Das Landesarchiv Baden-Württemberg hat die neue digitale Quellensammlung zur Frühphase der Weimarer Republik freigeschaltet. 900.000 historisch bedeutsame Dokumente stehen somit Forscherinnen und Forschern weltweit online zur Verfügung. Das Land hat das gemeinsame Forschungsprojekt des Landesarchivs und der Uni Stuttgart zur Demokratiegeschichte im deutschen Südwesten mit 450.000 Euro unterstützt.
Rechtzeitig vor dem anstehenden 100. Jahrestag der Gründung der Republiken in Baden, Hohenzollern und Württemberg im Jahr 2018 steht die neue digitale Quellensammlung zur Frühphase der Weimarer Republik online zur Verfügung. Der Amtschef im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Ministerialdirektor Ulrich Steinbach, hat das neue Portal heute gemeinsam mit dem Präsidenten des Landesarchivs Baden-Württemberg, Prof. Dr. Robert Kretzschmar, und der Landeshistorikerin Prof. Dr. Sabine Holtz, Universität Stuttgart, freigeschaltet.
„900.000 historisch bedeutsame Dokumente stehen ab heute Forscherinnen und Forschern weltweit in digitaler Form zur Verfügung. Das in diesem Umfang und thematischen Zuschnitt bundesweit einmalige E-Science-Projekt leistet einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der deutschen und baden-württembergischen Demokratiegeschichte“, sagte Ulrich Steinbach anlässlich der Freischaltung der digitalen Quellensammlung „Von der Monarchie zur Republik. Quellen zur Demokratiegeschichte 1918-1923“ im baden-württembergischen Landesarchiv in Stuttgart. Das Land hat das über zweieinhalb Jahre entwickelte E-Science-Projekt mit 450.000 Euro unterstützt.
Digitalisierung beschleunigt und bereichert Forschung
Die digitale Sammlung sei auch ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die Chancen und technologischen Möglichkeiten der Digitalisierung konkret für die Forschung genutzt werden könnten. „Das Landesarchiv Baden-Württemberg profiliert sich bereits seit Jahren auf diesem Gebiet und hat damit bundesweit eine Spitzenposition in Sachen Digitalisierung im Archivbereich eingenommen“, betonte Steinbach.
Alle Ergebnisse des Projekts stehen nun über ein neu entwickeltes Themenmodul im landeskundlichen Online-Informationssystem LEO-BW zur Verfügung. Die Verknüpfung mit einschlägigen Angeboten der gegenwärtig 35 Kooperationspartner des Portals runden das Angebot ab.
Wissenschaftler könnten nun global und unabhängig von Zeit und Ort mit dem kulturellen historischen Erbe arbeiten. Wichtige Quellen, die vorher nicht zugänglich waren, könnten nun genutzt, in einen anderen Kontext gesetzt und neu eingeordnet werden. „Das kann Basis für neue wissenschaftliche Erkenntnisse sein, die Perspektive der Forschenden erweitern und neue Forschungsimpulse anregen. Forschung wird damit globaler, vernetzter, schneller und vielfältiger“, so Steinbach.
Forschungsprojekt des Landesarchivs und der Universität Stuttgart
„Unser Ziel war es, die gewaltigen Transformationsprozesse in Politik und Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur ab den letzten Kriegsmonaten 1918 bis etwa 1923 zu veranschaulichen“, sagte Prof. Dr. Gerald Maier, der Projektleiter im Landesarchiv. Hierfür wurden einschlägige Quellen aus den umfangreichen Beständen des Landesarchivs ausgewählt, digitalisiert und analysiert, um sie anschließend in einer Online-Quellensammlung zu präsentieren.
Für Prof. Dr. Robert Kretzschmar, den Präsidenten des Landesarchivs, zeichnet sich das Vorhaben auch besonders durch die enge Zusammenarbeit mit der historischen Forschung aus. „Neu ist dabei, dass wir die Digitalisierung von Quellen mit einer thematischen Präsentation kombinieren und auf diese Weise die archiv-, geschichts- und informationswissenschaftliche Expertise des Landesarchivs und der Universität verzahnen“, so Kretzschmar. In Zusammenarbeit mit der Abteilung Landesgeschichte der Universität Stuttgart erfolgte eine erste Einordnung der thematisch gegliederten Dokumente durch wissenschaftliche Begleittexte.
Für die Stuttgarter Landeshistorikerin Prof. Dr. Sabine Holtz stellt das Projekt die Erforschung der südwestdeutschen Demokratiegeschichte auf eine neue Grundlage. „Im Unterschied zum demokratischen Aufbruch auf Reichsebene wissen wir nur wenig über den Beginn der ersten Demokratie im deutschen Südwesten“, betonte Holtz.
Das jetzt bereitgestellte Quellenmaterial biete die Grundlage für weitergehende Forschungen und die intensive Auseinandersetzung mit bislang unbeachteten Quellen. „Aus dem Material werden Impulse für die genauere Erforschung der Anfangsphase der Weimarer Republik in Baden, Hohenzollern und Württemberg entstehen“, zeigten sich die Projektverantwortlichen überzeugt.
Bürgerinnen und Bürger werden Forschungspartner
Die Digitalisierung sei auch ein Instrument, um Öffentlichkeit herzustellen und Wissenschaft zu vermitteln, Menschen mit der eigenen Arbeit und Forschung zu erreichen. „Es ergeben sich hier großartige Möglichkeiten der Partizipation: So können – Stichwort Citizen Science – auch Bürgerinnen und Bürger zu Partnern der Experten werden“, sagte Ministerialdirektor Ulrich Steinbach abschließend.
Weitere Informationen
Erste Lehrveranstaltungen mit Einbeziehung des Materials haben bereits an der Universität Stuttgarter stattgefunden. Auch über die weitere überregionale Vernetzung mit Projektergebnissen anderer Einrichtungen wird bereits nachgedacht. Konkret geplant ist die Präsentation der Digitalisate in der Deutschen Digitalen Bibliothek und dem damit verbundenen Archivportal-D. Über den deutschen Südwesten hinaus ergibt sich so ein substanzieller Beitrag des Landesarchivs zu aktuellen Forschungsfragen.
Ansprechpartner für das Projekt im Landesarchiv sind Prof. Dr. Gerald Maier, Christina Wolf und Dr. Simone Tibelius.
Landesarchiv Baden-Württemberg