Die Polizei Baden-Württemberg etabliert flächendeckend sogenannte „Super-Recogniser“. Sie können sich Gesichter weit überdurchschnittlich gut einprägen und mit dieser Fähigkeit bei Ermittlungen unterstützen. Nur ein bis zwei Prozent der Bevölkerung eignen sich zum Super-Recogniser.
„Die Ermittlungen zur Stuttgarter Krawallnacht im Juni 2020 haben ganz besondere Herausforderungen. Da geht es um Gewalttäter und Randalierer, die wahllos Straftaten verübten, im Schutz der Dunkelheit, Einzeln oder in Kleingruppen. Die Polizei brachte hier Licht ins Dunkel – unter anderem, indem sie auf besondere Fähigkeiten ihrer Beamtinnen und Beamten setzte. Von Anfang an nutzten die Ermittler des Polizeipräsidiums Stuttgart hier sogenannte Super-Recogniser. Das sind Menschen, die über herausragende Fähigkeiten bei der Einprägung und Wiedererkennung von Gesichtern oder einzelnen Gesichtspartien verfügen. Das ist eine angeborene Begabung, über die nur rund zwei Prozent der Bevölkerung verfügen. Viele Personen wissen gar nicht, dass sie diese Fähigkeiten besitzen“, sagte der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl.
Super-Recogniser nach Krawallnacht im Einsatz
„Der Erfolg der Super-Recogniser liegt auf der Hand: Ein erheblicher Teil der bislang aus der Krawallnacht identifizierten rund 130 Tatverdächtigen geht auf die Fähigkeiten dieser Beamtinnen und Beamten zurück. Um deren Leistung angemessen würdigen zu können, muss man sich auch die Qualität der zugrundeliegenden Aufnahmen bewusst machen –die sind in dynamischen Situationen aufgenommen, oft verwackelt, im Dunkeln, und Gesichter sind nur kurz und teilweise zu sehen. Umso beachtlicher ist also der Erfolg der Super-Recogniser, die von den Sachverständigen für Lichtbildvergleiche beim Kriminaltechnischen Institut unterstützt werden. Ein Beleg dafür, dass wir alle Hebel in Bewegung setzen, um schließlich möglichst alle Täterinnen und Täter der Krawallnacht dingfest zu machen“, so Minister Thomas Strobl.
Eine Vorreiterrolle beim Einsetzen von Super-Recognisern hat das Polizeipräsidium Stuttgart eingenommen, das seit März 2018 in Zusammenarbeit mit der University of Greenwich in London die Vorarbeit für den landesweiten Einsatz geleistet hat. Ausgangspunkt war dort die Feststellung, dass eine kleine Personengruppe von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten überdurchschnittlich gut darin war, Personen auf Überwachungskameras zu erkennen.
Testverfahren bei der Hochschule für Polizei
„Baden-Württemberg ist eines der sichersten Länder der Republik. Die Kriminalität ist auf dem niedrigsten Stand seit 1984. Unsere Polizei hat im Jahr 2020 insgesamt 64 Prozent aller Straftaten in Baden-Württemberg aufgeklärt. Das ist die beste Aufklärungsquote seit Anfang der 1960er-Jahre! Auf diesen sehr guten Zahlen ruht sich aber niemand aus, wir arbeiten fortwährend an einer immer besseren Polizei. Um künftig noch mehr unbekannte Täterinnen und Täter, insbesondere von Straftaten im öffentlichen Raum, zu ermitteln, setzen wir aktuelle Forschungserkenntnisse um und intensivieren nun den Einsatz von Super-Recognisern bei der Polizei Baden-Württemberg. Dazu etablieren wir nun bei der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg für die angehenden Polizistinnen und Polizisten ein Identifikationsverfahren für sogenannte Super-Recogniser“, so der Innenminister weiter.
Durch das Testverfahren bei der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg erhalten alle regionalen Polizeipräsidien über das turnusmäßige Verteilverfahren ab diesem Frühjahr identifizierte Super-Recogniser, die sie zielgerichtet einsetzen können. Und dank der großen Einstellungsoffensive kann die Polizei hier auch aus einem beachtlichen personellen Potential schöpfen.
Künftig kann jede Absolventin und jeder Absolvent der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg herausfinden, ob sie oder er ein Super-Recogniser ist“, betonte der Präsident der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg, Martin Schatz: „Für die Polizei sind diese Kolleginnen und Kollegen eine große Bereicherung und letztlich ein wichtiger Baustein für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Land.“
Wertvolle Unterstützung für Polizei
„Wenn wir Menschen in unseren Reihen haben, die über eine solche Begabung verfügen, wollen wir diese für eine effektive Strafverfolgung nutzen. Mit einem mehrstufigen Testverfahren suchen wir daher unter unseren angehenden Polizistinnen und Polizisten diejenigen, die diese Begabung besitzen. Dieses Potenzial wird uns helfen, mehr Kriminelle zu identifizieren und damit der Strafverfolgung zuzuführen“, betonte Minister Thomas Strobl.
Eigens für das freiwillige Testverfahren hat die Hochschule für Polizei Baden-Württemberg eine interne Werbekampagne ins Leben gerufen. Bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern werden in drei Stufen individuelle kognitive Fähigkeiten zur Einprägung und Wiedererkennung von Gesichtern oder einzelner Gesichtspartien in den Bereichen Kurzzeit, Langzeit, Gesichtsvergleich und aus Menschenmengen festgestellt. Die erste Testphase des dreiteiligen Tests ist bereits abgeschlossen, die zweite Phase läuft aktuell. Insgesamt haben sich bereits mehrere hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer testen lassen. Wer die erste Testphase vollständig durchlaufen hat, nimmt auch an der zweiten Phase teil. Zur dritten und letzten Testphase werden dann nur diejenigen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte eingeladen, die zuvor hervorragende Ergebnisse erzielt haben. Das Testverfahren findet auf Grund der Corona-Pandemie vollständig online statt.