Im Jahr 2018 gab es weniger Verkehrsunfälle und Verkehrstote in Baden-Württemberg. Gestiegen ist jedoch die Zahl der Verunglückten.
„Die Unfallbilanz in Baden-Württemberg fällt für das Jahr 2018 in der Gesamtschau positiv aus. Die Zahl der Verkehrstoten ist im vergangenen Jahr stärker zurückgegangen als in jedem anderen Bundesland. Erstmals seit Jahren ist auch die Gesamtzahl der Verkehrsunfälle leicht zurückgegangen – trotz des immer größeren Verkehrsaufkommens. Darauf dürfen wir uns aber nicht ausruhen. Die Verkehrssicherheit ist und bleibt eine der ganz wichtigen Aufgaben unserer Polizei. Verkehrssicherheitsarbeit rettet Menschenleben“, sagte der stellvertretende Ministerpräsident und Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration, Thomas Strobl, bei der Vorstellung der Verkehrssicherheitslage des vergangenen Jahres für Baden-Württemberg.
Weniger Verkehrsunfälle und Verkehrstote, aber mehr Verunglückte
Nach dem Negativtrend der vergangenen Jahre sind die Unfallzahlen 2018 erstmals leicht rückläufig. Insgesamt wurden durch die Polizei im vergangenen Jahr 323.986 Verkehrsunfälle erfasst – das sind knapp ein Prozent weniger als im Jahr 2017. Bei ungefähr 90 Prozent der Verkehrsunfälle entstand lediglich Sachschaden.
Nach einem deutlichen Anstieg im Jahr 2017 geht auch die Zahl der getöteten Verkehrsteilnehmenden wieder zurück. Die Zahl der Verkehrstoten sank im Vergleich zum Vorjahr um 3,9 Prozent auf 440. Damit verloren im vergangenen Jahr 18 Menschen weniger ihr Leben im Straßenverkehr als noch 2017. In absoluten Zahlen betrachtet ist das bundesweit der stärkste Rückgang. Knapp die Hälfte der Verkehrstoten verlor ihr Leben bei Verkehrsunfällen, an denen ein Motorrad oder Lkw beteiligt war (207 von 440).
Während die Zahl der Verkehrsunfälle und der Verkehrstoten rückläufig war, stieg die Zahl der Menschen, die bei einem Verkehrsunfall verunglückten. Insgesamt kamen im vergangenen Jahr 48.554 Menschen zu Schaden – und damit etwas mehr als im Vorjahr (+ 1,5 Prozent). 8.542 verunglückten dabei schwer (+ 1,6 Prozent). „Jede Stunde wurden fast sechs Menschen im Straßenverkehr verletzt. Das ist immer noch zu viel. Und daran müssen wir auch weiter arbeiten. Anlass zur Sorge bereiten uns hier auch die Fahrradunfälle“, unterstrich Minister Thomas Strobl.
Mehr Unfälle mit Fahrrädern und Motorrädern
Bei den Fahrradunfällen ist im vergangenen Jahr ein Anstieg um 12,4 Prozent auf insgesamt 11.433 zu verzeichnen. 68 Fahrradfahrer wurden dabei tödlich verletzt, davon waren 15 mit einem Pedelec unterwegs (2017: 45 / 10). Zwei Drittel der tödlich verletzten Radnutzer trugen keinen Fahrradhelm. „Diese traurige Bilanz muss uns wachrütteln. Unsere Präventionskampagnen „Helm tragen. Vorbild sein.“ und „Schütze Dein BESTES.“ weisen ausdrücklich auf die Notwendigkeit eines Fahrradhelmes hin“, so Strobl.
Auch die Anzahl an Motorradunfällen stieg erneut an. Im Jahr 2018 ereigneten sich insgesamt 5.572 Motorradunfälle (+ 6,4 Prozent). Bei den tödlich verunglückten Motorradnutzern ist ein Rückgang von 104 auf 101 zu verzeichnen. Die im vergangenen Jahr initiierten Präventionsteams, bestehend aus Polizei, TÜV SÜD und Fahrlehrerverband, haben sich bewährt und auch in 2019 wird diese Kooperation fortgesetzt.
Weiter hohe Beteiligung von Lkw an Unfällen
„Einen weiteren Baustein werden wir nun am 5. Mai 2019 ergänzen: erstmals führen wir einen landesweiten Aktionstag Motorrad durch. An diesem Tag ist die Polizei im ganzen Land auf den Beinen und wird die Biker für die besonderen Gefahren des Motorradfahrens sensibilisieren und Verstöße konsequent sanktionieren“, kündigte Minister Strobl an.
Indes ist die Zahl der Verkehrsunfälle, an denen Lkws beteiligt waren, nach wie vor hoch. Alleine durch ihre Größe und ihr Gewicht stellen Lkws bei einem Verkehrsunfall ein erhöhtes Gefahrenpotential für andere Unfallbeteiligte aus. Im Zusammenhang mit Lkw-Unfällen starben 104 Menschen (2017: 111).
Hauptunfallursache Geschwindigkeit und Ablenkung
Insgesamt verloren im letzten Jahr 161 Menschen ihr Leben, weil ein Verkehrsteilnehmender zu schnell unterwegs war. Damit ist überhöhte oder nicht angepasste Geschwindigkeit nach wie vor die Unfallursache Nr. 1 bei tödlichen Verkehrsunfällen. Jeden zweiten Tag stirbt ein Mensch auf den Straßen Baden-Württembergs durch Raserei. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Polizei auch weiterhin ganz konsequent gegen Geschwindigkeitsverstöße vorgeht!“, sagte Innenminister Thomas Strobl. Mehr als jeder dritte tödliche Verkehrsunfall war im vergangenen Jahr auf überhöhte oder nicht angepasste Geschwindigkeit zurückzuführen. Auf den Bundesautobahnen war sogar bei jedem zweiten tödlichen Verkehrsunfall überhöhte oder nicht angepasste Geschwindigkeit unfallursächlich.
Weiterhin ergab eine vom Innenministerium durchgeführte Auswertung, dass bei 19,4 Prozent der tödlichen Verkehrsunfälle „Ablenkung“ die Unfallursache ist. Weiterhin hatte ein Viertel der gurtpflichtigen Getöteten den Sicherheitsgurt zum Unfallzeitpunkt nicht bzw. nicht ordnungsgemäß angelegt.
Verkehrsüberwachung
Der Zusammenhang zwischen Kontrolldruck, Sanktionshöhe und Verhaltensänderung ist wissenschaftlich erwiesen. Die polizeiliche Verkehrsüberwachung ist kein Selbstzweck, sondern gezielt auf die Hauptunfallursachen und Risikofaktoren Geschwindigkeit, Verkehrstüchtigkeit, Sicherheitsgurt sowie Ablenkung (Handy) ausgerichtet.
Auch 2018 wurde der Kontrolldruck im Bereich der Geschwindigkeitsüberwachung verstärkt. Das Land Baden-Württemberg hat mit dem Kauf des ersten Enforcement Trailers weiter in hochmoderne Geschwindigkeitsmesstechnik investiert. Dieser Anhänger, mit dem die Geschwindigkeit überwacht wird, kann bis zu zehn Tage autark zur Überwachung von Tempolimits eingesetzt werden. „Wir setzen alles daran, dass unsere Polizei die Technik erhält, die sie braucht. Deshalb planen wir auch, zunächst fünf weitere sogenannte Enforcement Trailer anzuschaffen“, so der Innenminister.
Zusätzlich überprüft die Polizei im Rahmen von Verkehrskontrollen auch verstärkt die Verkehrstüchtigkeit der Fahrerinnen und Fahrer. So wurden im Jahr 2018 knapp 25.000 Personen wegen Fahrens unter Alkohol-, Drogen-, oder Medikamenteneinfluss angezeigt.
Darüber hinaus hat sich die Polizei Baden-Württemberg im September 2018 an einem bundesweiten Kontrolltag unter dem Motto „sicher.mobil.leben – Ablenkung im Blick“ beteiligt. Bei den Schwerpunktkontrollen wurden landesweit etwa 58.000 Fahrzeuge überprüft und 2.200 Verkehrsteilnehmer wegen der Nutzung eines Mobiltelefons zur Anzeige gebracht.
Verkehrsprävention
Bei über 14.000 Veranstaltungen konnten im Jahr 2018 im Rahmen der Verkehrsprävention rund 300.000 Menschen erreicht werden. Gemeinsam mit Partnern der Verkehrssicherheitsaktion GIB ACHT IM VERKEHR werden derzeit zahlreiche landesweite Präventionsprojekte erfolgreich umgesetzt. Hierbei bildete die Prävention an Schulen für Jugendliche mit der Kampagne „Schütze dein BESTES.“ und an Berufsschulen für Fahranfänger mit „NO GAME. Sicher Fahren – Sicher Leben.“ einen Schwerpunkt. Weiterhin wurde mit dem ADAC Württemberg und dem Fahrlehrerverband Baden-Württemberg eine landesweite Aufklärungskampagne für das richtige Verhalten zur Bildung einer Rettungsgasse gestartet.
Minister Hermann fordert stärkere Anstrengungen aller für die Verkehrssicherheit
Verkehrsminister Winfried Hermann hat größere Anstrengungen aller für die Verkehrssicherheit gefordert. Die Zahl der Verkehrstoten in Baden-Württemberg sei im Jahr 2018 zwar leicht zurückgegangen, aber sie liegt mit 440 getöteten Menschen immer noch zu hoch, sagte Hermann.
„Wir halten an unserem Ziel fest, dafür zu sorgen, dass auf den Straßen deutlich weniger Menschen getötet oder schwer verletzt werden,“ betonte Minister Hermann. Dazu gehörten aber auch konsequente Kontrollen durch die Polizei. Hermann verwies auf das anspruchsvolle Verkehrssicherheitskonzept der Landesregierung. Darin haben sich mehrere Ministerien vor allem zu präventiven Maßnahmen verpflichtet. Hermann sagte: „Aufklärung und Appelle sind wichtig. Vor allem aber auch die Eigenverantwortung aller Verkehrsteilnehmer.“
Bessere und sicherere Infrastruktur für Radfahrende
Sorgen bereitet dem Verkehrsminister vor allem die Zunahme der Unfälle, bei denen Fahrradfahrer verwickelt waren. Laut der heute veröffentlichen Unfallbilanz für Baden-Württemberg stiegen diese im Vergleich zum Jahr 2017 um 12,4 Prozent auf insgesamt 11.433 an. Dabei kamen 68 Radler ums Leben, 15 davon waren mit einem Pedelec unterwegs.
Minister Hermann erklärte: „Um die Verkehrssicherheit vor allem auch für Radfahrerinnen und Radfahrer weiter zu verbessern, fördert das Land den Ausbau von Radwegen und einer besseren Infrastruktur.“ Dazu gehört der Aufbau eines verkehrssicheren RadNETZes in ganz Baden-Württemberg und von Radschnellverbindungen in verschiedenen Regionen des Landes. Zudem würden zusätzliche Präventionsmaßnahmen wie das Pedelec-Training oder die Schulwegsicherung für Kinder und Jugendliche ausgebaut.
Fahrradhelme retten Leben – Hermann appelliert an Radfahrer
Minister Hermann appellierte an alle Radfahrer im Land, sich selbst mit einem Fahrradhelm zu schützen: „Zwei Drittel der getöteten Radfahrer trugen keinen Fahrradhelm. Die hartnäckige Weigerung vieler älterer Radler und mancher Aktivisten, keinen Helm zu tragen, macht mich angesichts dieser Zahlen fassungslos. Dickköpfigkeit wird beim Sturz den Helm nicht ersetzen können.“
Rechtsabbiegende Lkws bleiben weiterhin eine Gefahrenquelle – die Zahl der Verkehrsunfälle, an denen Lkws beteiligt waren, bleibt hoch. „Unsere Anstrengungen müssen intensiviert werden“, forderte Minister Hermann und verwies auf die lebensrettenden Abbiegeassistenzsysteme.
Das Land unterstützt derzeit mit 500.000 Euro die Umrüstung von 500 Lkw mit den lebensrettenden Systemen. Minister Hermann sagte: „In Baden-Württemberg werden mit diesem Feldversuch zum ersten Mal in Deutschland in Kooperation mit mehreren Speditionen verschiedene Abbiegeassistenten im Realbetrieb untersucht.“
Das Verkehrsministerium unterstützt auch eine Aktion „Achtung: Toter Winkel!“ der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen Baden-Württemberg und der Landesverkehrswacht, um die Verkehrsteilnehmer für die Gefahren durch rechtsabbiegende Lkw zu sensibilisieren.
Statistiken zur Verkehrsunfallbilanz 2018 (PDF)