Gemeinsam mit internationalen Behörden und Organisationen aus Polizei und Justiz ist Baden-Württemberg ein beeindruckender Schlag gegen ein höchst professionell agierendes Betrügernetzwerk gelungen. Die Ermittler haben so in rund 6.000 Fällen einen Schaden von insgesamt rund zehn Millionen Euro verhindert.
„Ermittlungsbehörden aus Baden-Württemberg haben erfolgreich den wohl europaweit größten Callcenterbetrug aufgedeckt. Gemeinsam mit internationalen Behörden und Organisationen aus Polizei und Justiz ist uns ein beeindruckender Schlag gegen ein höchst professionell agierendes Betrügernetzwerk gelungen. Die Ermittler haben so in rund 6.000 Fällen einen Schaden von insgesamt rund zehn Millionen Euro verhindert. Betrügerische Anrufstraftaten sind besonders perfide und skrupellos, denn sie spielen mit den Ängsten und Nöten der Menschen und erschüttern das gegenseitige Vertrauen sowie das Vertrauen in die Polizei. Wir gehen deshalb mit aller Härte und Konsequenz gegen diese Kriminellen vor“, sagte der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl.
Europaweit wohl größter Erfolg beim Kampf gegen Callcenter-Betrüger
Ministerin der Justiz und für Migration Marion Gentges: „Wir haben das Versprechen gegeben, dass egal, wo die Cyber-Straftäter vor ihren PCs sitzen, wir alles dafür tun werden, sie zu finden. Dieses Versprechen haben wir von Anfang an gehalten und das mit einem Paukenschlag. Was als ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter begann, führte dank der Schlagkraft und gebündelten Expertise von Strafverfolgung und IT zu dem europaweit wohl größten Erfolg beim Kampf gegen Callcenter-Betrüger. Mit der Errichtung des Cybercrime-Zentrums wollten wir genau das erreichen: Geballte Strafverfolgungskompetenz für das ganze Land an einem Ort. Vor nicht einmal vier Monaten gaben wir für das Cybercrime-Zentrum den Startschuss und können nun guten Gewissens sagen: Das Cybercrime-Zentrum Baden-Württemberg hat seine Feuertaufe mehr als bestanden.“
Aufmerksamer Bankmitarbeiter verhindert hohen Schaden
Die Ermittlungen waren im Dezember 2023 ins Rollen gekommen, nachdem die Polizei durch einen aufmerksamen Bankmitarbeiter einen Betrugsversuch mit einem potenziellen Schaden von über 100.000 Euro verhinderte. Die Telefonnummern der hierfür verantwortlichen, professionell organisierten Tätergruppierung spielten innerhalb kürzester Zeit in weit über zehntausend Betrugsfällen eine zentrale Rolle. Noch im Dezember 2023 hatte daher das Landeskriminalamt Baden-Württemberg eine Ermittlungsgruppe eingerichtet, in die auch Polizeibehörden der Bundesländer Bayern, Sachsen und Berlin eingebunden waren.
Unter Federführung des Cybercrime-Zentrums Baden-Württemberg bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hatten am 18. April 2024 nationale und internationale Polizei- und Justizbehörden mit großangelegten und international abgestimmten Durchsuchungen zwölf Callcenter zerschlagen und 20 Personen festgenommen. Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte des Cybercrime-Zentrums erwirkten hierzu rund 100 Beschlüsse. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg durchsuchten gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, dem Landeskriminalamt Sachsen und lokalen Behörden sowie mit der Unterstützung von Europol und dem Bundeskriminalamt zeitgleich Wohnungen und Geschäftsräume in mehreren Ländern des Westbalkans und im Libanon. Die Maßnahmen wurden von einem Staatsanwalt des Cybercrime-Zentrums aus der Europol-Zentrale in Den Haag koordiniert. Drei weitere Staatsanwältinnen und Staatsanwälte leiteten die Maßnahmen auf dem Westbalkan. Über 60 Beamtinnen und Beamte des Landeskriminalamts Baden-Württemberg, die von Cyber-Spezialisten und Cyber-Spezialistinnen der regionalen Polizeipräsidien begleitet wurden, reisten in die fünf Länder. Vor Ort wurden sie durch nationale Einsatzkräfte der jeweiligen Länder unterstützt. Teilweise waren mehr als hundert Polizistinnen und Polizisten in den einzelnen Orten im Einsatz.
Bei den Durchsuchungsaktionen stellten die Ermittlerinnen und Ermittler umfangreiche Beweismittel wie Datenträger, Schriftstücke, Bargeld und Vermögenswerte in Höhe von einer Million Euro sicher. Derzeit läuft die Auswertung der Beweise.
Verschiedenste Betrugsvarianten
In den umfangreichen und komplexen Ermittlungen deckten Expertinnen und Experten für Wirtschaftskriminalität, Organisierte Kriminalität und Finanzermittler, Cyberkriminalisten sowie Spezialistinnen und Spezialisten der IT-Netzwerkforensik Callcenter in vier Staaten des Westbalkans und im Libanon auf. Die Betrugsvarianten der Täter bildeten nahezu das gesamte Spektrum an bekannten Telefonbetrügereien ab: Die Täter gaben sich beispielsweise als nahe Verwandte, Bankangestellte, Angehörige der Verbraucherzentrale, Mitarbeiter eines Inkassounternehmens oder als Behördenvertreter, etwa der Polizei oder Staatsanwaltschaft, aus und versuchten mittels Strafandrohungen, Gewinnversprechen, Inkassoforderungen oder Prepaid-Karten-Betrug ihre Opfer um ihr Erspartes zu betrügen.
Telefonate in Echtzeit verfolgen
Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg verfolgte in Echtzeit die Gespräche der Täter mit den auf das gesamte Bundesgebiet verteilten potentiellen Opfern. Dazu waren ab Dezember 2023 weit über 100 Beamtinnen und Beamte im Schichtbetrieb rund um die Uhr im Einsatz. Für die Strafverfahren sicherten sie über 1,3 Millionen Gespräche. Teilweise verfolgten Ermittlerinnen und Ermittler bis zu 30 Gespräche zeitgleich mit dem Ziel, die Vollendung der Straftaten zu verhindern und warnten potenzielle Opfer, die sich bereits im Fadenkreuz der Anrufbetrüger befanden.
Insgesamt führt das Cybercrime-Zentrum wegen über 7.500 Anrufen zentrale Ermittlungen. Gleichzeitig gelang es dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg mehr als achtzig Prozent der Straftaten zu verhindern und einen Gesamtschaden von über zehn Millionen Euro abzuwenden.
An den Ermittlungen waren nachfolgende nationale und internationale justizielle und polizeiliche Behörden beteiligt:
- Eurojust
- Europol
- Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe
- Generalstaatsanwaltschaft Bamberg
- Staatsanwaltschaft Freiburg
- Staatsanwaltschaft Trier
- Staatsanwaltschaft Berlin
- Staatsanwaltschaft Leipzig
- Landeskriminalamt Baden-Württemberg
- Landeskriminalamt Berlin
- Landeskriminalamt Sachsen
- Polizeipräsidium Aalen
- Polizeipräsidium Freiburg
- Polizeipräsidium Heilbronn
- Polizeipräsidium Konstanz
- Polizeipräsidium Pforzheim
- Polizeipräsidium Ludwigsburg
- Polizeipräsidium Offenburg
- Polizeipräsidium Karlsruhe
- Polizeipräsidium Einsatz (Baden-Württemberg)
- Polizeipräsidium Trier
- KPI Rosenheim
- Bundeskriminalamt SO31 Vermögen
Albanien:
- BKA Verbindungsbeamter
- Sonderstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Korruption und Organisierter Kriminalität (SPAK)
- PP Tirana – Abteilung Cybercrime
Bosnien und Herzegowina:
- BKA Verbindungsbeamter
- Staatsanwaltschaft Sarajevo
- Föderationspolizei BIH (FUP)
Kosovo (Diese Bezeichnung berührt nicht die Standpunkte zum Status und steht im Einklang mit der Resolution 1244/1999 des UN-Sicherheitsrates und dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovo.):
- BKA Verbindungsbeamter
- Sonderstaatsanwaltschaft der Republik Kosovo*
- Cybercrime Direktorat Kosovo* Police
Libanon:
- BKA Verbindungsbeamter
- Internal Security Forces (ISF) – National Security Branch
Serbien:
- BKA Verbindungsbeamter
- Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität
- Cybercrime Unit Belgrad
Cybercrime-Zentrum
Das Cybercrime-Zentrum wurde im Januar dieses Jahres errichtet und hat die landesweite Strafverfolgungszuständigkeit bei herausgehobenen Verfahren im Bereich des Cybercrimes inne. Dadurch soll die Kooperation zwischen den im Bereich der Cybersicherheit tätigen Akteure auf Landes-, Bundes- und internationaler Ebene weiter verbessert werden.