Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Arbeitsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut appellieren eindringlich an die Unternehmen, bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiten und der Genehmigung von Home Office alle Spielräume zu nutzen und größtmögliche Flexibilität zu bieten. Außerdem setzen sie auf gegenseitige Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme innerhalb der Belegschaft.
Nach Entscheidung der Landesregierung mit Blick auf den Corona-Virus vorerst alle Schulen und Kindertagesstätten im Land zu schließen, haben Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Wirtschafts- und Arbeitsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut an Arbeitgeber und Arbeitnehmer appelliert, im Einzelfall einvernehmliche Lösungen zu finden. „Uns ist bewusst, dass die Schließung der Schulen und Kitas insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Kindern sowie deren Arbeitgeber vor große Herausforderungen stellt. Wir appellieren daher eindringlich an die Unternehmen bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiten und der Genehmigung von Home Office alle Spielräume zu nutzen und größtmögliche Flexibilität zu bieten. Außerdem setzen und hoffen wir auf die gegenseitige Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme innerhalb der Belegschaft.“
Baden-Württemberg ist, was die Fallzahlen betrifft, neben Bayern und Nordrhein-Westfalen das vom Corona-Virus am stärksten betroffene Bundesland und damit in einer besonderen Situation. Hinzu kommt, dass Baden-Württemberg an das französische Risikogebiet Grand Est grenzt. Nach Ergebnissen der Mikrozenzuserhebung im Jahr 2018 können von der Schließung von Kindertagesstätten und Schulen bis zu 1,6 Millionen Familien mit Kindern (einschließlich Alleinerziehende) betroffen sein. „Die Schließung der Einrichtungen ist eine harte, aber in der jetzigen Situation die einzig richtige Maßnahme, um die baden-württembergische Bevölkerung im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus zu schützen“, so der Ministerpräsident. Er und Hoffmeister-Kraut warnten in diesem Zusammenhang davor, bei der Kinderbetreuung nicht auf ältere Menschen wie zum Beispiel die Großeltern zurückzugreifen, da alle über 60 Jahre zur besonders gefährdeten Gruppe zählten.
Grundsätzlich müssten sich Eltern, deren Kinder wegen Schließung von Kindertagesstätten und Schulen betreut werden müssen, selbst um eine anderweitige Betreuung kümmern. Sie hätten keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz und müssten, wenn sie keine andere Betreuung organisieren könnten, Überstunden abbauen, Urlaub nehmen oder im Homeoffice arbeiten, erläuterte Hoffmeister-Kraut. „Dies stellt für einen Großteil der Gesellschaft eine erhebliche Belastung dar. Wenn wir jetzt alle zusammenhalten und an individuellen Lösungen für den jeweiligen Einzelfall arbeiten, werden wir diese Herausforderung meistern“, zeigte sich die Ministerin überzeugt.
Hoffmeister-Kraut betonte außerdem, es würden Ausnahmen zur Notfallbetreuung jüngerer Kinder und Kinder von Beschäftigten in kritischen Infrastrukturen (z.B. Polizei, Feuerwehr, medizinisches und pflegerisches Personal, Hersteller von für die Versorgung notwendigen Medizinprodukten, Lebensmittelproduktion und -einzelhandel, Müllabfuhr) sichergestellt. Weiter sprach sie ihren Dank an all jene aus, die im Moment die öffentliche Versorgung im Land sicherstellen.
Die wichtigsten Fragen und Antworten
Die Schließung von Schulen und Kitas bedeutet eine große Herausforderung sowohl für die Arbeitgeber als auch für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Um diese zu meistern und die erforderliche Kinderbetreuung zu gewährleisten, sollten Arbeitgeber und Beschäftigte zusammen nach Lösungen suchen. Diese können unter anderm durch die flexible Gestaltung von Arbeitszeiten, die Ermöglichung von Home Office, den Abbau von Überstunden sowie der kurzfristigen Gewährung von Urlaub erfolgen.
Bei der Schließung der Schule oder Kita müssen Eltern zunächst alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um die Kinderbetreuung anderweitig sicherzustellen, etwa durch den anderen Elternteil. Ist aufgrund des Alters des Kindes eine Betreuung erforderlich und kann diese nicht anderweitig organisiert werden, wird in der Regel ein Leistungsverweigerungsrecht der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers bestehen (Paragraf 275 Absatz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). In diesem Fall kann die Leistungserbringung unzumutbar sein und die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer werden von der Pflicht zur Leistungserbringung frei.
Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung kann sich in dieser Konstellation aus § 616 BGB für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit ergeben. Was darunter zu verstehen ist, ist strittig. Der Bundesgerichtshof geht grundsätzlich davon aus, dass die Höchstfrist für die Entgeltfortzahlung sechs Wochen betragen kann. Liegen die Voraussetzungen des § 616 BGB vor, sind Arbeitnehmer so zu vergüten, als hätten sie an den Fehltagen regulär gearbeitet. Der Anspruch aus § 616 BGB kann durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag abweichend geregelt oder ganz ausgeschlossen werden.
Grundsätzlich ist ein Home Office nicht für jeden Beruf geeignet. Ein gesetzlicher Anspruch, von zu Hause aus arbeiten zu können, besteht nicht. Arbeitnehmer können dies jedoch mit ihrem Arbeitgeber vereinbaren. Die Option kann sich zudem aus einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergeben.
Beantragt eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer Urlaub, um die Kinder zu betreuen, hat der Arbeitgeber über den Antrag zu entscheiden. Er hat dabei grundsätzlich die zeitlichen Wünsche der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Das gilt nur dann nicht, wenn dringende betriebliche Gründe entgegenstehen. Dies kann etwa bei einer Unterbesetzung wegen eines besonders hohen Krankenstands oder einer unerwartet großen Menge an Arbeit durch einen zusätzlichen Auftrag sein. Die Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer rechtfertigen eine Ablehnung des Urlaubsantrags nur dann, wenn aus betrieblichen Gründen nicht jeder Urlaubswunsch erfüllt werden kann. Dabei ist abzuwägen, wessen Wunsch unter sozialen Gesichtspunkten den Vorzug verdient. Dies kann dazu führen, dass der Urlaubswunsch eines Beschäftigten wegen der erforderlichen Kinderbetreuung Urlaubsanträgen anderer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgeht. Bei einer Gewährung von Urlaub besteht Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgelts.
Weiterführende Informationen zu den arbeitsrechtlichen Auswirkungen des Corona-Virus
Bundesarbeitsministerium: Coronavirus: Arbeitsrechtliche Auswirkungen