Der Stuttgarter Fernsehturm und das frühkeltische Machtzentrum Heuneburg waren im nationalen Vorauswahlverfahren für das UNESCO-Welterbe erfolgreich. Sie werden auf die deutsche Vorschlagsliste für das UNESCO-Welterbe aufgenommen.
2024 wird die bestehende deutsche Vorschlagsliste („Tentativliste“) für das UNESCO-Welterbe fortgeschrieben werden. Baden-Württemberg konnte insgesamt zwei Nominierungsvorschläge in das von der Kulturministerkonferenz gesteuerte nationale Vorauswahlverfahren einbringen. Ein wichtiger Punkt bei der Auswahl war, dass die Stätten thematische Lücken in der Welterbeliste füllen können. Dies trifft sowohl auf den Stuttgarter Fernsehturm als technisches Denkmal der Nachkriegszeit als auch auf die frühkeltischen Fürstensitze Heuneburg, Glauberg und den Mont Lassois im französischen Burgund zu.
Bis zur Entscheidung der UNESCO, ob die frühkeltischen Fürstensitze und der Stuttgarter Fernsehturm tatsächlich in die Liste der Welterbestätten aufgenommen werden, wird es noch einige Jahre dauern. Nominierungen müssen mindestens ein Jahr in der nationalen Tentativliste eingetragen sein, bevor sie bei der UNESCO als Welterbeanträge eingereicht werden können. Dem schließt sich ein vorgegebenes Verfahren an, das regelmäßig mehrere Jahre dauert. Deutschland kann jedes Jahr von seiner Liste eine weitere Kulturerbestätte bei der UNESCO für die Eintragung in die Welterbeliste einreichen.
Der damalige Süddeutsche Rundfunk begann nach dem Start seines Sendebetriebs im Dezember 1952 mit der Planung eines Fernsehturmes in Stuttgart. Statt des ursprünglich geplanten Stahlgittermastes entstand ein Turm mit schlankem Stahlbetonschaft und einem einzigartigen Turmkorb mit Restaurant/Café und einer Aussichtsplattform unter der Antenne. Mit seiner Fertigstellung im Februar 1956 wurde der Fernsehturm Stuttgart als der erste seiner Art zum Symbol moderner Kommunikation. Auch wegen seiner innovativen Nutzungsmöglichkeit für die Öffentlichkeit wurde er vielfach auf der Welt architektonisch-stilistisch nachempfunden. 1986 wurde er als ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung nach dem Denkmalschutzgesetz in das Denkmalbuch des Landes eingetragen.
Stimmen zur Nominierung
Nicole Razavi, Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg, sagte: „Wir freuen uns sehr, dass unser Vorschlag die Fachjury überzeugt hat. Dies ist ein erster wichtiger Schritt für den Stuttgarter Fernsehturm auf seinem Weg zum UNESCO-Welterbe. Wir danken unseren Kooperationspartnerinnen und -partnern für die gute Zusammenarbeit im Vorauswahlverfahren und freuen uns auf den weiteren gemeinsamen Weg.“
Kai Gniffke, Intendant des Südwestrundfunks (SWR), Eigentümer des Stuttgarter Fernsehturms, sagte: „Dass der Fernsehturm des SWR UNESCO-Welterbe werden könnte, macht uns sehr stolz. Als bahnbrechendes Bauwerk war der SWR Fernsehturm Vorbild und Prototyp für Fernsehtürme in aller Welt. Nach wie vor verkörpert er einen bedeutenden Abschnitt in der deutschen Rundfunkgeschichte und ist ein Symbol für Pioniergeist – und für den SWR und alle Menschen in Stuttgart und Umgebung eine beeindruckende Landmarke, die nicht mehr wegzudenken ist.“
Dr. Frank Nopper, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart, sagte: „Der Stuttgarter Fernsehturm ist nicht nur der Stuttgarter Leuchtturm und der Stolz der Schwaben. Er war eine architektonische Innovation und er war Vorbild für alle Fernsehtürme der Welt. Sogar der höchste Fernsehturm der Welt, der Tokyo Skytree, gilt als Ableger des Stuttgarter Originals und die Fachwelt betrachtet unseren Fernsehturm als den schönsten und sichersten der Welt. Deswegen wäre die Aufnahme in die Tentativ-UNESCO-Welterbeliste mehr als berechtigt.“
Das für das nationale Vorauswahlverfahren vorgeschlagene Gut besteht aus den Teilstätten Heuneburg (Baden-Württemberg, Deutschland), Mont Lassois (Burgund, Frankreich) und Glauberg (Hessen, Deutschland), drei außerordentlichen Beispielen für frühkeltische Machtzentren in Mittel- und Westeuropa nordwestlich der Alpen. Chronologisch sind sie in die frühe Eisenzeit Mitteleuropas einzuordnen. Diese Epoche umfasst das siebte bis vierte Jahrhundert vor Christus und wird auch als „frühkeltisch“ bezeichnet. Diese ersten stadtartigen Zentren mit monumentaler Siedlungs- und Grabarchitektur, die in der Forschung häufig unter dem Begriff „Fürstensitze“ zusammengefasst werden, stellen außergewöhnliche Zeugnisse der frühkeltischen Zivilisation dar und sind Resultat eines intensiven Austauschs von Ideen, Techniken und Waren über große Distanzen mit weiten Teilen Europas, insbesondere mit den Kulturen Mittel- und Westeuropas und des mediterranen Raums. Sie sind darüber hinaus ein Ergebnis von Zentralisierungsprozessen, die durch Konzentration politischer Macht und ökonomischen Reichtums einer privilegierten sozialen Gruppe in den frühkeltischen „Fürstensitzen“ Mittel- und Westeuropas in Gang gesetzt wurden.
Stimmen zur Nominierung
„Die Heuneburg und der Glauberg sind Teil eines herausragenden Netzwerks frühkeltischer Fürstensitze. Beide gehören zu den bedeutendsten Geländedenkmalen der keltischen Geschichte und waren wirtschaftliche und kulturelle Zentren ihrer Zeit. Ihre stadtartigen Strukturen, gewaltigen Befestigungsanlagen und Großgrabhügel mit reich ausgestatteten Prunkgräbern beeindrucken uns bis heute“, erklärten die baden-württembergische Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, Nicole Razavi, und die hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn.
„Ich freue mich sehr, dass unser gemeinsamer Vorschlag die Fachjury überzeugt hat“, sagte Ministerin Razavi. „Dies ist ein erster wichtiger Schritt für die Heuneburg auf ihrem Weg zum UNESCO-Welterbe. Wir danken unseren Kooperationspartnern für die gute Zusammenarbeit im Vorauswahlverfahren und freuen uns auf den weiteren gemeinsamen Weg.“
Ministerin Dorn ergänzt: „Ich danke allen Beteiligten in Hessen und Baden-Württemberg, die durch ihr gemeinsames Engagement die Aufnahme des Antrags auf die nationale Tentativliste ermöglicht haben. Die Entscheidung unterstreicht die kulturhistorische Bedeutung des Glaubergs, der einen faszinierenden Einblick in die Kultur der Eisenzeit gibt und ganz besonders in den engen Austausch der frühkeltischen Kultur in Europa untereinander sowie mit den mediterranen Kulturen.“
UNESCO-Welterbe in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg koordiniert das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen als oberste Denkmalschutzbehörde die Antragsverfahren für die Welterbeliste. Das Ministerium betreut die Bewerbungen gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (LAD). Es fungiert zusammen mit dem LAD für die Welterbestätten als Ansprechpartner – im Land, gegenüber dem Bund und international.
Baden-Württemberg bewahrt bislang sieben Welterbestätten für die Menschheit – vier Stätten der Bau- und Kunstgeschichte sowie drei archäologische Stätten:
- Die Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb
- 15 Fundstellen am Bodensee und in Oberschwaben als Teil der prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen
- Der Obergermanisch-Raetische Limes
- Die Klosteranlage Maulbronn
- Die Klosterinsel Reichenau
- Zwei Häuser von Le Corbusier in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung als Teil des architektonischen Werks von Le Corbusier
- Die Kurstadt Baden-Baden als Teil der bedeutenden Kurstädte Europas
UNESCO-Welterbe in Hessen
In Hessen liegt die Zuständigkeit für die Antragsverfahren für die Welterbeliste bei der Ministerin für Wissenschaft und Kunst als oberster Denkmalschutzbehörde des Landes. Das Ministerium betreut die Bewerbungen gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen (LfDH) und der Keltenwelt am Glauberg als Teil des Archäologischen Landesmuseums Hessen (ALMhessen). Der Präsident des LfDH ist zugleich Welterbebeauftragter des Landes und koordiniert die hessischen Welterbestätten.
Hessen bewahrt bislang sieben Weltkultur- und Weltnaturerbestätten:
- Das Kloster Lorsch
- Die Grube Messel
- Das Obere Mittelrheintal
- Der Obergermanisch-Raetische Limes
- Die alten Buchenwälder Deutschlands
- Der Bergpark Wilhelmshöhe
- Die Mathildenhöhe Darmstadt