Tempo 30 in Ortschaften ist ein sehr wirksames Mittel gegen den innerörtlichen Straßenlärm. Berechnungen zeigen, dass Tempo 30 innerorts die heutige Belastung mit sehr hohen Lärmpegeln nahezu halbieren kann.
Mehr als 1,4 Millionen Menschen sind außerhalb der Ballungsräume vom Lärm der Hauptverkehrsstraßen betroffen. Damit lebt auch außerhalb der Großstädte etwa jeder sechste Mensch in Baden-Württemberg im lauten Umfeld großer Straßen. Das ergibt sich aus der aktuellen Lärmkartierung der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW). Annähernd 350.000 Menschen sind nachts gesundheitskritischen Lärmbelastungen über 55 Dezibel (A) ausgesetzt. Bei diesen Werten kann es zu Schlafstörungen, Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie kognitiven Entwicklungsstörungen bei Kindern kommen.
Staatssekretärin Elke Zimmer sagte mit Blick auf den Tag gegen Lärm am 24. April 2024: „Schon heute werden in Baden-Württemberg mehrere zehntausend Menschen durch Tempo 30 innerorts vor Lärm geschützt. Das wäre für viele weitere Städte und Gemeinden eine gute Möglichkeit, etwas für die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger zu tun. Dazu muss aber die Rechtslage geändert werden. Deshalb sollte die entsprechende Reform der Straßenverkehrsordnung endlich auf den Weg gebracht werden.“
Wachsende Mehrheit für Tempo 30 in Ortschaften
Denn Umfragen zeigen eine wachsende Mehrheit für Tempo 30 innerorts. Hat die Zustimmung zu dem Satz „Tempo 30 innerorts ist ausreichend schnell“ schon 2017 bei 52 Prozent gelegen, ist sie im Jahr 2023 schon auf 58 Prozent angestiegen. Die Ablehnung ist im gleichen Zeitraum von 48 Prozent auf 41 Prozent gefallen.
Aufbauend auf den Grundlagendaten der aktuellen Lärmkartierung der Hauptverkehrsstraßen außerhalb der Ballungsräume wurden mit dem europäischen Lärmberechnungsverfahren verschiedene Szenarien berechnet und ausgewertet.
Das größte Lärmminderungspotenzial hat der Einsatz lärmmindernder Fahrbahnbeläge. Würden diese im Bereich von Siedlungen auf allen Streckenabschnitten mit zu hohen Lärmbelastungen verbaut, ließe sich die Zahl der von gesundheitsschädlichen Lärmpegeln Betroffenen über 60 Dezibel nachts mehr als halbieren. Die Zahl der von gesundheitskritischen Lärmbelastungen Betroffenen über 55 Dezibel würde um ein Viertel gesenkt.
Auch in Geschwindigkeitsbeschränkungen steckt ein hohes Minderungspotenzial: Würde in lärmbelasteten Ortsdurchfahren Tempo 30 eingeführt, könnte die Zahl der von gesundheitsschädigenden Lärmpegeln Betroffenen um mehr als 40 Prozent reduziert werden.
Ein wesentlicher Beitrag für den Lärmschutz geht mit den Zielen der Verkehrswende einher. Der angestrebte deutliche Rückgang des Autoverkehrs durch andere Mobilitätsformen und -angebote könnte in den Städten eine Entlastung von mehr als einem Drittel gegenüber den heutigen Belastungen über 60 Dezibel (A) nachts bewirken.
Nach dem europäischen Lärmberechnungsverfahren steckt auch in der Antriebswende mit einer vollständigen Elektrifizierung des Kraftfahrzeug-Verkehrs ein erhebliches Minderungspotential: Wären bereits heute ausschließlich elektrisch betriebene Fahrzeuge in unseren Städten und Gemeinden unterwegs, würde sich die Zahl der von gesundheitsschädlichen Lärmpegeln oberhalb von 60 Dezibel betroffenen Menschen um etwa ein Viertel verringern lassen. Dabei wurde davon ausgegangen, dass das Antriebsgeräusch von Elektro-Fahrzeugen innerorts vernachlässigbar ist und im Berechnungsverfahren ausschließlich das Rollgeräusch der Fahrzeuge berücksichtigt wird.
Lärmkartierung
Die Lärmkartierung nach Paragraf 47c Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) wird alle fünf Jahre durchgeführt. Die aktuelle Kartierung erfolgte erstmals auf Grundlage europaweit harmonisierter Berechnungsverfahren. Die Ergebnisse sind daher nicht mit vorangegangenen Kartierungsrunden vergleichbar. Durch das neue Berechnungsverfahren wird unter anderem die Lärmausbreitung detaillierter modelliert und es wird ein neues statistisches Verfahren zur Ermittlung der Lärmbetroffenen angewendet. Insgesamt ergeben sich deutlich höhere Betroffenenzahlen als in den vorangegangenen Kartierungsrunden.
Die Ballungsräume mit mehr als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern (Freiburg, Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim, Pforzheim, Reutlingen, Stuttgart und Ulm) führen die Lärmkartierung eigenständig durch und waren daher nicht Teil der Szenarien-Untersuchung. Die Ergebnisse der Umgebungslärmkartierung 2022 und weitere Informationen stellt die LUBW zur Verfügung.