Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes zur gemeinsamen Holzvermarktung gegen das Land Baden-Württemberg vollumfänglich bestätigt. Die Landesregierung prüft das weitere Vorgehen.
„Heute hat, nach langem Warten, das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) eine Entscheidung im Kartellrechtsverfahren zur gemeinsamen Holzvermarktung durch das Land Baden-Württemberg gefällt. In diesem Urteil wurde die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes gegen das Land Baden-Württemberg vollumfänglich bestätigt. Die Entscheidung, mit der das Oberlandesgericht ein wertvolles und funktionierendes System zerschlagen will, überzeugt in keiner Weise und wird deshalb von uns auch keinesfalls akzeptiert“, sagte Forstminister Peter Hauk, im Nachgang zur Verkündung des Urteils durch das Oberlandesgericht im Kartellrechtsverfahren zur gemeinsamen Holzvermarktung durch das Land Baden-Württemberg.
Das Land Baden-Württemberg hatte beim Oberlandesgericht Düsseldorf 2015 gegen eine Entscheidung des Bundeskartellamtes Beschwerde eingelegt, die massive Auswirkungen auf die Holzvermarktung und die aktuellen Forststrukturen im Land hat. Diese Sichtweise des Bundeskartellamtes wurde durch das Gericht nun vollumfänglich bestätigt.
„Der Einsatz des Landes und das große Engagement vieler forstlicher Akteure zur Erhaltung des Einheitsforstamtes haben in dieser gerichtlichen Instanz nicht zum Erfolg geführt. Mit der heutigen Entscheidung stünde das Einheitsforstamt baden-württembergischer Prägung vor dem Aus. Deshalb werde ich dem Kabinett eine letztinstanzliche Klärung vorschlagen“, erklärte der Minister.
Erklärung des Oberlandesgerichts Düsseldorf
Das Oberlandesgericht Düsseldorf erklärt in seiner heutigen Pressemitteilung: „Das Land Baden-Württemberg handle sowohl beim gebündelten Verkauf von Rundholz aus nichtstaatlichen Wäldern als auch durch die Übernahme von Dienstleistun-gen für andere Waldbesitzer als Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne und verfälsche den freien Wettbewerb beim Verkauf von Rundholz. Zwar habe der Bundesgesetzgeber durch die Änderung des § 46 Abs. 1 des Bundeswaldgesetzes (BWaldG) den Verkauf von Holz und die Erbringung von forstwirtschaftlichen Dienstleistungen vom Anwendungsbereich des § 1 GWB ausgenommen, so dass kein Verstoß gegen deutsches Kartellrecht vorliege. Eine entsprechende Regelungskompetenz für das europäische Kartellverbot habe die Bundesrepublik jedoch nicht. Gemäß Art. 103 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV) sei ausschließlich der Rat der Europäischen Union befugt, den Anwendungsbereich des Kartellverbots zu beschränken. Die vom Bundesgesetzgeber neu eingeführte Regelung des § 46 Abs. 2 BWaldG sei deshalb europarechtswidrig und nicht zu beachten.“
Sicht des Landes
„Diese Sichtweise ist absolut nicht nachvollziehbar und kann nicht akzeptiert werden. Der Bundesgesetzgeber hat die Vereinbarkeit des Bundeswaldgesetztes mit geltendem europäischen Recht geprüft und bejaht. Mit seinem Urteil setzt sich das Oberlandesgericht Düsseldorf über den Willen des Bundesgesetzgebers hinweg“, so der Minister.
Aus Sicht des Landes seien die fachlich fundierten Argumente Baden-Württembergs nicht gebührend berücksichtigt worden. „Die hohe Bedeutung des Waldes für die Daseinsvorsorge und die Gesellschaft wurde vollkommen ignoriert“, so Hauk.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf habe dem Erfolgsprinzip „Standardsicherung bei der Waldpflege in allen Waldbesitzarten durch die partnerschaftliche Betreuung der Förster vor Ort“ eine Absage erteilt und setze stattdessen auf staatliche Überwachung und vor allem hoheitliche Maßnahmen. „Damit widerspricht die Entscheidung des Gerichts sowohl den Bedürfnissen vieler Waldbesitzer im Land als auch der Auffassung von Bundesrat und Bundestag. Der Bundesgesetzgeber hat erst kürzlich das Bundeswaldgesetz geändert, um die Bedeutung des Waldes zu stärken und den Landesforstverwaltungen eine kartellrechtliche Absicherung für die Betreuungsangebote im gesamten Kommunal- und Privatwald zu garantieren“, betonte Peter Hauk.
Der Wald, seine Bewirtschaftung und seine vielfältigen Wirkungen für die Bevölkerung seien vom Oberlandesgericht ausschließlich nach wirtschaftlichen Aspekten bewertet worden. „Dies greift meiner Auffassung nach viel zu kurz und degradiert den Wald zur Holzfabrik“, sagte Minister Hauk.
Das Land habe im Gerichtsverfahren umfangreiche Gegenargumente und Gutachten vorgelegt. Von ihrem sehr einseitigen Blick auf den Wald habe sich weder das Bundeskartellamt noch das Oberlandesgericht Düsseldorf während des gesamten Verfahrens befreien können. „Würden unsere Wälder nur nach streng wirtschaftlichen Kriterien bewirtschaftet, sähen sie ganz anders aus und könnten vielen Bedürfnissen der Bevölkerung und der im Wald lebenden Tier- und Pflanzenarten gar nicht gerecht werden“, so Hauk.
Der Urteilsspruch treffe das Land aber nicht unvorbereitet. „Im Rahmen einer interministeriellen Arbeitsgruppe hat Baden-Württemberg bereits Alternativen für die Forstorganisation im Land geprüft. Das Ministerium hat sich zusätzlich durch den Landesforstwirtschaftsrat beraten lassen und führte vier Regionalkonferenzen mit forstlichen Betriebsgemeinschaften durch, um alle Belange und Interessenten in die Diskussion einzubinden. Wir sind gründlich vorbereitet“, so Minister Hauk.
Grundsätzlich bestehe die Möglichkeit, die Entscheidung des Oberlandesgerichts zu akzeptieren oder Rechtsbeschwerde bei der nächsten Instanz, in diesem Fall dem Bundesgerichtshof einzulegen. Gleichzeitig müsse geprüft werden, welche organisatorische Änderungen an der Forstorganisation vorgenommen werden, um insbesondere das Schadensersatzrisiko für das Land zu vermindern. Für die weitere gerichtliche Auseinandersetzung muss mit einer Dauer von mehreren Jahren gerechnet werden.
Vorlauf des Kartellrechtsverfahrens
Das aktuelle Kartellrechtsverfahren geht zurück auf eine Beschwerde der Sägeindustrie aus dem Jahr 2002. Beanstandet wurde eine monopolartige Stellung durch den gemeinsamen Holzverkauf aus allen Waldbesitzarten durch die damalige Landesforstverwaltung Baden-Württembergs. Dieses erste Verfahren wurde im Jahr 2008 mit einer Verpflichtungszusage des Landes dem Bundeskartellamt gegenüber abgeschlossen. Die darin vereinbarten Maßnahmen wurden seitens des Landes umgesetzt. Dennoch nahm das Bundeskartellamt im Jahr 2012 unter anderem auf Veranlassung der Säge- und Holzindustrie das Verfahren gegen das Land Baden-Württemberg zum gemeinschaftlichen Holzverkauf erneut auf.
Im Zuge dieser Ermittlungen bezog das Bundeskartellamt neben dem Holzverkauf immer weitere Teile der forstlichen Betreuungstätigkeiten im Körperschafts- und Privatwald ein und forderte eine konsequente strukturelle Trennung der Holzvermarktung zwischen dem Staatswald einerseits und dem Körperschafts- und Privatwald andererseits, mehr Eigenverantwortlichkeit für die Waldbesitzer und mehr Wettbewerb im Bereich der Kommunal- und Privatwaldbetreuung sowie kostendeckende Entgelte für forstliche Dienstleistungen öffentlicher Anbieter.
Der Versuch, die Ermittlungen durch eine weitere Verpflichtungszusage seitens des Landes auf dem Verhandlungswege zu befrieden, scheiterte im Herbst 2014. Das Bundeskartellamt stimmte zwar den Inhalten der Verpflichtungszusage zu, widerlegte diese aber gleichzeitig in seiner umfassenden Begründung. Das Land nahm daraufhin seine Verpflichtungszusage zurück.
In der Folge erließ das Bundeskartellamt im Juli 2015 eine Untersagungsverfügung gegen das Land Baden-Württemberg, in welcher dem Land der gemeinsame Holzverkauf von Staatswaldholz und Holz aus dem Kommunal- und Privatwald mit einer Betriebsgröße von über 100 Hektar untersagt wurde. Auch das Holzanweisen, das heißt die Markierung der Bäume, die im Zuge von Holzfällungen entnommen werden sollen, darf nicht durch das gleiche Personal im Staats- und im Nicht-Staatswald erfolgen. Damit wurde neben dem Holzverkauf die gesamte Betreuung des Kommunal- und des Privatwaldes, wie sie in Baden-Württemberg durch die sogenannte Einheitsforstverwaltung gewährleistet ist, in Frage gestellt und es drohte eine vollkommene Neuorganisation des Forstwesens.
Dem Land blieb daher keine andere Möglichkeit für eine rechtssichere Klärung des Sachverhalts als die Einlegung der Rechtsbeschwerde vor dem zuständigen Oberlandesgericht Düsseldorf. Nach zwei mündlichen Verhandlungen zeichnete sich ab, dass das OLG Düsseldorf der Auffassung des Bundeskartellamtes weitgehend folgen würde. Auch eine zwischenzeitlich erfolgte Änderung des Bundeswaldgesetzes, die die Erhaltung und kartellrechtliche Absicherung der Betreuungsangebote der Landesforstverwaltungen im gesamten Bundesgebiet zum Gegenstand hatte, hat das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung nicht beeinflussen können.
Von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf sind im Land 1,076 waldbesitzende Kommunen mit einer Fläche von 550.000 Hektar und circa 230.000 private Waldbesitzer mit einer Fläche von 493.000 Hektar betroffen, für die sich nun bei der forstlichen Betreuung ihres Waldbesitzes erhebliche Änderungen ergeben können.