Gesundheit

Barrieren im Gesundheitssektor abbauen

Anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember fordert die Landes-Behindertenbeauftragte den Abbau baulicher und kommunikativer Barrieren im Gesundheitssektor.

Berechne Lesezeit
  • Teilen
Ein Arzt hält in einem Behandlungszimmer in seiner Praxis ein Stethoskop in der Hand, mit der anderen Hand bedient er eine Computertastatur..
Symbolbild

Im Gesundheitssektor müssen bauliche und kommunikative Barrieren abgebaut werden, damit auch Menschen mit Behinderungen die bestmögliche medizinische Versorgung bekommen. Darauf machen die Landesärztekammer und die Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Simone Fischer, anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember aufmerksam. Damit die Weiterentwicklung hin zur Barrierefreiheit gelingt, brauche es die gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten und mehr staatliche Unterstützung.

Barrieren im Gesundheitssystem

Simone Fischer, Beauftragte der Landesregierung für die Belange der Menschen mit Behinderungen, sagte: „Alle Menschen haben das Recht auf eine angemessene medizinische Versorgung. Allerdings haben Menschen mit Behinderungen vielfach keinen Zugang zu den Angeboten des Gesundheitswesens. Wenn beispielsweise eine Frau nach einem Sportunfall halsabwärts gelähmt, seit über 15 Jahren keinen Zugang mehr zu einer Gynäkologin oder einem Zahnarzt hat, weil es weit und breit keine geeignete Praxis gibt, kann uns das nicht zufriedenstellen. Fehlende Barrierefreiheit und mangelndes Wissen in Bezug auf Behinderungen schränken das Recht auf freie Arztwahl und gesundheitliche Versorgung für Menschen mit Behinderungen ein.“

„Für Ärztinnen und Ärzte ist die gleichberechtigte und bedarfsgerechte medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen ein wichtiges Thema“, betont Dr. Robin Maitra, Mitglied im Vorstand und Menschenrechtsbeauftragter der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Die Gleichbehandlung aller Patienten sei im ärztlichen Berufsethos verankert, Deutsche Ärztetage hätten diese Gleichbehandlung bereits angemahnt. „Dennoch wird unser Gesundheitssystem diesem Bedarf noch nicht überall gerecht“, konstatiert Dr. Maitra.

Recht auf Zugang zu medizinischer Versorgung

Nach Artikel 25 der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN) haben Kinder und Erwachsene mit Behinderungen genauso uneingeschränkte Rechte auf ihre gesundheitliche Versorgung wie Menschen ohne Behinderungen. Ein gleichberechtigter Zugang zur Gesundheitsversorgung ist das Ziel. Zudem legt Artikel 3 des Grundgesetzes fest, dass niemand aufgrund einer Behinderung benachteiligt werden darf.

In der Realität wären leider längst nicht alle Arztpraxen und Kliniken für Menschen mit Behinderungen in geeigneter Weise zugänglich. Dabei sei zu beachten, dass sich wirkliche Barrierefreiheit nicht in einigen wenigen „Standard-Maßnahmen“ wie Rollstuhlrampen oder behindertengerechten WCs erschöpfe. Denn die Gruppe von Menschen mit Behinderungen sei heterogen, Bedarfe an die Ausstattung und Räumlichkeiten einer Praxis sind folglich vielfältig: Orientierungs-Leitsysteme für sehbehinderte Menschen, höhenverstellbare Untersuchungsliegen und Röntgenapparaturen, Anmeldetresen mit abgesenktem Bereich, rutschhemmende Bodenbeläge – das alles und mehr gehört dazu.

Neben Maßnahmen der baulichen Barrierefreiheit gelte es auch, Barrieren in der Kommunikation abzubauen. So benötigten beispielsweise gehörlose Menschen Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetscher, um Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung zu bekommen. Auch Leichte Sprache, etwa bei Informationsmaterial oder Anamnesebögen, spielt eine wichtige Rolle, um Barrieren im Gesundheitswesen abzubauen.

Gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Eine solch umfassend barrierefreie Weiterentwicklung des Gesundheitssektors sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und seitens der öffentlichen Hand zu unterstützen, so Dr. Maitra. Denkbar wäre ein bundesweites Förderprogramm zur Barrierefreiheit von Einrichtungen des Gesundheitswesens. So könnte beim Praxisaus- oder -umbau – beispielsweise im Rahmen von Praxisübernahmen – auf finanzielle Hilfen zurückgegriffen werden. Auch Kliniken könnten mithilfe von Fördermitteln die Gestaltung barrierefreier Räumlichkeiten besser umsetzen. Seit Jahren werde die Erweiterung der Verpflichtung zur Barrierefreiheit auf den privaten Sektor gefordert. Dies würde dann gerade auch Arztpraxen betreffen. Entsprechende Gesetzesvorhaben seien bereits angestoßen. Neue gesetzliche Regelungen und Vorgaben zur Barrierefreiheit in Neu- und Bestandsbau müssten mit öffentlicher Unterstützung gekoppelt sein. Die Bundesregierung stellte bereits einen Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen vor. Zudem fassten die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder im vergangenen Oktober den Beschluss, sich dafür einzusetzen, die selbstbestimmte, gleichberechtigte und wirksame Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen zu fördern.

Zu einer inklusiven Gesundheitsversorgung beitragen

Sensibilisierungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für das Personal im Gesundheitswesen trügen maßgeblich zum Abbau von Barrieren bei. In Schulungen kann Wissen über die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten mit Behinderungen, vorhandene Barrieren und Möglichkeiten, sie abzubauen, sowie zur barrierefreien Kommunikation vermittelt werden, so Simone Fischer. Dabei stelle die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen als Expertinnen und Experten in eigener Sache sicher, dass die Selbstwirksamkeit von Menschen mit Behinderungen gestärkt und eine inklusive Haltung im Gesundheitswesen verankert werde. „Mit der Kooperation ‚Gemeinsam Gesund‘ hat das Land mit dem Netzwerk Inklusion Region Freiburg e. V. ein Konzept und Angebot initiiert, das durch Sensibilisierung, Partizipation und Vernetzung eine inklusive Gesundheitsversorgung befördern und die Kompetenzen aller Akteure stärken soll“, so die Landes-Behindertenbeauftragte Simone Fischer.

Die Landesärztekammer und die Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen sind sich einig, dass die Gesundheitsversorgung einen zentralen Lebensbereich darstelle und der „Umbau“ hin zur Barrierefreiheit mit hoher Priorität angegangen werden müsse. „Wenn es um Gesundheit geht, müssen alle Menschen gleich gut zur Ärztin oder zum Arzt kommen“, betonen Simone Fischer und Dr. Robin Maitra.

Quelle:

Gemeinsame Pressemitteilung der Beauftragten der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen und der Landesärztekammer Baden-Württemberg

Weitere Meldungen

Diskussionen auf dem Kongress für Beteiligung (Bild: © Mario Wezel)
Bürgerbeteiligung

Land stärkt Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft

Ein Mähdrescher erntet in Langenenslingen-Andelfingen ein Getreidefeld mit Wintergerste ab. (Bild: picture alliance/Thomas Warnack/dpa)
Landwirtschaft

Land übernimmt Vorsitz der Agrarministerkonferenz

Kinder beim Schwimmunterricht.
Sport

Land übernimmt Vorsitz der Sportministerkonferenz

Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei seiner Ansprache zum Jahreswechsel 2024/2025
Neujahrsansprache

„Zukunft ist das, was wir daraus machen“

Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut
Wirtschaft

Land übernimmt Vorsitz der Wirtschaftsminister­konferenz

Rinder auf  der Weide
Landwirtschaft

Land setzt Rinder-Salmonellose-Verordnung aus

Ein Silvesterböller wird mit einem Feuerzeug gezündet. (Foto: © dpa)
Silvester

Hinweise und Tipps zum Umgang mit Feuerwerkskörpern

Weihnachtskarte: Die Anbetung der Könige
Weihnachten

Weihnachtsgrüße des Ministerpräsidenten

Auslandseinsatz in Gambia, Polizei Baden-Württemberg
Polizei

Weihnachtliche Grüße an Einsatzkräfte im Ausland

Blick von vorne auf Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Mitte), der mit vier Kindern am Kabinettstisch in der Villa Reitzenstein sitzt. Rechts von ihm sitzen zwei Jungen, links zwei Mädchen.
Interview

„Wichtig ist, dass man miteinander redet, damit man weiß, was andere denken.“

Die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd (rechts) schüttelt der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen (links), nach einer Pressekonferenz die Hand.
Europa

Land begrüßt neues Abkommen zwischen EU und Schweiz

Ein Mann betrachtet auf einem Computermonitor die Elektronenmikroskopaufnahme eines MERS-Coronavirus, einem engen Verwandten des neuartigen Coronavirus. (Bild: Arne Dedert/dpa)
Gesundheit

Ergebnisse des Long COVID-Forschungsprojekts

Der Erste Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verkündet das Urteil zur Grundsteuer (Foto: © dpa)
Bundesrat

Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts

von links nach rechts: Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth, Dr. Horst Mehl, Staatssekretär Siegfried Lorek
Auszeichnung

Staufermedaille in Gold an Dr. Horst Mehl

Eine Laborantin untersucht Lebensmittel im Chemischen- und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart. (Foto: © dpa)
Verbraucherschutz

Prüfung von Advents- und Weihnachtsprodukten