Das Land fördert acht innovative Projekte im Rahmen des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg mit insgesamt 13,9 Millionen Euro. Innovative Ideen und Projekte sind der Schlüssel für eine leistungsfähige Gesundheitsbranche im Land.
Der Ministerrat hat am Dienstag, 21. April 2020, der Förderung der ersten acht Projekte des Wirtschaftsministeriums im Rahmen des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg mit einem Gesamtfördervolumen von 13,9 Millionen Euro zugestimmt. „Innovative Ideen und Projekte sind der Schlüssel für eine leistungsfähige Gesundheitsbranche im Land. Gerade in Krisenzeiten gilt es, diese Kompetenzen ständig weiterzuentwickeln und auch für die Zukunft zu sichern. Mit dem Beschluss des Ministerrats können nun acht vielfältig zusammengesetzte Konsortien mit Partnern aus Forschungseinrichtungen, Kliniken und Unternehmen ihre innovativen Vorhaben zügig in die Tat umsetzen“, sagte Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut.
Gesundheitswirtschaft als Wachstumstreiber und Jobmotor
„Neben unseren Leitbranchen Maschinenbau und Automobilindustrie entwickelt sich die Gesundheitswirtschaft immer mehr zu einem entscheidenden Wachstumstreiber und Jobmotor. Um im weltweiten Wettbewerb langfristig mithalten zu können, muss es uns gelingen, Forschungsergebnisse noch schneller in Produkte und Dienstleistungen umzuwandeln. Hier setzen wir mit dem Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg an. Big-Data, Künstliche Intelligenz und Personalisierte Medizin bieten große Chancen, die wir gemeinsam nutzen müssen, wenn wir Innovationspotenziale, Wertschöpfung und Arbeitsplätze im Land langfristig sichern wollen“, so Hoffmeister-Kraut. „Mit den ersten acht Projekten werden wir diese Schlüsseltechnologien maßgeblich voranbringen – zum Wohle der Patienten und zugunsten des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg.“
Die vom Wirtschaftsministerium geförderten Projekte decken vielfältige Themen ab, wie beispielsweise die Herstellung von personalisierten Arzneimitteln mittels Digitaldruck, innovative Methoden im Bereich der personalisierten Tumordiagnostik unter Einbeziehung von Aspekten der Künstlichen Intelligenz, ein Anwendungszentrum für intelligente Maschinen in der Medizintechnik oder die Erhöhung der Patientensicherheit durch eine softwaregestützte Nachverfolgung von Gewebeproben vom Operationssaal in die Pathologie. Ziele der Projekte sind der unmittelbare und konkrete Mehrwert für Patientinnen und Patienten, die Erhöhung des wirtschaftlichen und gesundheitsökonomischen Potentials der Ideen, Nachhaltigkeit und Umsetzbarkeit in die Praxis sowie der bereichsübergreifende Mehrwert. „Die ausgewählten Projekte bergen ein hohes Innovationspotential und werden wichtige Impulse für die Zukunft setzen“, so die Ministerin.
Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg
Die Gesundheitswirtschaft ist für den Standort Baden-Württemberg von entscheidender Bedeutung. Deshalb hat die Landesregierung im Sommer 2018 mit dem Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg einen strategischen Prozess ins Leben gerufen, dessen Ziel es ist, den Gesundheitsstandort Baden-Württemberg weiter zu stärken und wettbewerbsfähig zu erhalten. Innovationen sollen sowohl zum Nutzen von Patientinnen und Patienten als auch zur Weiterentwicklung von Wissenschaft und Wirtschaft gefördert werden. Neben weiteren Maßnahmen werden im Rahmen des Forums insbesondere Forschungsprojekte mit gesundheitswirtschaftlichem Hintergrund gefördert.
Übersicht der geförderten Projekte
Die Firma DiHeSys Digital Health Systems hat das 2D- und 3D-Druckverfahren zur Pharmareife weiterentwickelt. Das Unternehmen hat einen Drucker entwickelt, mit dem Arzneimittel im Digitaldruck hergestellt werden können. In diesem Pilotprojekt soll die konkrete Anwendung an der Universität Tübingen am Beispiel der verbesserten Behandlung eines bösartigen Gehirntumors umgesetzt werden. Im Rahmen des Projekts wird ein pharmatauglicher 2D-Drucker im Universitätsklinikum Tübingen installiert, der eine individuelle Dosierung von Wirkstoffen für den Patienten ermöglicht. DiHeSys liefert neben dem Drucker auch die benötigten Druckkartuschen mit der druckbaren Wirkstoffmischung an das Klinikum. Der Drucker wird vor Ort qualifiziert und vom lokalen Apotheker in Betrieb genommen, der die finale Rezeptur nach ärztlicher Verordnung herstellt und freigibt. Anhand von Wirk-Dosis-Beziehungen wird dem Patienten ein auf ihn individuell zugeschnittenes, personalisiertes Arzneimittel verordnet und hergestellt. Dadurch können die Wirkung des Arzneimittels optimiert und die unerwünschten Nebenwirkungen reduziert werden. Die Universitätsklinik Tübingen ist zuständig für die Auswahl der Patienten, die Verabreichung an die Patienten, die Begleitung sowie Dokumentation der Sicherheit, der Auswertung und des Erfolgs der Therapie.
Die Projektbeteiligten:
- DiHeSys Digital Health Systems GmbH, Ulm
- Universität Tübingen
- Universitätsklinikum Tübingen
Zahlreiche Erkrankungen von großer wirtschaftlicher und sozialer Bedeutung beruhen auf einer Fehlfunktion des Immunsystems. Aufgrund der Diversität sowohl der Erkrankungen als auch des individuellen Immunsystems besteht ein hoher Bedarf an innovativer Diagnostik für eine verbesserte individuelle Gesundheitsversorgung. Das Projekt bezieht Patientenproben mit Blick auf Tumore sowie neurologische und psychiatrische Erkrankungen ein, um an einem breiten Spektrum immunassoziierter Erkrankungen prädiktive, diagnostische Verfahren und Testsysteme für die personalisierte Medizin zu entwickeln.
Mikrosystemtechnik, hochsensitive Proteindiagnostik, molekulares Imaging und zelluläre Modellsysteme werden für neue und innovative, diagnostische Werkzeuge integriert. Dazu arbeiten drei Institute der Innovationsallianz Baden-Württemberg, acht universitäre und klinische Einrichtungen sowie sechs Unternehmen zusammen. Die Projektergebnisse etablieren eine neuartige, diagnostische Wertschöpfungskette, die zeitnah in die klinische und wirtschaftliche Verwertung übertragen wird.
Die Projektbeteiligten:
Das Prostatakarzinom ist deutschland- und weltweit die zweithäufigste Krebserkrankung des Mannes und die fünfthäufigste Krebstodesursache. Für die radikale operative Entfernung der Prostata, aber auch für organerhaltende Therapieverfahren ist die korrekte Vorhersage der lokalen Begrenzung eines Karzinoms auf die Prostata und der sichere Nachweis einer Kapselinfiltration von entscheidender Bedeutung, um unzureichende Therapieergebnisse zu vermeiden. Das Ziel von RESECT ist die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen Softwarelösung zur optimierten Therapieauswahl- und -planung bei Prostatakarzinom auf Basis der internationalen Radiomics-Plattform mit Entwicklung Künstlicher Intelligenz-assistierten medizinischen Diagnostiklösungen in einer einzigartigen Partnerkonstellation. Durch Verzahnung universitärer medizinischer Einrichtungen, öffentlich-privater Partnerschaften, einer national agierenden Fachgesellschaft sowie einer etablierten und neu im Markt agierenden Firma in der digitalen Medizintechnik entsteht eine durchgängige Wertschöpfungskette. Diese soll die Gründung, das Wachstum und die Ausweitung des Aktionsradius von kleinen und mittelständischen Firmen in der digitalen Medizin mit Fokus auf Künstliche Intelligenz aktivieren.
Die Projektbeteiligten:
- Universitätsmedizin Mannheim der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg (UHEI)
- Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Tübingen (UKT)
- Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS (FME), Bremen
Die Digitalisierung in der Medizin verändert auch die Patient-Arzt Beziehung. Videosprechstunden werden zunehmend Arztbesuche ersetzen und zeitkritische oder therapiebegleitende Analysen müssen dann als Patientenselbsttest ausführbar sein. Aktuelle Patientendaten ermöglichen dem Telearzt, die Therapie unmittelbar an die persönlichen Bedürfnisse des Patienten anzupassen. So sollen Nebenwirkungen verringert, Überlebenschancen erhöht, und Behandlungskosten gesenkt werden. Das Vorhaben bündelt technologische Fortschritte im Bereich der molekularen Medizin, Nanotechnologie und Digitaltechnik, um die Industrie in Baden-Württemberg auf die Diagnostik der nächsten Generation vorzubereiten. Ein therapiebegleitender Selbsttest für Nierentransplantationspatienten sowie ein Patientenselbsttest zum Nachweis antibiotikaresistenter Krankheitserreger und Entzündungen dienen als Demonstratoren für künftige Anwendungen in der Telemedizin oder durch Pflegepersonal.
Die Projektbeteiligten:
- Hahn-Schickard Institut für Mikroanalysesysteme, Freiburg
- Hahn-Schickard Institut für Mikro- und Informationstechnik, Villingen-Schwenningen
- Hahn-Schickard Institut für Mikroaufbautechnik, Stuttgart
- Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen, Reutlingen
- Universität Freiburg, Physiologisches Institut
- Hochschule Furtwangen
- Institut für Lasertechnologien in der Medizin und Meßtechnik (ILM), Ulm
Basierend auf dem in den USA seit 2011 erfolgreich praktizierten Modell der Kooperation zwischen medizinischer Forschung und Wirtschaft zur Entwicklung und Validierung therapeutischer Konzepte hat die Universität Tübingen im Jahr 2012 das „Tübingen Center for Academic Drug Discovery“ (TüCAD2) gegründet. Mit Gründung des „Baden-Württemberg-Center for Academic Drug Discovery„ (BWCAD2) soll dieses erfolgreiche Geschäftsmodell auf ganz Baden-Württemberg ausgeweitet werden. Ziel ist, Grundlagenforscher auf ihrem Weg hin zu einer erfolgreichen Ausgründung zu unterstützen. Konkret sollen Schnittstellen geschaffen und personell besetzt werden. Im Rahmen von Roll-out-Veranstaltungen wird das Projekt bei den medizinischen Forschungseinrichtungen landesweit vorgestellt. Nach der Auswahl von vielversprechenden, neuen therapeutischen Konzepten werden die Forscher zunächst gecoacht. An einem sogenannten „Pitch Day“ können sie ihren Therapieansatz Venture Capital-Gebern und Vertretern führender forschender Arzneimittelunternehmer vorstellen.
Die Projektbeteiligten:
- Eberhard-Karls-Universität Tübingen
- Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen, Reutlingen
Das Ergebnis des Projekts Anwendungszentrum für Intelligente Maschinen in der Medizintechnik (ANIMMED) ist ein Angebot speziell an die kleinen und mittelständischen Medizintechnikunternehmen in Baden-Württemberg. Es wird die Unternehmen befähigen, mit überschaubarem Aufwand und in einem absehbaren Zeitraum, Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) zur Weiter- oder Neuentwicklung ihrer Produkte zu nutzen. Das Anwendungszentrum unterstützt die Unternehmen gezielt an den entscheidenden Punkten der KI-Anwendung für Medizinprodukte. Hierzu zählen Technologieberatung und -training, klinische Anwendungs- und Machbarkeitsuntersuchungen, der Zugang zu Trainingsdaten, Umgang mit den Regularien oder als spezialisierte Ressource zur Unterstützung des unternehmenseigenen Entwicklerteams. Anhand von drei Demonstratoren für medizin-technische KI-Systeme wird die eigene KI-Entwicklungsmethodik evaluiert und gleichzeitig die Ergebnisse als Referenzprojekte genutzt. Die enge Vernetzung der Partner und deren Lage auf dem Campus der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) bietet ein optimales Ökosystem für das Projekt: Die Mediziner und die Einrichtungen der UMM, das Heinrich-Lanz-Zentrum (HLZ) als Spezialist für die Datengewinnung aus klinischen Quellen und die Fraunhofer-Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie (PAMB) mit seiner Erfahrung als KI-Anwendungsentwickler und Betreiber des Mannheimer Medical Transfer Centers M2TC, bilden als etablierte, vernetzte Struktur die Grundlage für eine zügige operative Projektdurchführung.
Die Projektbeteiligten:
- Fraunhofer Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie PAMB (LEAD), Mannheim
- Heinrich-Lanz-Zentrum für Digitale Gesundheit (HLZ), Heidelberg
Basierend auf den vorhandenen technischen Lösungen zur Instrumentenverfolgung mittels der Radio Frequency Identification-Technologie(RFID), soll mit diesem Vorhaben ermöglicht werden, automatisiert und gestützt durch Informationstechnik große Mengen an Gewebepräparaten auf ihrem Weg von der Operation (OP) in die Pathologie zu verfolgen, sicher zu lokalisieren und eindeutig einem Patienten zuzuordnen. Alleine in der Universitäts-Frauenklinik Tübingen muss die Logistik von circa 5.000 bis 10.000 Gewebepräparaten pro Jahr bewältigt werden. Weltweit stellt die Logistik von Gewebeproben im klinischen Alltag eine große Herausforderung dar. Durch Verwechslung oder Verlust von im OP entnommenen Gewebeproben wird die Patientensicherheit gefährdet, da hierdurch ggf. eine falsche Diagnose gestellt wird oder aber Befunde der Gewebeproben nicht für die Therapie genutzt werden können. Für die Entscheidung des OP-Verlaufs ist relevant, dass Informationen und Befunde zu den Gewebeproben zeitnah in den OP rückgemeldet werden. Durch Zusammenspiel von Operateur und Pathologie ist sichergestellt, dass so wenig Gewebe wie nötig entnommen wird bei gleichzeitig vollständiger Entfernung des Tumors. Mit dem Projekt sollen außerdem die Dokumentation und die Prozessabläufe des Transports von Gewebebehältern digitalisiert und vereinheitlicht werden.
Die Projektbeteiligten:
- Eberhard-Karls-Universität Tübingen
- Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Uni Tübingen (NMI)
- KARL STORZ SE & Co. KG1
Ziel des Projekts ist die Entwicklung von neuartigen Point-of-Care (PoC)-fähigen Testsystemen mittels Nanoporen-basierten Tests, sowie anderen Schnelltests zur zuverlässigen Früherkennung von Sauerstoffmangel bei Neugeborenen sowie zur Verbesserung der Ernährungsgrundlage bei Frühgeborenen. Hierzu soll ein Funktionsmuster grundlegender System- und Gerätekomponenten und eines universell anwendbaren, markierungsfreien Systems zum Nachweis kleiner Moleküle beziehungsweise zur Identifizierung und Quantifizierung von Metaboliten hergestellt werden.
Die Projektbeteiligten:
- Hochschule Furtwangen
- Universitätsklinik Tübingen
- Universität Leipzig
- Firma InfanDx AG, Köln