Geschichte

Erste Zahlungen im Programm „Geraubte Kinder im Südwesten“

Florian Hassler
Staatssekretär Florian Hassler

Die Landesregierung zieht eine erste positive Zwischenbilanz zum Programm „Geraubte Kinder im Südwesten“. Betroffene sollen ein Zeichen der Anteilnahme von Seiten des Landes erhalten. Nun konnten erste Zahlungen geleistet werden.

Die Landesregierung hat im Dezember 2022 mit Aufruf über die Presse das Programm „Geraubte Kinder im Südwesten“ aufgelegt. Nun konnten erste Zahlungen an Personen geleistet werden, die während der NS-Diktatur als Kinder oder Säuglinge von den Nationalsozialisten im Rahmen ihrer Rassenpolitik in den besetzten Gebieten, vor allem in Ost- und Südosteuropa, geraubt worden waren und einen räumlichen Bezug zum heutigen Baden-Württemberg haben. „Ich bin sehr froh, dass wir uns des Themas haben annehmen können, sich Personen gemeldet haben und wir in ersten Fällen haben auszahlen können“, betonte Staatssekretär Florian Hassler. Sowohl die Landesregierung als auch der Petitionsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg betrachten ein Aufwiegen des durch die Gräueltaten des NS-Regimes erlittenen Unrechts mit finanziellen Mitteln jedoch als nicht möglich.

„Wichtig ist uns insbesondere, hinzuhören und die persönlichen Schicksale zu würdigen, wahrzunehmen und zu dokumentieren. Die Betroffenen sollen ein Zeichen der Anteilnahme von Seiten des Landes erhalten.“
Staatssekretär Florian Hassler

„Das Programm ist ein spätes Zeichen der Anerkennung. Die Zahlung kann jedoch nicht mehr als eine symbolische Geste sein – wenn auch eine wichtige“, so Staatssekretär Hassler. Eine Wiedergutmachung des von der NS-Diktatur begangenen Unrechts sei Sache des Bundes. Dennoch habe sich das Land Baden-Württemberg entschieden, in den Fällen, in denen während des Zweiten Weltkrieges in den von Deutschland besetzten Gebieten zum Zwecke der Germanisierung geraubte Kinder in das Staatsgebiet des heutigen Baden-Württemberg gebracht wurden, eine symbolische Entschädigung zu leisten. Staatssekretär Hassler: „Wichtig ist uns insbesondere, hinzuhören und die persönlichen Schicksale zu würdigen, wahrzunehmen und zu dokumentieren. Die Betroffenen sollen ein Zeichen der Anteilnahme von Seiten des Landes erhalten.“

Symbolische Geste, die der Petitionsausschuss mit angestoßen hat

Angestoßen wurde das Thema durch das langjährige Engagement des Vereins „Geraubte Kinder – Vergessene Opfer e. V.“, der unter anderem eine Petition an den Landtag von Baden-Württemberg gerichtet hatte. „Der Petitionsausschuss kam zu der Auffassung, dass hier geholfen werden muss, und schlug dem Landtag einstimmig vor, die Petition zur Erwägung an die Regierung zu überweisen“, berichtete Thomas Marwein, Vorsitzender des Petitionsausschusses. Der Landtag folgte dieser Beschlussempfehlung. „Ich freue mich sehr darüber, dass das Programm, das der Petitionsausschuss mit angestoßen hat, so gut angenommen wird.“

Beim Staatsministerium gingen bislang 13 Anträge ein. Fünf Personen konnten im Rahmen des Programms berücksichtigt werden und erhielten eine Einmalzahlung in Höhe von 5.000 Euro. Abgelehnt werden mussten acht Anträge, die das Landesprogramm ausdrücklich nicht ansprechen konnte, weil beispielsweise der Baden-Württemberg-Bezug fehlte oder andere Kriterien nicht erfüllt waren. Das Programm bleibt geöffnet und bietet weiterhin die Möglichkeit, unter geraubtekinder@stm.bwl.de Anträge einzureichen: „Viele Personen haben erst sehr spät von ihrer Herkunft erfahren, viele Fragen bleiben unbeantwortet, viele Identitäten immer noch ungeklärt“, so Staatssekretär Hassler.

Sechsköpfige Fachkommission

Zur Durchführung des Programms hat das Staatsministerium eine sechsköpfige Fachkommission berufen. Mitglieder sind neben Vertretern der Landeszentrale für politische Bildung und des Finanz- und Staatsministeriums auch die spezialisierten Historikerinnen und Historiker Professorin Dr. Isabel Heinemann (Universität Bayreuth), Dr. Dorothee Neumaier (Fernuniversität Hagen) und Dr. Dr. Georg Lilienthal (ehemaliger Leiter der Gedenkstätte Hadamar). Die Kommission hat mehrmals getagt und unabhängig voneinander die Materialien und vorliegenden Anträge geprüft. Teilweise wurden auch ergänzende Archivalien angefordert, gesichtet und eigene Recherchen angestellt, zum Beispiel in Archiven. Die Quellenlage hat sich in einzelnen Fällen sehr unterschiedlich dargestellt. Das Ziel der bestmöglichen Klärung und Dokumentation der Sachlage, hat sich nicht immer erreichen lassen und nicht alle Fällen ließen sich lückenlos aufklären.

„Geraubte Kinder“

In den Jahren ab 1942 wählten Rasseexperten der SS im Auftrag des Reichsführers Heinrich Himmler vor allem in den besetzten mittel- und osteuropäischen Gebieten Kinder nach „rassischen“ Kriterien zur Zwangseindeutschung aus. Viele Kinder wurden ihren Familien aus dem heutigen Polen oder Slowenien geraubt, leben zum Teil bis heute, ohne abschließende Aufklärung der Umstände ihrer Verschleppung, in Deutschland oder wurden erst Jahre später in ihre Heimat repatriiert. Der SS-Verein Lebensborn übernahm die Betreuung der Kinder. Sie wurden nach eingehenden Untersuchungen in das Deutsche Reich gebracht und meist linientreuen Familien zur Adoption gegeben. Man zwang sie, Deutsch zu lernen. Papiere und Herkunftsdokumente wurden oftmals gefälscht und vernichtet. Die Eltern und Familien wurden nicht selten umgebracht oder in Konzentrationslager gebracht. Als Opfergruppe der Nationalsozialisten wurden die geraubten Kinder außergewöhnlich spät anerkannt, zahlreiche haben von ihrer Herkunft erst spät oder gar nicht erfahren. Eine gesetzliche Wiedergutmachung gab es nicht.

Derzeit wird von rund 50.000 Kindern ausgegangen, die geraubt und zwangsgermanisiert wurden, manche gehen aber auch von einer weit höheren Anzahl an betroffenen Kindern aus. Wie viele Kinder damals nach Baden-Württemberg gebracht wurden beziehungsweise heute noch in Baden-Württemberg leben, ist nicht bekannt.

Weitere Meldungen

Arbeiter bauen Präzisions-Klimasysteme zusammen, die für die Lithographie-Abteilung in der Chip Produktion eingesetzt werden (Bild: © dpa).
  • Arbeitsmarkt

Arbeitsmarkt bleibt trotz schwacher Konjunktur stabil

Feuerwehrfahrzeug (Foto: dpa)
  • Feuerwehr

Landesjugend­feuerwehrtag 2024

Eine Pflegerin im Gespräch mit einem alten Mann.
  • Pflege

Fünf Millionen Euro gegen Personalmangel in der Pflege

Der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen (links) begrüßt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (rechts).
  • Auslandsreise

Kretschmann auf Delegationsreise in Wien

Plan eines Stadtgebiets, das farblich in unterschiedliche Bereiche eingeteilt wird
  • Wärmewende

Kommunen bei Wärmeplanung unterstützt

Rettungsassistenten laufen mit den Rettungsrucksäcken zu einem Einsatz. (Foto: © dpa)
  • Bevölkerungsschutz

Übergabe von neun Fahrzeugen an den Bevölkerungsschutz

Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut
  • Wirtschaft

Dialogreihe mit Spitzenunter­nehmerinnen fortgesetzt

Staatssekretär Dr. Patrick Rapp
  • Delegationsreise

Wirtschaftsdelegation reist nach Frankreich

Zum 1. Juli 2024 übergibt Udo Götze, Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales, den Vorsitz im Verwaltungsrat der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL) an Reiner Moser, Amtschef im Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg.
  • Glücksspiel

Land übernimmt Vorsitz der Glücksspielbehörde

Traktor auf dem Feld
  • Landwirtschaft

Erleichterungen für GAP-Förderung beschlossen

Das Logo des LEA-Mittelstandspreises für soziale Verantwortung.
  • Wirtschaft und Gesellschaft

Mittelstandspreis für soziale Verantwortung 2024 verliehen

Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei seiner Rede
  • Wohnen und Bauen

Strategiedialog Wohnen und Bauen läuft auf Hochtouren

Gruppenfoto (von links nach rechts): Der Erste Bürgermeister der Stadt Freiburg, Ulrich von Kirchbach, Minister Manne Lucha, die Vertreterin der Stadt Ulm, Sarah Waschler, der Landrat des Ostalbkreises, Dr. Joachim Bläse, und der Erste Landesbeamte des Landkreises Calw, Dr. Frank Wiehe, halten gemeinsam eine große Karte mit den Motiv der Ehrenamtskarte Baden-Württemberg in die Kamera.
  • Bürgerengagement

Erprobung der Ehrenamtskarte läuft erfolgreich

Ein Mann mit einem Smartphone in der Hand sitzt an einem Tisch vor einem Laptop.
  • Digitalisierung

Wohnsitzanmeldung auch digital möglich

Die Europafahne weht auf dem Dach der Villa Reitzenstein, dem Amtssitz des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg.
  • Wahlen

Endgültiges Ergebnis der Europawahl 2024

Visualisierung Neubau des Transfer Hub for Innovation in Society an der Pädago-gischen Hochschule Schwäbisch Gmünd
  • Bauen

Neubau eines Forschungszentrums in Schwäbisch Gmünd

Wasser läuft aus einem Wasserhahn in ein Glas. (Foto: © dpa)
  • Wasserversorgung

Land fördert Neubau des Hochbehälters Langäcker

Ministerin Nicole Razavi bei der Verleihung des Staatspreises Baukultur 2024
  • Baukultur

Staatspreis Baukultur 2024 verliehen

Auswärtige Kabinettssitzung im Neuen Schloss in Meersburg
  • Landesregierung

Bericht aus dem Kabinett vom 25. Juni 2024

Logo der Landesstrategie Bioökonomie Baden-Württemberg
  • Bioökonomie

Fortschreibung der Bio­ökonomiestrategie beschlossen

  • Heimattage

Vergabe der Heimattage für die Jahre 2027 bis 2029

von links nach rechts: Georg Graf Waldersee von Unicef Deutschland, Christine Langen, Ministerin der Justiz und für Migration Marion Gentges und Oberbürgermeister Jörg Lutz
  • Auszeichnung

Bundesverdienstmedaille für Christine Langen

Gruppenfoto aller Preisträger des Jugendbildungspreises DeinDing 2024 auf der Bühne des Stuttgarter Jugendhauses Cann
  • Jugendliche

Jugendbildungspreis „DeinDing 2024“ verliehen

Ein Mann dreht einen Joint mit Marihuana. (Foto: dpa)
  • Verwaltung

Zuständigkeiten bei Cannabisgesetz geregelt

Menschen gehen auf einem Uferweg am Bodensee spazieren.
  • Tourismus

Land fördert Tourismusinfrastruktur