Der erste Commercial Court Deutschlands in Stuttgart und Mannheim hat seine Arbeit aufgenommen. Das Gericht ist auf die Durchführung komplexer Wirtschaftsstreitigkeiten ausgerichtet.
Baden-Württemberg eröffnet den ersten Commercial Court in Deutschland mit Standorten in Stuttgart und Mannheim. Im Rahmen einer coronabedingt kleinen Eröffnungsveranstaltung hat Justizminister Guido Wolf die neuen Räumlichkeiten im Campus Fasanenhof besucht und zusammen mit Präsidentin des Oberlandesgerichts Cornelia Horz und Präsident des Landgerichts Dr. Andreas Singer den Startschuss für den Stuttgart Commercial Court gegeben. Zeitgleich stellte er den Internetauftritt des neuen Gerichts vor.
Komplexe Wirtschaftsstreitigkeiten im Fokus
Justizminister Wolf sagte: „Der Commercial Court in Stuttgart und Mannheim ist unsere Antwort auf die Frage, wie in Zukunft komplexe wirtschaftsrechtliche Rechtsstreitigkeiten auf fachlich höchstem Niveau schnell und effizient einer Lösung zugeführt werden. Es ist wichtig, dass auch in großen Wirtschaftsstreitigkeiten sachgerechte Entscheidungen effizient und schnell herbeigeführt werden und so Rechtssicherheit hergestellt wird. Der Commercial Court ist konkret auf die Besonderheiten und Bedürfnisse großer, auch internationaler, Wirtschaftsstreitverfahren zugeschnitten. Dies wird gewährleistet durch höchste wirtschaftsrechtliche Fachkunde der Richter, eine besonders effiziente Form der Verfahrensführung unter Einsatz moderner Kommunikationsmittel und der Möglichkeit, das Verfahren in weiten Teilen auf Englisch zu führen.“
Der Commercial Court Stuttgart besteht aus einer spezialisierten Wirtschaftszivilkammer und einer Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart. Erstinstanzlich fallen große Wirtschafts-Zivilverfahren in die Zuständigkeit des Gerichts, insbesondere gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, Unternehmenskäufe und wirtschaftlich bedeutsame Streitigkeiten zwischen Unternehmen mit einem Streitwert ab zwei Millionen Euro. Damit der gesamte Rechtsstreit qualitativ auf höchstem Niveau und zugleich zügig abgeschlossen werden kann, ist für den Fall, dass die zweite Instanz angerufen wird, auch beim Oberlandesgericht Stuttgart ein Rechtsmittelsenat eingerichtet, der entsprechende Vorteile bietet wie die erste Instanz.
Private und staatliche Gerichtsbarkeit kombinieren
Präsidentin des Oberlandesgerichts Cornelia Horz verwies darauf, dass Parteien mit großen Wirtschaftsstreitigkeiten zunehmend in die Schiedsgerichtsbarkeit abwandern: „In einigen Bereichen des Wirtschaftsrechts findet aktuell in Deutschland kaum noch Rechtsfortbildung statt, weil Verfahren seltener vor staatliche Gerichte gebracht werden. Dies beklagt selbst die Schiedsgerichtsbarkeit, die sich bei ihren Schiedssprüchen natürlich an der Rechtsprechung staatlicher Gerichte orientiert. Mit dem Commercial Court kombinieren wir nun so weit wie möglich die Vorzüge der privaten Schiedsgerichtsbarkeit mit der Verlässlichkeit, Unabhängigkeit und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit.“
Der Stuttgart Commercial Court ist mit hervorragend qualifizierten und erfahrenen Richtern mit ausgezeichneten Kenntnissen im Wirtschaftsrecht besetzt. Alle Richter sind unter www.commercial-court.de/richter mit ihren Lebensläufen vorgestellt. Dazu sagte Präsident des Landgerichts Stuttgart Dr. Andreas Singer: „Der Stuttgart Commercial Court verhandelt und entscheidet Verfahren regelmäßig in Dreierbesetzung. Hierdurch wird eine hohe Qualität der Entscheidungen sichergestellt, indem Erfahrungen und Wissen von drei Richtern gebündelt werden. Die Kammern sollen die Möglichkeit haben, wenn nötig, auch mehrere Tage am Stück zu verhandeln, damit ein Verfahren zügig abgeschlossen werden kann.“
Verfahren in Videokonferenzen möglich
In einer Videobotschaft wandte sich die Staatssekretärin des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, Dr. Margaretha Sudhof, an die Anwesenden und wünschte dem Projekt und seinen Verantwortlichen gutes Gelingen.
Alle Richter sind in der Lage, die Verhandlung auf Englisch zu führen, sofern dies von den Parteien gewünscht ist. Englischsprachige Dokumente, die Gegenstand des Rechtsstreits sind, können in den Prozess einbezogen werden, sodass umfangreiche Übersetzungen von Vertragsdokumenten sowie zwischengeschaltete Dolmetscher entbehrlich sind. Möglich soll außerdem die Durchführung eines frühzeitigen Organisationstermins zur Strukturierung der weiteren Verfahrensführung sein, eine sogenannte case management conference, wie sie die Schiedsgerichtsbarkeit bereits heute kennt: Komplexe Verfahren können so – bei Bedarf auch mittels Videokonferenz – vorbesprochen und der Verfahrensstoff kann abgeschichtet werden.