Die Landesregierung hat den Staatsvertrag mit dem Landesverband der Deutschen Sinti und Roma unterzeichnet. Der Vertrag ist ein Bekenntnis zur historischen Verantwortung des Landes und der gemeinsamen Zukunft. Die Laufzeit des Vertrags wurde auf 15 Jahre verlängert.
„Es ist mir wichtig, dass wir die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Landesverband der Deutschen Sinti und Roma mit einem weiteren Staatsvertrag auf rechtsverbindlicher Grundlage fortsetzen. Der heutige Staatsvertrag ist ein Bekenntnis einerseits zur historischen Verantwortung unseres Landes, aber andererseits auch zu unserer gemeinsamen Zukunft“, sagte Staatsministerin Theresa Schopper anlässlich der Vertragsunterzeichnung.
Bekenntnis zur historischen Verantwortung und zur gemeinsamen Zukunft
Der bisher geltende Staatsvertrag mit dem Landesverband der Deutschen Sinti und Roma mit einer Laufzeit von fünf Jahren laufe Ende des Jahres aus. Staatsministerin Theresa Schopper: „Mit dem Staatsvertrag von 2014 kam Baden-Württemberg erstmals umfassend der Aufgabe nach, Kultur, Tradition und Sprache der Minderheit zu schützen und zu fördern. In der Umsetzung haben wir sehr positive Erfahrungen gemacht und uns entschieden, die wesentlichen Zielsetzungen in den Bereichen Bildung, Kultur, Soziales und Gedenken sowie die Unterstützung der Integration bleibeberechtigter, nichtdeutscher Sinti und Roma im neuen Vertrag fortzuführen.“ Auch die bewährte Form der Zusammenarbeit im „Rat für die Angelegenheiten deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg“ bleibe erhalten.
Verlängerung der Vertragslaufzeit auf 15 Jahre
„Die Erfahrung der letzten fünf Jahre hat aber auch gezeigt: Wir müssen noch eine Schippe drauflegen, um nachhaltige Verbesserungen zu erzielen. Wir haben Vertrauen ineinander gewonnen. Das ist unbezahlbar. Und dieses Vertrauen wollen wir weiter stärken“, sagte Schopper. Die Laufzeit des Vertrags werde auf 15 Jahre verlängert, um beiden Seiten mehr Planungssicherheit zu geben. Der Vertrag sehe zudem eine Erhöhung der Förderung von 500.000 Euro auf 700.000 Euro im Jahr 2019 und 721.000 Euro im Jahr 2020 vor. Von 2021 bis 2033 werde die Summe mit zwei Prozent dynamisiert.
Stärkere Unterstützung auf dem Bildungsweg
„Vor allem für die Bereiche Bildung und Kulturförderung wollen wir eine stärkere Unterstützung bereitstellen, um junge Sinti und Roma auf ihrem Bildungsweg stärker unterstützen zu können“, betonte Staatsministerin Theresa Schopper. Eine Bildungsstudie des Landesverbandes habe deutlich gezeigt, dass der schulische und berufliche Ausbildungsgrad der Sinti und Roma in Deutschland unterdurchschnittlich sei.
„Mit dem neuen Staatsvertrag haben wir die Möglichkeit, gleichberechtigte Teilhabe für Sinti und Roma auf Dauer in der Gesellschaft zu verfestigen, Institutionen weiter zu sensibilisieren und junge Sinti und Roma zu fördern. Wir widmen uns auch der Erforschung der eigenen Geschichte und Kultur und werden beispielsweise Romanes-Sprachkurse aufbauen. Die Übersetzung des Staatsvertrags auf Romanes ist für uns ein Zeichen, dass die Kultur der Sinti und Roma gewürdigt wird“, sagte der Vorsitzende des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg Daniel Strauß anlässlich der Vertragsunterzeichnung in Stuttgart.
Peter Maffay, der mit seiner Stiftung in Rumänien aktiv ist, sagte: „Eine Demokratie muss sich stets daran messen lassen, wie sie mit Minderheiten umgeht. Die Neuauflage des Staatsvertrags mit den Sinti und Roma und die deutliche Aufstockung der finanziellen Mittel zeigen, dass der Schutz ethnischer Minderheiten in Baden-Württemberg einen hohen Stellenwert genießt. Ich finde es besonders begrüßenswert, dass im Bereich der Bildung junger Roma und Sinti zukünftig noch mehr getan wird. Bildung ist und bleibt der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben in sozialer Sicherheit und persönlicher Freiheit.“
Kultur und Sprache der Minderheit fördern
„Wir wollen zudem den Beitrag der Minderheit zur kulturellen Vielfalt im Land stärken. Es ist immer noch zu wenig über die Kultur und kulturelle Leistung der Sinti und Roma bekannt“, unterstrich Staatsministerin Schopper. Ziel sei es, Kultur und Sprache der Minderheit zu fördern, Engagement für Kultur und Gesellschaft zu ehren, oder auch Vorbilder sichtbar zu machen. „Wer weiß denn schon, dass Charlie Chaplin und Picasso Roma waren und Anna Netrebko von russischen Roma abstammt? Auch Marianne Rosenberg ist eine deutsche Sinti und Tochter eines Überlebenden des nationalsozialistischen Völkermordes“, so Schopper. Daher sollen eine Geschichtswerkstatt und verstärkt Sprachkurse in Romanes angeboten werden.
Der Vertrag werde – wie schon vor fünf Jahren – als Zustimmungsgesetz durch den Landtag beschlossen, um die besondere historische und politische Verantwortung zu würdigen. „Gerne würde ich behaupten, wir hätten es bei Antisemitismus, Antiziganismus und Rassismus nur mit historischen Phänomenen zu tun. Aber ich sehe mit Sorge, dass die Diskriminierung von Roma nicht überwunden ist und dass sie sogar in etablierten Demokratien wieder geschürt wird“, betonte Staatsministerin Theresa Schopper.
Sinti und Roma in Deutschland
Die baden-württembergischen Sinti und Roma sind anerkannte nationale Minderheit in Deutschland und genießen den Schutz und die Anerkennung des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten und der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen. Nach diesen ist es die Aufgabe des jeweiligen Landes, geeignete Bedingungen zu schaffen, die es den auf ihrem Gebiet lebenden nationalen Minderheiten ermöglichen, ihre Kultur und Sprache zu erhalten sowie ihre Identität zu wahren.
Der Rat für die Angelegenheiten der deutschen Sinti und Roma ist ein Gremium, welches mit Vertreterinnen und Vertretern der deutschen Sinti und Roma in Baden-Württemberg sowie der Ministerien, mit Abgeordneten des Landtags sowie einem Vertreter der Kommunalen Landesverbände besetzt ist. Es soll die Zusammenarbeit zwischen der Minderheit der Sinti und Roma und dem Land stärken.
Bildungsstudie des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma
Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg