Das Land überträgt das Eigentum von 70 Benin-Objekten an Nigeria. Mit der Rückgabe der Ende des 19. Jahrhunderts aus Benin geplünderten, von Künstlern in Nigeria gefertigten Objekte, bekennt sich Baden-Württemberg zu seiner historischen Verantwortung bei der Aufarbeitung des Kolonialismus.
Baden-Württemberg hat als erstes Land einen Grundsatzbeschluss zur Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria gefasst: Bereits im Sommer 2021 hat sich der Ministerrat zu dem von Baden-Württemberg maßgeblich unterstützten Verfahren zur Restitution der Benin-Bronzen bekannt und das Linden-Museum mit der weiteren Abstimmung beauftragt. Nun hat die Landesregierung der konkreten Eigentumsübertragung von 70 Benin-Objekten an Nigeria zugestimmt.
„Bei den Benin-Objekten geht es um mehr als um die Rückgabe von Kunstschätzen – sie sind Teil der Geschichte Benins und des heutigen Nigerias. Ihre Plünderung im Jahr 1897 aus dem Palast des Königshauses Benin symbolisiert das tiefe Unrecht und die koloniale Gewalt. Baden-Württemberg bekennt sich zu seiner historischen Verantwortung bei der Aufarbeitung des Kolonialismus und zur ethisch-moralischen Verpflichtung, Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten an Herkunftsgesellschaften und -staaten zurückzugeben. Wir nehmen deshalb auch bei der Rückgabe der Benin-Objekte nach Nigeria eine aktive Rolle ein“, sagte Kunstministerin Petra Olschowski am Dienstag, 11. Oktober 2022 im Anschluss an die Kabinettssitzung in Freiburg.
Die Folgen des Kolonialismus sind bis heute sichtbar
Die Folgen des Kolonialismus seien bis heute sichtbar. Dies werde auch in den musealen Sammlungen des Landes deutlich, in denen sich zahlreiche Kulturgüter befinden, die in kolonialem Kontext angeeignet wurden. „Den Benin-Bronzen kommt aufgrund ihrer historischen und kulturellen Bedeutung, ihres hohen künstlerischen Rangs sowie ihrer internationalen Verbreitung eine herausragende Stellung zu“, so die Ministerin weiter.
Erste Objekte sollen noch in diesem Jahr nach Nigeria zurückgebracht werden, ein Drittel der Objekte wird als Leihgabe im Linden-Museum bleiben. „Ich freue mich, dass die nigerianische Seite in Aussicht gestellt hat, rund ein Drittel der 70 Benin-Objekte als Leihgaben im Linden-Museum zu belassen. Das ist eine großzügige Geste von weitreichender Bedeutung. Über die Objekte in unseren ethnologischen Museen lernen wir die Welt besser kennen, sie verbinden uns und bringen uns die Vielfalt der Kulturen näher“, so Olschowski.
Nigeria stellt Leihgaben zur Verfügung
Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst wird die Restitution der Benin-Objekte gemeinsam mit der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Linden-Museum weiterführen und abschließen. Das Linden-Museum wird in direkter Absprache mit Abba Tijani, Generaldirektor der Nationalen Behörde für Museen und Denkmäler in Nigeria, klären, welche Objekte nach Nigeria zurückkehren und welche Objekte für eine langfristige Leihgabe an das Linden-Museum in Betracht kommen.
„Das Linden-Museum hat die Rückgabe in der Benin Dialogue Group in enger Abstimmung mit nigerianischen Partnern seit 2018 ausgehandelt und vorbereitet. Es ist schön zu sehen, dass dieser Prozess nun zu einem guten Abschluss kommt“, sagt Inés de Castro, die Direktorin des Linden-Museums Stuttgart.
Benin-Bronzen
Die sogenannten Benin-Bronzen umfassen Artefakte aus unterschiedlichen Materialien. Sie sind hauptsächlich aus Bronze, aber auch aus Holz, Elfenbein und Messing. Sie wurden von Künstlern im heutigen Bundesland Edo der Bundesrepublik Nigeria seit dem 13. Jahrhundert gefertigt und schmückten den Palast des Herrschers des Königreichs Benin. Viele der Reliefs und Skulpturen erzählen die Geschichte des Königreichs Benin, einige haben rituelle Bedeutung. International werden sie für ihre ausgeprägte künstlerische Qualität geschätzt.
Die meisten Benin-Bronzen in den deutschen und internationalen Sammlungen wurden 1897 im Rahmen einer brutalen britischen Strafexpedition aus dem Palast des Königshauses Benin geplündert, nach Großbritannien verbracht und vom Foreign Office, Offizieren und Soldaten profitbringend verkauft, und zwar sowohl an private Sammler als auch an zahlreiche europäische ethnologische Museen. Das Linden-Museum hat über die Hälfte seiner Sammlung bereits 1899 beim Hamburger Händler Heinrich Bey angekauft.
Zu den Objekten hat das Linden-Museum in seiner vorbildlichen „Sammlung digital“ bereits umfassend Transparenz geschaffen. Die Benin-Objekte sind auch in der Datenbank des German Contact Point for Collections from Colonial Contexts sowie auf Digital Benin – Reconnecting Royal Art Treasures eingestellt.