Am 19. Dezember 2019 übergibt Energieminister Franz Untersteller die Stilllegungsgenehmigung für das Kernkraftwerk Philippsburg II. Im Interview mit dem Mannheimer Morgen erklärt er, wie es weitergeht mit der Stromversorgung.
Herr Untersteller, in wenigen Tagen wird der zweite Block des Kernkraftwerks Philippsburg vom Netz gehen. Ist alles gut vorbereitet?
Franz Untersteller: Aus meiner Sicht schon. Wir haben die Unterlagen für die Stilllegung intensiv geprüft und übergeben die Genehmigung an diesem Donnerstag. Dann kann ab Januar die Anlage zurückgebaut werden. Enthalten ist auch die Erlaubnis, den Kühlturm im kommenden Jahr zu sprengen. Das ist notwendig, ebenso wie die Sprengung des Kühlturms von KKP 1, um am gleichen Platz den Konverter zu errichten, wo über die große Gleichstromtrasse Ultranet dann Windstrom aus Norddeutschland ankommen wird.
Ist die Sprengung im Kernkraftwerk kein Sicherheitsproblem?
Untersteller: Das ist keine einfache Sache. Deshalb haben wir das intensiv geprüft. Zwar sind die beiden Reaktoren stillgelegt. Aber es lagern hoch radioaktive Brennelemente dort. Die Gutachter kommen zum Ergebnis, dass die Sprengung der Türme kein Risiko ist.
Mit einem Schlag entfällt ein Sechstel der Erzeugungskapazität. Wo kommt der Ersatz her?
Untersteller: Der Strommarkt ist schon immer europäisch. Baden-Württemberg hat bereits früher, auch als hier noch fünf Kernkraftwerke liefen, Strom importiert. Das ist in den letzten Jahren mehr geworden und wird mit der Abschaltung weiter
zunehmen. Die zehn Milliarden Kilowattstunden Erzeugung aus Philippsburg pro Jahr steckt man nicht so einfach weg. Umso wichtiger ist der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netzausbau.
Der Bau der Stromautobahnen dauert länger. Wann rechnen Sie jetzt mit der Inbetriebnahme?
Untersteller: Bei Ultranet gehe ich von 2023 aus. Dann haben wir Zugriff auf die kostengünstige Windenergie in Norddeutschland. In der Tat hätte Ultranet ursprünglich 2019 fertig sein sollen und Südlink 2022 oder 2023. Das hat sich auf 2026 verschoben. Die Realisierung beider Projekte wird auch auf Drängen Baden-Württembergs inzwischen
intensiv überwacht. Es sind keine weiteren Verzögerungen sichtbar. Man hat also eine Lücke von drei, vier Jahren.
Droht an windstillen Wintertagen Stromausfall?
Untersteller: Ausdrücklich nein. Es ist umfangreich Vorsorge getroffen, dass so etwas nicht passiert. Es gibt genügend Reservekraftwerke.
Öko-Strom kann vorläufig Philippsburg nicht ersetzen. Kommen nun mehr Kohlekraftwerke mit höherem CO2-Ausstoß zum Zug?
Untersteller: Wir bekommen Strom aus anderen Bundesländern in einem Mix aus erneuerbaren Quellen und aus anderen Kraftwerken. Das ist auch bei dem Strom aus den Nachbarländern so. Über die Zusammensetzung der Importe entscheiden wesentlich die Preise an den Strombörsen in Europa. Deshalb bezieht Frankreich mal Strom
aus Deutschland, mal fließt er hierher. Das ist kein neuer Zustand. Aber der Importbedarf wird die nächsten drei Jahre zunehmen.
Da stellt sich die Frage, ob Atomstrom aus Frankreich besser ist als der Atomstrom aus Philippsburg.
Untersteller: Der ist nicht besser und nicht schlechter. Es geht nicht darum, dass es Atomstrom ist. Der Strom hat auch keine Farbe. Wo er hinfließt, entscheiden Marktmechanismen. Im Übrigen reduziert auch Frankreich seine Kernenergie.
Wann wird Baden-Württemberg eine atomfreie Zone sein?
Untersteller: Das wird noch lange dauern. Sowohl in Philippsburg wie in Neckarwestheim lagern hoch radioaktive Brennelemente. Die können erst abtransportiert werden, wenn ein Endlager zur Verfügung steht. Der Standort dafür wird frühestens in den 30er Jahren bekannt sein. Der Bau dauert mindestens bis in die 50er Jahre. Das heißt, dass man für die Zwischenlager noch eine Lösung braucht. Denn die sind nur bis Mitte der 40er Jahre genehmigt.
Das Gespräch führte Peter Reinhradt.
Pressemitteilung: Stilllegungs- und Abbaugenehmigung für KKW Philippsburg 2
Quelle:
Mannheimer Morgen