Mit etwa 2.500 Übungsteilnehmern besitzt die baden-württembergische Terrorismusabwehr Exercise (BWTEX 2019) eine historische Größenordnung. Erstmalig wurde auch ein vollständig geschlossener Übungsablauf – vom ersten Schuss über die Alarmierung bis zur Versorgung der Verletzten im Operationssaal – geübt.
„Vorbereitet sein, ist entscheidend wichtig. Das gilt für große Schadens- und Katastrophenlagen, bei Cyberattacken und in der Abwehr von terroristischen Bedrohungen: Für alle diese Situationen müssen wir bestmöglich vorbereitet sein, um im Fall der Fälle die richtige Antwort zu haben. Die heutige Vollübung bei der BWTEX 2019 geht in die Geschichte der Polizei und unseres Bevölkerungsschutzes ein. Mit einem Großaufgebot an Personal, Material und Technik wurde ein Szenario geübt, das hoffentlich niemals eintritt, das wir aber vorausdenken und auf das wir uns vorbereiten“, erklärte der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl bei der Vollübung auf dem Truppenübungsplatz in Stetten am kalten Markt.
Mit der Vollübung an diesem Samstag, 19. Oktober, erreichte die BWTEX ihren Höhepunkt, auf den Vertreter des Polizeipräsidiums Konstanz, des Polizeipräsidiums Einsatz, des Landeskriminalamtes und des Präsidiums Technik, Logistik, Service der Polizei, gemeinsam mit den Vertretern des Bevölkerungsschutzes, des Landeskommandos Baden-Württemberg, des Innenministeriums und der Regierungspräsidien Tübingen und Freiburg seit Januar 2019 hingearbeitet hatten. Es handelt sich mit rund 2.500 Übungsteilnehmern um die größte interdisziplinäre Übung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dabei wird erstmalig ein vollständig geschlossener Übungsablauf, vom ersten Schuss über die Alarmierung bis zur Versorgung der Verletzten im Operationssaal, geübt.
Hoch professionell und sehr gut vorbereitet
„Wer heute erlebt hat, wie leistungsfähig hier gearbeitet wurde, wie konsequent und aufeinander abgestimmt gehandelt wurde, kommt sicher zu dem gleichen Schluss wie ich: Die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sind hoch professionell und sehr gut vorbereitet. Die gegenseitige Unterstützung im Ernstfall ist personal- und kommunikationsintensiv – das war sicherlich auch heute wieder eine wichtige Erkenntnis. Und in einer solchen Bedrohungslage wird die Polizei auf die Unterstützung der Bundeswehr beispielsweise beim Schutz bestimmter herausragender Gebäude oder Örtlichkeiten, bei Sicherungs- und Überwachungsaufgaben dringend angewiesen sein. Auch diese Erkenntnis ist nicht neu: Die Soldaten der Bundeswehr sind bestens ausgebildet, um im Ernstfall – unter Beachtung der verfassungsrechtlich festgeschriebenen Grenzen – die Polizei bei ihrer Aufgabenerfüllung mit einem wertvollen Beitrag zu unterstützen“, so Innenminister Thomas Strobl.
Für den Bevölkerungsschutz war es eine sehr wertvolle Gelegenheit, die im August 2017 veröffentlichten Hinweise des Innenministeriums für Kräfte des Bevölkerungsschutzes zum Verhalten bei Amok- und Terrorlagen zu üben. Diese Hinweise geben in solchen Fällen grundlegende Handlungsanweisungen für die nichtpolizeilichen Einsatzkräfte, also zum Beispiel Feuerwehr und Rettungsdienst. Dem Bevölkerungsschutz fielen in dem angenommenen Szenario vor allem folgende Aufgaben zu: Versorgung und Behandlung zahlreicher Verletzter, Transport in geeignete Kliniken, Betreuung von körperlich nicht verletzten Personen und Brandbekämpfung. Diese Aufgaben werden sowohl durch hauptamtliche Kräfte, vor allem aber durch zahlreiche Kräfte des Ehrenamtes erfüllt, denen an dieser Stelle ein großer Dank auszusprechen ist.
Bundeswehr und Polizei arbeiten zusammen
Insgesamt beteiligte sich die Bundeswehr mit rund 270 Soldatinnen und Soldaten an der BWTEX – und zwar durch die Bereitstellung von Unikatfähigkeiten, etwa durch einen geschützten Transportraum, Unterstützung beim Lufttransport Schwerstverletzter, Beseitigung von militärischem Sprengstoff sowie der Absicherung der Verletztensammelstelle. Unterstützungsleistungen wie diese bei BWTEX sind nicht die Regel, sie stellen eine Ausnahme dar. Dies gilt insbesondere für die Anwendung von hoheitlichen Zwangs- und Eingriffsbefugnissen. Der Kernauftrag für die Bundeswehr ist die Landes- und Bündnisverteidigung. Für Fälle wie den heute geübten erlaubt das Grundgesetz unter engen Voraussetzungen den Einsatz der Bundeswehr auf Ersuchen des betroffenen Bundeslandes: „Polizei schützt – die Bundeswehr unterstützt“, so Brigadegeneral Andreas Henne in Vertretung des Kommandeurs Kommando territoriale Aufgaben der Bundeswehr.
In den Tagen vom 17. bis zum 19. Oktober 2019 waren im Rahmen der BWTEX rund 2.500 Übungsbeteiligte von Polizei Baden-Württemberg, Bundeswehr und Bevölkerungsschutz an den Übungsorten Berlin, Friedrichshafen, Konstanz, Stuttgart, Sigmaringen, Karlsruhe, Reutlingen und vor allem Stetten am kalten Markt im Einsatz. Das Angebot der Leistungsschau – des sogenannten static display – am 17. Oktober 2019 vor der Albkaserne in Stetten wurde von über 600 Besuchern angenommen. Dabei wurde an zwei Dutzend Ausstellungsständen das technische Equipment der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben ausgestellt und vorgeführt.
Bis zum Jahresende soll ein Evaluationsbericht vorliegen
Während am Freitag, 18. Oktober 2019, eine Stabsrahmenübung, sozusagen ein theoretisches Planspiel, durchgeführt wurde, konnten sich am heutigen Samstag mehr als 200 Fachexperten von Politik, Polizei, Militär, Bevölkerungsschutz und Verwaltung live davon ein Bild machen, wie in einer multiplen Terrorlage die Räder in Baden-Württemberg ineinandergreifen.
„Die Übung mag heute abgeschlossen sein, die Arbeit geht aber für diejenigen weiter, die sie konzipiert und hervorragend realisiert haben. Mein außerordentlicher Dank gilt der Projektgruppe unter der Leitung von Polizeioberrat Daniel DeGiuli und der großen Unterstützung durch die beteiligten Polizeidienststellen, die Regierungspräsidien Tübingen und Freiburg, die Landratsämter Sigmaringen und Zollernalb, die Kliniken in Konstanz, Friedrichshafen und Sigmaringen sowie das Landeskommando Baden-Württemberg. Herzlichen Dank, Herr Regierungspräsident Klaus Tappeser und Oberst Christian Walking“, so Innenminister Thomas Strobl: „Jetzt geht es um die Auswertung! Das ehrgeizige Ziel der Macher der BWTEX ist, bis zum Jahresende einen Evaluationsbericht vorzulegen, der dann die wesentlichen Optimierungsmöglichkeiten aufzeigen soll. Es gibt nichts, was man nicht besser machen kann – und dieses Motto füllen wir mit Leben“, sagte Minister Strobl abschließend.
Steckbrief zur BWTEX 2019
Vom 17. bis 19. Oktober 2019 fand schwerpunktmäßig auf dem Truppenübungsplatz Heuberg der Bundeswehr in Stetten am kalten Markt die Baden-Württembergische Terrorismusabwehr Exercise (BWTEX) 2019, eine gemeinsame Übung der Polizei Baden-Württemberg mit der Bundeswehr sowie nicht-polizeilichen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) aus dem Bereich des Bevölkerungsschutzes, statt.
Neben einer öffentlich zugänglichen Ausstellung von Fahrzeugen und Ausstattungsgegenständen der Bundeswehr, des Bevölkerungsschutzes und der Polizei am 17. Oktober 2019 sowie einer nichtöffentlichen Stabsrahmenübung aller beteiligten Behörden und Organisationen am 18. Oktober 2019, fand die BWTEX 2019 am 19. Oktober 2019 mit einer gemeinsamen Vollübung ihren Höhepunkt. Mit rund 2.500 Übungsbeteiligten stellte diese eine der größten Übungen in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und die größte Übung, die die Polizei Baden-Württemberg je durchgeführt hat, dar.
Auf Seiten der Polizei waren neben Einsatzkräften des für den fiktiven Tatort örtlich zuständigen Polizeipräsidiums Konstanz, eine Vielzahl weiterer Polizei-beamtinnen und Polizeibeamten – unter anderem in den Führungsstäben der mitübenden Polizeipräsidien, Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei, der Hubschrauberstaffel, der Spezialeinheiten, Ermittlerinnen und Ermittler des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg sowie Beamtinnen und Beamten zur Gewährleistung der technischen Infrastruktur – auf dem Übungsgelände eingesetzt. Auf Grund der Tatsache, dass die Übungslage fiktiv im Bereich der Stadt Konstanz und damit im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet spielte, wurden zur Lagebewältigung zudem auch Einheiten der eidgenössischen Polizei eingesetzt. Bei den im Rahmen der Vollübung agierenden „Tätern“ handelte es sich um 30 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des Landes Rheinland-Pfalz.
Durch die Bundeswehr wurden die Einsatzmaßnahmen am Vollübungstag unter anderem in folgenden Bereichen unterstützt:
- Crashrettung Verletzter mit gepanzerten Fahrzeugen,
- Beseitigung von militärischen Sprengstoffen,
- Absicherung einer Verletztensammelstelle mit Soldaten,
- Lufttransport Verletzter sowie
- medizinische Beratung durch Bundeswehrärzte.
Darüber hinaus beteiligten sich die nichtpolizeilichen Behörden und Organisationen aus dem Bereich Bevölkerungsschutz unter anderem mit einer Vielzahl von Einsatzkräften, einer Verletztensammelstelle auf dem Übungsgelände sowie Transportkapazitäten, mittels derer die im Übungsszenario fiktiv verletzten Personen auf dem Land- und Luftweg in mitübende Fachkliniken verbracht wurden. Hierbei stellten die DRF Luftrettung und die ADAC Luftrettung je einen Rettungshubschrauber zur Verfügung, die Kliniken in Friedrichshafen, Kon-stanz und Sigmaringen beteiligten sich durch eine Patientenaufnahme und -behandlung an der Vollübung.
Im Rahmen der Übung wurde die gesamte Interventions- und Bearbeitungskette auf den Prüfstand gestellt. Ziel war es, alle Abläufe – vom „ersten Schuss“ über die Intervention, die Rettung von Verletzten, den Weitertransport in Fachkliniken, bis hin zur weiteren Behandlung in mitübenden Kliniken – zu erproben. Darüber hinaus stellten die Durchführung von kriminalpolizeilichen Ermittlungen – etwa durch das LKA BW – sowie die Zusammenarbeit aller Beteiligten auf Stabsebene wesentliche Übungsteile dar.
Wie bereits der Name der Übung verdeutlicht, wurde – unter Wahrung des verfassungsrechtlichen Rahmens für einen Einsatz der Bundeswehr im Innern – ein polizeiliches Einsatzszenario mit terroristischem Hintergrund entwickelt, zu dessen Bewältigung Unterstützungskräfte der Bundeswehr benötigt wurden und aus dem sich Einsatzanlässe für die Einheiten des Bevölkerungsschutzes ergaben. Bei dem inszenierten Terroranschlag, wurden von getrennt agierenden Tätergruppierungen an verschiedenen Örtlichkeiten mit Schuss- und Sprengmitteln Anschlagsszenarien ausgeführt, die es von den eingesetzten Kräften zu bewältigen galt.
Wesentliche Übungsziele waren:
- die Erprobung und Weiterentwicklung der effektiven gemeinsamen Bewältigung eines terroristischen Anschlagsszenarios im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit auf Landesebene,
- die Identifizierung und Optimierung von Schnittstellen zwischen den Übungsbeteiligten,
- die Identifizierung von Optimierungspotentialen,
- das Führen gemeinsamer Lagebilder.
Zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der BWTEX 2019 wurde bereits zum Jahresbeginn 2019 unter Leitung von Polizeioberrat Daniel De Giuli und unter Federführung des Innenministeriums Baden-Württemberg der „Projektstab BWTEX 2019“ eingerichtet. Über mehrere Monate hinweg wurden mit insgesamt sieben Teilprojekten alle Übungsinhalte aus den Bereichen der Polizei, der Bundeswehr und des Bevölkerungsschutzes erarbeitet und zu einer gemeinsamen Übung zusammengeführt. Im Rahmen einer umfangreichen Nachbereitung sollen die Übungserkenntnisse von mehreren eingesetzten Übungsbeobachtern und Experten ausgewertet werden, mit dem Ziel, eine weitere Optimierung der Abläufe und des Zusammenspiels aller Beteiligten zu erreichen.