen gegenüber den Verantwortlichen einzubringen und zu unterstützen, um die Rechte und Kompetenzen von taubblinden sowie hörsehbehinderten Menschen zu stärken und zu nutzen.

Taubblinde Menschen in Deutschland

Bundesweit gibt es rund 10.000 taubblinde Menschen, davon sind etwa 1.000 Personen von Geburt an taubblind. In Baden-Württemberg leben Schätzungen zufolge rund 625 taubblinde und hörsehbehinderte Menschen. Das Merkmal wird bisher statistisch nicht erhoben.

Die Landesarbeitsgemeinschaft taubblind Baden-Württemberg ist ein Zusammenschluss von taubblinden und hörsehbehinderten Menschen sowie Fachleuten aus unterschiedlichen relevanten Bereichen. Die Mitglieder arbeiten in der Selbsthilfe, der Politik, der Medizin sowie in Angeboten für Menschen mit Behinderungen. Die Lebenssituation taubblinder Menschen soll besser werden: In der Schule, bei der Arbeit und im Alltag. Dafür setzt sich die LAG Taubblind ein. Sie wurde im Jahr 2011 gegründet. Hauptziel war und ist es, alle vorhandenen Kompetenzen in Bezug auf Taubblindheit und Hörsehbehinderung in Baden-Württemberg zu bündeln. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Kompetenz zu diesen Behinderungsbelangen, der Vernetzung von Betroffenen, Fachpersonen beziehungsweise Institutionen und Angehörigen. Die LAG sieht sich vorwiegend als politisch wirksames Gremium und ist daher in den beiden Landeskommissionen „Hören“ und „Sehen“ vertreten. Von zentraler Bedeutung ist das im Jahr 2020 erstellte Positionspapier, das weiterhin Gültigkeit hat. Hierin finden sich alle Forderungen zur Verbesserung der Teilhabe für alle Menschen mit Hörsehbehinderung beziehungsweise Taubblindheit.

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