Der Kanton Aargau und das Land Baden-Württemberg haben gemeinsam mit den Partnerstädten Aarau und Reutlingen die mittlerweile siebte Demokratiekonferenz veranstaltet. Sie diente dem gegenseitigen Erfahrungsaustausch zu Fragen der demokratischen Beteiligung und Praxis.
Am 23. und 24. November 2023 fand in Reutlingen die siebte Auflage der Demokratiekonferenz statt. Sie ist eine gemeinsame Veranstaltung des Staatsministeriums Baden-Württemberg und der Staatskanzlei des Schweizer Kantons Aargau. Schwerpunkte der Konferenz waren die Rolle der Medien bei der Vermittlung von Politik und bei der Meinungsbildung, der Umgang mit verschiedenen Medientypen, Fake News und Verschwörungserzählungen. Darüber hinaus diskutierten die Teilnehmenden über die Chancen der Direkten Demokratie und der Bürgerbeteiligung für eine funktionierende Demokratie. Die Frage, wie Kommunen eine gute öffentliche Streitkultur fördern können, stand ebenfalls im Fokus.
„Durch Bürgerbeteiligung gewinnen Menschen Vertrauen in Politik und Verwaltung, weil sie vor großen Entscheidungen in einen Austausch mit ihnen kommen können. Vertrauen in öffentliche und politische Institutionen ist für eine Demokratie unerlässlich, vor allem in unsicheren Zeiten, die viel Veränderung mit sich bringen. Es ist umso wichtiger, wenn sich mediale Angebote und Kommunikationswege rasant verändern, öffentliche Debatten rauer werden, falsche Nachrichten zur Wahrheit erhoben und Mediennutzer verunsichert werden“, sagte Barbara Bosch, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung und betonte: „Diese Konferenz hat ermutigt, Erkenntnisse vermittelt und Instrumente an die Hand gegeben. Denn Politik muss einschätzen können, wie das Meinungsklima, wie tief die Spaltung in einer Gesellschaft ist, um programmatisch und kommunikativ erfolgreich zu sein. Und der politisch-gesellschaftliche Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender wird dabei wichtiger denn je.“
Demokratie ist nicht unverwundbar
Dr. Markus Dieth, Landstatthalter des Kantons Aargau sagte: „Demokratie kann nur langfristig Bestand haben und erfolgreich sein, wenn wir uns aktiv mit ihr auseinandersetzen, sie immer weiterentwickeln, an neue gesellschaftliche und technologische Entwicklungen anpassen und für sie einstehen. Gerade die weltweiten Entwicklungen der letzten Monate und Jahre haben uns wieder klargemacht, dass die Demokratie nicht unverwundbar ist. Andererseits haben unsere Diskussionen hier in Reutlingen eindrücklich gezeigt, wie lebhaft, wie intensiv und konstruktiv wir über die Demokratie reden, diskutieren und manchmal auch streiten können.“
Am ersten Konferenztag drehten sich die Vorträge und Workshops um Themen wie Pressefreiheit, Hass im Netz, oder Medienvielfalt als Voraussetzung für Demokratie. Workshops zu den Themen Hate Speech und Debunking, also dem Entlarven von Mythen wie Fake News, hatten das Ziel, Medienkompetenz zu stärken. Die Konferenz leistete damit auch einen Beitrag zur Arbeit des Kabinettsausschusses „Entschlossen gegen Hass und Hetze“ des Landes.
Staatsrätin Bosch resümierte: „Wir haben einen sehr praxisnahen Einblick erhalten, was guten Journalismus ausmacht und welche Bedeutung die Pressefreiheit für die Demokratie hat. Allerdings ist dies kein Freibrief für jegliche Form der Berichterstattung. Journalistische Qualitätsstandards gelten unverändert auch für digitale Formate. Abweichungen muss mit verstärkter Medienkompetenz begegnet werden.“
Am zweiten Tag befassten sich die Konferenzteilnehmenden unter anderem mit Demokratiezufriedenheit, Vertrauen in Institutionen und welchen Beitrag Bürgerbeteiligung und Massenmedien dazu leisten können. Auch die Berührungspunkte von Jugendlichen mit Politik sowie die Streitkultur in Gesellschaft und Politik kamen zur Sprache.
Fruchtbarer Austausch mit der Schweiz
Staatsrätin Bosch zeigte sich am zweiten Tag beeindruckt: „Es war fruchtbar, in die Erfahrungen der Schweizer mit ihren Volksabstimmungen hineinzuhören. Sie gehen damit wesentlich gelassener um, als wir das wahrnehmen.“ Die Akzeptanz dieses Instruments sei hoch.
Landstatthalter Dr. Dieth, der auch Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen ist, dankte dem Land Baden-Württemberg für das Engagement bei der Verständigung über die Beziehungen zwischen der Europäischen Union (EU) und der Schweiz. Mit Blick in die Zukunft betonte er: „Es wird in den nächsten Monaten viel Überzeugungsarbeit brauchen, in der Schweiz, aber auch in der Europäischen Union. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten – beginnend hier in Reutlingen und dann in Aarau, in Stuttgart, in Bern und in Brüssel.“ Auch Staatsrätin Bosch unterstrich: „Das Land Baden-Württemberg versteht sich als Brückenbauer und begrüßt ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis zwischen der EU und der Schweiz.“
Demokratiekonferenz 2023
Das Staatsministerium Baden-Württemberg und die Staatskanzlei des Kantons Aargau (Schweiz) hatten gemeinsam und in Kooperation mit den Partnerstädten Reutlingen und Aarau (Schweiz) zur siebten Demokratiekonferenz eingeladen. Adressiert wurden Vertreterinnen und Vertreter aus Medien, Zivilgesellschaft, Verwaltung und Parlamenten. An der Konferenz nahmen 270 Personen teil. Die Demokratiekonferenz 2023 wurde vom Landesmedienzentrum BW unterstützt.
Die Verbindung zwischen dem Kanton Aarau und Baden-Württemberg geht auf den ersten Auslandsbesuch von Winfried Kretschmann als Ministerpräsident im Jahr 2011 zurück. Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie sind bis heute zentrale Inhalte der Regierungsarbeit Baden-Württembergs. Die Schweiz hat ausgeprägte Instrumente Direkter Demokratie und eigene Formen der Deliberation. Da lag eine Kooperation mit dem Zentrum für Demokratie Aarau nahe. Die erste gemeinsame Demokratiekonferenz fand 2012 statt.