Corona-Forschung

Umfassende Strategie zur Überwachung und Kontrolle von Mutationen

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Theresia Bauer informiert sich im Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie

Das Land hat eine umfassende Strategie zur Überwachung und Kontrolle von Mutationen des Coronavirus aufgelegt. Um sich über die Sequenzieraktivitäten sowie den Umsetzungsstand und den Aufbau einer landesweiten Sequenzdatenbank zu informieren, besuchte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg.

Die baden-württembergische Landesregierung hat eine umfassende Strategie zur Überwachung (Surveillance) und Kontrolle von Mutationen des Coronavirus aufgelegt, die weit über die Coronavirus-Surveillance-Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums hinausgeht. Ein wesentlicher Bestandteil ist die möglichst flächendeckende Vollgenomsequenzierung von SARS-CoV-2-positiven Proben. Um sich über das Hochfahren der Sequenzieraktivitäten sowie den Umsetzungsstand und den Aufbau einer landesweiten Sequenzdatenbank zu informieren, besuchte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg. Das EMBL ist eines der großen Sequenzierzentren im Land, zu denen auch das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg sowie das DFG Sequenzierzentrum in Tübingen gehören. Begleitet wurde die Ministerin vom Rektor der Universität Heidelberg, dem Dekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg und dem Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).

„Die Sequenzierungen versprechen einen umfassenden Überblick über alle im Land kursierenden Virusvarianten, eine gezielte Eindämmung der besorgniserregenden Varianten und wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse für die Entwicklung neuer Coronavirus-Impfstoffe und COVID-19-Therapeutika“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer in Heidelberg. Dem Ziel der möglichst flächendeckenden Sequenzierung aller Positiv-Proben sei Baden-Württemberg bereits sehr nahe. „Die Sequenzierungen haben Fahrt aufgenommen. Die Probenlogistik hat sich eingespielt und die Meldewege sind eingerichtet, so dass landesweit mittlerweile über 8.000 Sequenzierungen pro Woche durchgeführt werden können. Auch die Zahlen zur Verbreitung der Virusvarianten im Land werden immer präziser“, so die Ministerin weiter. Gemeinsam überzeugten sich die Besucher von der Arbeit der „next generation sequencer“, also jener Hochdurchsatz-Sequenziergeräte, die die vielen Proben verarbeiten. „Nur die Sequenzierung liefert eindeutige Ergebnisse zu allen kursierenden Varianten und kann so zu deren Eindämmung beitragen. Außerdem haben nur die Sequenzierungen einen Mehrwert für Forschung und Entwicklung“, skizzierte Bauer den Unterschied zu Untersuchungen beispielsweise durch Target-PCR.

Forschungs- und Innovationsregion Rhein-Neckar

„Nur durch die vorbildliche Zusammenarbeit zwischen den universitären und außeruniversitären Einrichtungen in der Region ist diese Kraftanstrengung in der kurzen Zeit möglich geworden“, betonte die Ministerin. Die enge und erfolgreiche Zusammenarbeit sei ein weiterer Beleg dafür, dass die neuen Konzepte zur Schaffung eines weithin sichtbaren Leuchtturms der Gesundheits- und Lebenswissenschaften in der Region Rhein-Neckar aufgehen. „Die Allianz hat ihre Arbeit mit voller Kraft aufgenommen“, so Bauer weiter. Am Beispiel der hier durchgeführten Sequenzierungen werde auch deutlich, dass einzelne regionale Spitzencluster nicht nur der jeweiligen Region, sondern darüber hinaus dem gesamten Gesundheitsstandort Baden-Württemberg zu Gute kämen.

„Die neue Qualität liegt nicht nur in der schieren Größe der Laborkapazitäten in der Region, sondern auch in der hohen Bereitschaft aller Akteure, universitärer und außeruniversitärer, gemeinsame Konzepte für die Region und das ganze Land zu entwickeln. Dies zeugt von einem neuen Spirit, der von einer neuen Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – ausgesprochenen Teamplayern – getragen wird. Das zeichnet den Standort aus“, sagte die Ministerin. Die große Kooperationsbereitschaft der Akteure der Spitzenforschung vor Ort werde von der Landesregierung durch einen neuen Innovationscampus Gesundheit und Lebenswissenschaften mit insgesamt 40 Millionen Euro gefördert.

Zusammenarbeit entscheidend für die Wissenschaft

EMBL-Generaldirektorin Professorin Edith Heard sagte: „Die COVID-19-Pandemie hat deutlich gezeigt, wie wichtig die Wissenschaft für unsere Gesellschaft ist, und welche Rolle der schnelle und effektive Datenaustausch dabei spielt. Zusammenarbeit ist entscheidend für die Wissenschaft, und die regionale Forschungsallianz veranschaulicht welche Wirkung wir gemeinsam mit Partnern erzielen können.“ Professor Hans-Georg Kräusslich, Dekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg, sagte: „Die Verbindung von Krankenversorgung und Forschung in der Universitätsmedizin hat dazu beigetragen, in dieser Krise schnell zu wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen zu gelangen. Das Virus steht nicht still, sondern verändert sich stetig und so müssen auch wir in Kooperation mit unseren Forschungspartnern Schritt halten. Es ist entscheidend, das Corona-Virus und seine Varianten umfassend zu detektieren und deren potentielle Verbreitung zu verfolgen. Die flächendeckende Genomsequenzierung ist hierfür absolut notwendig.“

Professor Bernhard Eitel, Rektor der Universität Heidelberg führte aus: „Die Heidelberg Mannheim Health & Life Science Alliance mit einer vereinten Universitätsmedizin, einem innovativen Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk herausragender universitärer und außeruniversitärer Zentren sowie starken Partnern in der Wirtschaft setzt ein immenses Potenzial frei: Sie wird die Patientenversorgung auf ein neues Niveau heben, den Transfer von Forschungserkenntnissen in die Industrie erheblich beschleunigen, das Profil der Region nachhaltig stärken und nicht zuletzt der Politik ein Instrument in die Hand geben, die nationale und internationale Wissenschafts- und Gesundheitspolitik als Akteur mitzuprägen.“

Wichtiges medizinisches Wissen zur Eindämmung der Pandemie

Professor Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums, ergänzte: „Die Region Heidelberg-Mannheim bietet eine unvergleichliche Dichte an herausragender biomedizinscher Forschung. In der derzeitigen Ausnahmesituation der Corona-Pandemie konnten wir unter Beweis stellen, welcher Mehrwert sich erzielen lässt, wenn wir unsere Stärken noch enger vernetzen: Das innerhalb kürzester Zeit gemeinsam initiierte Projekt zur Sequenzierung Sars-CoV-positiver Proben generiert wichtiges medizinisches Wissen, um die Pandemie einzudämmen und damit die Gesundheit der Menschen in Deutschland besser zu schützen.“

„Der Innovationscampus Rhein-Neckar und die Heidelberg-Mannheim Health & Life Science Alliance haben ein enormes Potenzial, auf den Gebieten Medizin und Lebenswissenschaften eine Vorreiterrolle in Baden-Württemberg, Deutschland und Europa einzunehmen“, zeigte sich Ministerin Bauer überzeugt.

Landesweite Sequenzdatenbank zu wissenschaftlichen Zwecken

Auch der Aufbau einer landesweiten SARS-CoV-2-Sequenzdatenbank schreitet voran. „Eine derartige, für alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Land offene SARS-CoV-2-Sequenzdatensammlung gab es bis vor kurzem noch nicht“, so Bauer. Bislang hätten die virologischen Labore der Uniklinika ausschließlich mit den von ihnen sequenzierten, zahlenmäßig begrenzten Proben geforscht. „Hier erreichen wir also einen Meilenstein für die virologische Forschung – schließlich geht es darum, neue Erkenntnisse zu Virusmutationen zu erlangen, neue Impfstoffe und Therapeutika zu entwickeln.“ Gerade in der Bekämpfung der Pandemie müssten sich Forschung und Kranken­versorgung besonders eng austauschen: „Forschungsergebnisse müssen sofort in neue Therapien und auch in die epidemiologische Lagebeurteilung einfließen“, sagte die Ministerin.

An die SARS-CoV-2-Sequenzdatenbank werden zunächst das DKFZ, das EMBL, die Universitätsklinika Heidelberg, Mannheim und Tübingen, die Universität Tübingen sowie die privaten Labore der Medizinischen Versorgungszentren in Ravensburg und Ludwigsburg angeschlossen. Die Daten sollen so besser für Forschungszwecke genutzt werden können. „Wir hoffen, dass sich möglichst viele Labore anschließen und mit ihren Daten dazu beitragen, dass wir so schnell wie möglich neues Wissen erlangen im Kampf gegen diese Pandemie“, so Bauer. Die nun aufgebaute Struktur werde jetzt, aber auch in der Zukunft helfen. An den Institutionen EMBL, DKFZ und Universitätsklinikum Heidelberg wird darüber hinaus eine Cloud aufgebaut, um untereinander in Echtzeit Genomdaten zu SARS-CoV-2 austauschen und auf Mutationen hin untersuchen zu können.

Kapazität von 8.000 Sequenzierungen pro Woche

Auch eine automatische Meldung der Sequenzen ans Robert-Koch-Institut wird ermöglicht. Außerdem werden die Daten mit nationalen und internationalen Initiativen geteilt. Die Covid-19-Pandemie ist ein globales Problem, verbesserte Zusammenarbeit in der virologischen Forschung kann erheblich zu einem besseren Verständnis der fortschreitenden Verbreitung des Coronavirus beitragen. An den Sequenzierungen beteiligen sich neben dem Heidelberger Dreigestirn aus Universitätsklinikum, EMBL und DKFZ auch das Landesgesundheitsamt in Stuttgart, die Labore der Universitätsklinika in Freiburg, Mannheim und Tübingen sowie einzelne private Labore. Damit ist ausreichend Sequenzierkapazität im Land vorhanden. Alle Labore zusammen weisen aktuell eine Kapazität von über 8.000 Sequenzierungen pro Woche auf.

Das Land rechnet bei der derzeitigen Lage der Pandemie mit bis zu 10.000 positiven Proben pro Woche. Diese Proben sollen durch die Sequenzierung des vollen Genoms nicht nur auf die bislang bekannten, sondern auf alle Virusvarianten und neu auftretenden Veränderungen hin untersucht werden. Der Bund bezahlt laut der aktuellen Testverordnung die Untersuchung von fünf bis zehn Prozent der positiven Proben. Für den Rest kommt das Land auf und stellt dafür 31,5 Millionen Euro bereit. In Baden-Württemberg trat die britische Virusmutante B.1.1.7 erstmals am 24. Dezember 2020 auf. Am 11. Januar 2021 wurde auch die mutierte Variante B.1.351 bei einer Familie, die am 13. Dezember 2020 aus Südafrika nach Baden-Württemberg eingereist war, erstmals nachgewiesen. 

Nur Sequenzierung liefert eindeutige Ergebnisse zu allen kursierenden Varianten

Um einen Überblick über die Verbreitung und Dynamik der bekannten Virusvarianten zu erhalten und Varianten-Hot-Spots zu identifizieren, sind zehn Prozent Sequenzierungen völlig ausreichend. Dieser epidemiologische Ansatz erlaubt aber keine flächendeckende Identifizierung von Variantenträgern sowie deren gezielte und durch die hohe Infektiosität der Varianten notwendige verschärfte Isolation. Dies ist durch die in der neuen Landesstrategie eingeführte Target-PCR schnell und flächendeckend möglich. Die Target-PCR weist gewisse Schlüsselmutationen nach, die in mehreren Virusvarianten vorkommen. Sie kann sich nur durch weitere nachgeschaltete Target-PCRs der Bestimmung der vorliegenden Variante nähern. Target-PCRs können auch keine neuen und bis dato unbeschriebenen Mutationen nachweisen. Nur die Sequenzierung liefert eindeutige Ergebnisse zu allen kursierenden Varianten und zu neu auftretenden Veränderungen und kann so zu deren Eindämmung beitragen. Außerdem sind nur die Sequenzierungen von Mehrwert für Forschung und Entwicklung. Den Überblick über die sequenzierten Proben hat das Landesgesundheitsamt, bei dem die Informationen zusammenlaufen.

Landesgesundheitsamt: Lagebericht COVID-19 Baden-Württemberg

Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst: Mediathek – Fotos vom Besuchstermin

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