Das Kultusministerium hat den voraussichtlichen Lehrerbedarf an öffentlichen Schulen in den Jahren 2020 bis 2030 ermittelt. Auf Basis dieser Modellrechnung ergibt sich bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts ein zusätzlicher Bedarf in Summe von rund 10.600 Stellen.
Das Kultusministerium hat in einer Modellrechnung erstmals den voraussichtlichen Lehrerbedarf an öffentlichen Schulen in den Jahren 2020 bis 2030 ermittelt. „Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass der derzeitige Lehrermangel in Baden-Württemberg leider in Teilen hausgemacht ist. Die Pensionierungswelle ist beispielsweise nicht einfach vom Himmel gefallen. Gleichwohl wurde in der Vergangenheit versäumt, frühzeitig darauf zu reagieren und rechtzeitig zum Beispiel die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen. Aus diesen Planungsfehlern müssen wir zwingend lernen, damit wir in Zukunft keinen Mangel wie derzeit vorfinden. Deshalb legen wir nun eine Berechnung für einen Zehn-Jahres-Zeitraum vor“, sagt Kultusministerin Susanne Eisenmann.
Grundlage für realistische Planungen
Das Ziel sei, künftig eine Grundlage für realistische Planungen zu haben, so Eisenmann. Berücksichtigt wurden die voraussichtliche Entwicklung der Schülerzahlen sowie bereits auf den Weg gebrachte oder im Koalitionsvertrag vereinbarte bildungspolitische Projekte, ergänzt um Maßnahmen, die noch nicht beschlossen sind, aber bereits diskutiert werden und somit mittelfristig bereits auf der bildungspolitischen Agenda stehen. Auf Basis dieser Modellrechnung ergibt sich bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts unter dem Strich ein zusätzlicher Stellenbedarf für öffentliche Schulen in Summe von rund 10.600 Stellen.
Modellrechnung soll jedes Jahr aktualisiert werden
„Vor ein paar Jahren dachte man noch, man könne 11.600 Lehrerstellen streichen. Heute wissen wir, dass diese Vorstellung völlig an der Realität vorbeiging. Die Schülerzahlen steigen, weshalb wir Stellen neu schaffen müssen, um den Bedarf zu decken“, so Eisenmann. Laut der aktuellen Vorausrechnung des Statistischen Landesamts vom Sommer 2018 werden die Schülerzahlen im Zeitraum 2020 bis 2030 kontinuierlich zunehmen. „Natürlich ist unsere Berechnung nicht in Stein gemeißelt, darauf weise ich ausdrücklich hin. Wie jede Prognose enthält sie Unschärfen, sie hängt auch ab von entsprechenden politischen Entscheidungen. Wir werden daher unser Tableau jährlich auf Basis der neuesten Erkenntnisse anpassen“, sagt Susanne Eisenmann.
Neben steigenden Schülerzahlen ergibt sich der Mehrbedarf auch durch bildungspolitische Maßnahmen. „Wir wollen den Ethikunterricht ausweiten, das strukturelle Defizit an den beruflichen Schulen abbauen, die unter Grün-Rot beschlossene Kürzung des allgemeinen Entlastungskontingents an den Schulen zurücknehmen sowie die Krankheitsreserve ausbauen, um ein paar Beispiele zu nennen. Das müssen wir in unserer Planung natürlich berücksichtigen“, so Eisenmann. Damit gehe das Kultusministerium neue Wege. So wurden in der vergangenen Legislatur die Weichen für den Ausbau bei der Inklusion, beim Ganztag und bei der Stundentafel für die Grundschulen gestellt, ohne zu hinterfragen, ob genügend Lehrerinnen und Lehrer für diese Maßnahmen zur Verfügung stehen.
Neubewerberangebot realistisch betrachten
In der Modellrechnung hat das Kultusministerium außerdem den künftigen Lehrkräftebedarf dem voraussichtlichen Lehrkräfteangebot gegenüber gestellt, um zu wissen, wie viele Lehrkräfte unter dem Strich fehlen, um alle Stellen besetzen zu können. Dabei wurden aus den jeweiligen Studienanfängerzahlen mithilfe von Bewerberquoten und unter Annahme der durchschnittlichen Studiendauer künftige Neubewerberzahlen errechnet. Ebenfalls in die Berechnung miteingeflossen sind eine zunehmende Teilzeitquote sowie die Studienabbrecherquote, die bei angehenden Grundschullehrkräften inzwischen mit rund 45 Prozent zu Buche schlägt. „Die hohe Abbrecherquote insbesondere beim Grundschullehramt hat mich wirklich überrascht. Wir haben deshalb das Wissenschaftsministerium gebeten, gemeinsam mit den Hochschulen zu analysieren, wo die Ursachen dafür liegen, um im nächsten Schritt gemeinsam Maßnahmen zur Verringerung der Abbrecherquote auf den Weg bringen zu können“, sagt die Ministerin.
Diese Berechnung zeigt deutlich, dass für das Lehramt Sonderpädagogik und das Lehramt Grundschule zunächst weiterhin ein Bewerbermangel zu erwarten ist. „Bis unsere bereits umgesetzten Erhöhungen der Studienanfängerplätze an den Grundschulen und in der Sonderpädagogik wirken, dauert es noch. Deshalb sind wir weiterhin gezwungen, mithilfe unseres Maßnahmenpakets ergänzend Abhilfe zu schaffen“, so Eisenmann. Im Jahr 2017 hat das Kultusministerium ein Maßnahmenpaket aufgelegt, das kontinuierlich umgesetzt und durch neue Maßnahmen erweitert wurde. Dazu zählen Teilzeiterhöhungen, Versetzungen in Mangelregionen, der Einsatz pensionierter Lehrkräfte und das Angebot an Lehrkräfte mit gymnasialer Lehrbefähigung, sich für das Grundschullehramt zu qualifizieren. Darüber hinaus wurden die Abläufe beim Einstellungsverfahren flexibilisiert. „Dies sind Maßnahmen, die wir ergriffen haben, um die Situation zu lindern. Mit der Berechnung, die wir nun vorlegen, wollen wir solche Engpässe in Zukunft möglichst vermeiden. Ich setze deshalb auf eine rege Diskussion und konstruktive Beratungen bei diesem wichtigen Thema“, sagt Ministerin Eisenmann.
Modellrechnung des Kultusministeriums zum Lehrerbedarf 2020-2030 (PDF)