Tierschutz

VG Münster untersagt ganzjährige Anbindehaltung von Rindern

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Kuhweide mit Kühen

Bei der Kontrolle eines landwirtschaftlichen Betriebs im Kreis Borken in Nordrhein-Westfalen m Mai 2018 stellte das Veterinäramt fest, dass dieser seine Kühe das gesamte Jahr über in Anbindehaltung ohne Auslauf unterbringt. Gegen die darauffolgende Anordnung, welche die ganzjährige Anbindehaltung untersagte, klagte der Landwirt.

Laut Landwirtschaftszählung des Statistischen Bundesamts wurden im Jahr 2020 in Deutschland 11,5 Millionen Rinder gehalten, circa zehn Prozent davon in Anbindehaltung, wovon knapp die Hälfte (48 Prozent) ganzjährig angebunden war. Während in Bayern noch gut jeder zweite landwirtschaftliche Betrieb seine Rinder derart hält, waren es in Baden-Württemberg 2020 etwa 17 Prozent der Milchkühe und elf Prozent der übrigen Rinder. Bei der Anbindehaltung sind Rinder an ihrem Hals an einem Platz angebunden, wodurch sich ihre Bewegungsfreiheit auf das Hinlegen und Aufstehen begrenzt. Trotz anhaltender Kritik, auch aus der Stabsstelle der Landesbeauftragten für Tierschutz, wird die Haltungsform in Deutschland nach wie vor praktiziert. „Obwohl diese Art der Haltung einer verhaltensgerechten Unterbringung zuwiderläuft, gibt es in Deutschland keine genauen Mindestanforderungen an die Haltung von erwachsenen Rindern, weshalb auch die Anbindehaltung gesetzlich bislang nicht explizit verboten ist“, erklärt die Landestierschutzbeauftragte Dr. Julia Stubenbord. Es existiert lediglich eine allgemein gehaltene Empfehlung des Europarates zur Rinderhaltung aus dem Jahr 1988. Nachdem aber nun schon verschiedene Gerichte in mehreren Eilrechtsbeschlüssen Auslauf für in Anbindehaltung gehaltene Rinder eingefordert hatten, gibt es nun eine weitere positive Meldung, so die Landestierschutzbeauftragte, denn „das Verwaltungsgericht Münster befand in einem ausführlicheren Urteil, dass die Anbindehaltung für Rinder eine massive Verhaltenseinschränkung bedeutet und bestätigte deshalb eine veterinäramtliche Anordnung, welche einem Landwirt untersagte, seine Rinder ganzjährig in Anbindehaltung zu halten.“

Bei der Kontrolle eines landwirtschaftlichen Betriebs im Kreis Borken (NRW) im Mai 2018 stellte das Veterinäramt fest, dass dieser seine Kühe das gesamte Jahr über in Anbindehaltung ohne Auslauf unterbringt. Gegen die darauffolgende Anordnung, welche die ganzjährige Anbindehaltung untersagte, klagte der Landwirt.

Mindestens zwei Stunden Auslauf täglich

In seinem Urteil vom 03.02.2022 bestätigte das Verwaltungsgericht (VG) Münster nun die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Veterinäramts, wonach der Landwirt seinen Rindern wenigstens vom 1. Juni bis zum 30. September täglich mindestens zwei Stunden Auslauf gewähren muss. Dabei berief sich das Gericht auf die niedersächsischen Tierschutzleitlinien zur Milchkuh- und Mastrinderhaltung, welche als sachverständige Gutachten dienten. Daneben zitierte das Gericht bestätigend die ebenfalls als Sachverständigengutachten anerkannte Stellungnahme der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e. V. (TVT) zur Anbindehaltung von Rindern. Stellungnahmen süddeutscher Bauernverbände gegen ein Verbot ganzjähriger Anbindehaltung, auf welche sich der klagende Landwirt berief, wies das Gericht hingegen zurück, da es sich hierbei um die Meinung einer Interessenvertretung handele.

Inhaltlich legte das Gericht dar, dass die ganzjährige Anbindehaltung im Tierschutzrecht zwar nicht ausdrücklich untersagt werde, dies allerdings nicht bedeute, dass die Haltungsform nicht verboten sei. Das Gericht befand auf Grundlage der Leitlinien, dass in „der Anbindehaltung […] nahezu alle durch Paragraph 2 Nummer 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) geschützten Grundbedürfnisse der Rinder stark eingeschränkt beziehungsweise viele der zugehörigen Verhaltensweisen nicht ausführbar [sind]“; deshalb müsse den Rindern als Ausgleich für das Bewegungsdefizit mindestens in den Sommermonaten Auslauf auf einer Weide oder ganzjährig Auslauf auf einem Laufhof ermöglicht werden. Daneben führte das Gericht die Stellungnahme der TVT zur Anbindehaltung von Rindern an, nach welcher aufgrund des starken Bewegungsdefizits davon auszugehen sei, dass die ganzjährige Anbindehaltung mit erheblichen Leiden für die Tiere verbunden sei.

Bedeutung für Veterinärämter im Land

„Das Urteil aus Münster zeigt, dass sich Veterinärämter auf Expertengutachten auch aus anderen Bundesländern berufen können, die auf wissenschaftlichen Erkenntnisse beruhen“, meint die Landestierschutzbeauftragte. Die Berufung auf die niedersächsischen Tierschutzleitlinien, welche gemäß dem Urteil bundesweit als sachverständige Gutachten Berücksichtigung finden können, hat deshalb auch Bedeutung für baden-württembergische Veterinärämter, um künftig bei ganzjähriger Anbindehaltung ein Mindestmaß an Freilauf einzufordern. „Ich würde mir wirklich wünschen, dass die Leitlinien auch bei uns in Baden-Württemberg bei der Bewertung der Anbindehaltung herangezogen werden“, so die Landestierschutzbeauftragte abschließend. 

Gegen das Urteil wurde die Zulassung der Berufung am Oberverwaltungsgericht (OLG) in NRW beantragt; die Frage wird also nun auch von einem Obergericht in einem Hauptsacheverfahren entschieden werden.

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