Das Bürgerforum Corona hat zum Thema „Impfungen – wie viel Druck ist legitim?“ diskutiert. Im Gespräch mit unterschiedlichen Experten unterhielt sich das Bürgerforum über ein schwieriges Thema, das nicht nur juristische, sondern auch ethische Aspekte betrifft.
Das Bürgerforum Corona hat sich in seiner elften Sitzung am Donnerstag, 21. Oktober 2021, mit dem Thema „Impfungen – wie viel Druck ist legitim?“ beschäftigt. Staatsrätin Barbara Bosch betonte: „Wir reden über ein schwieriges Thema: Wie weit kann der Staat gehen, um die Bevölkerung zu schützen? Wo beginnen persönliche Eigenverantwortung und persönliche Entscheidungsfreiheit – und wo enden sie? Das sind nicht nur juristische Fragen, sondern auch ethische.“
Welche Maßnahmen das Land Baden-Württemberg ergriffen hat, um die Impfquote zu erhöhen und welche Gründe einige Menschen anführen, die sich noch nicht haben impfen lassen, berichteten der Amtschef des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration, Prof. Dr. Uwe Lahl, und die Leiterin der Taskforce Impfen, Katja Schnell. Prof. Dr. Uwe Lahl sagte: „Die Impfung ist unser wichtigstes Mittel im Kampf gegen die Pandemie. Die Impfstoffe haben ordentliche Zulassungsverfahren durchlaufen und sind sicher.“ Es werde keine allgemeine Impfpflicht geben, das sei schon allein rechtlich nicht möglich. „Deshalb bleibt die Impfung eine freie Entscheidung, die jedoch für den Einzelnen immer Konsequenzen hat. Denn der Staat hat gleichzeitig die Pflicht, das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu bewahren und auch all diejenigen zu schützen, die sich nicht impfen lassen können.“ Das seien derzeit vor allem Kinder unter zwölf Jahren und Menschen mit Vorerkrankungen.
Viele Nicht-Geimpfte auf den Intensivstationen
„Und auch Nicht-Geimpfte profitieren letztlich davon, wenn auch für sie im Ernstfall noch ein freies Bett auf der Intensivstation vorhanden ist“, so Lahl. So werden derzeit fast ausschließlich nicht-geimpfte Menschen auf den Intensivstationen mit einem schweren Verlauf behandelt. „Deshalb müssen Einschränkungen in erster Linie bei jenen Menschen ansetzen, die maßgeblich zur Verschärfung der Lage in den Krankenhäusern beitragen“, betonte Prof. Dr. Uwe Lahl.
Auch Prof. Dr. Dr. Ortwin Renn, Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam, betonte in seinem Vortrag zu „Krisen und gesellschaftliche Antworten darauf“: „Im Sinne des Schutzes für alle, die (noch) nicht geimpft werden können (vor allem Kinder) und den besonders anfälligen älteren und vorerkrankten Menschen, ist eine hohe Impfrate essentiell. Für diejenigen, die sich ohne medizinischen Grund nicht impfen lassen wollen, müssen alle Barrieren zur Impfung abgebaut, aber auch Beschränkungen für die Teilhabe am öffentlichen Leben eingeführt werden. Mit diesen Konsequenzen müssen sie leben.“
Impfen als individuelle Entscheidung
Der Kinder- und Jugendarzt und Vorstand im Verein Ärzte für individuelle Impfentscheidung e.V., Dr. Stefan Schmidt-Troschke, wirbt für individuelle Impfentscheidungen: „Wir müssen die Bedrohung durch das Corona-Virus neu einordnen und ins Verhältnis setzen zu dem vielen anderen, was unsere Gesundheit stärkt und/oder bedroht. Dabei müssen wir uns vor allem ehrlich machen und alles in Betracht ziehen, auch die Ausgestaltung der Maßnahmen selber, die sich gegen das Virus richten. Die Impfung von Kindern zum Beispiel könnte einen kontraproduktiven Effekt haben“, so Schmidt-Troschke.
Silke Hansen, Gewerkschaftssekretärin ver.di Baden-Württemberg, berichtete aus Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, insbesondere im Gesundheits- und Sozialbereich: „Ver.di befürwortet das Impfen. Das funktioniert am besten, wenn die Menschen überzeugt sind und erreicht werden. Im Gesundheits- und Sozialwesen ist eine hohe Impfquote erreicht.“ Im Gesundheitswesen liege eine hohe Verantwortung beim Arbeitgeber, so Hansen. „Die Beschäftigten müssen vor Gefährdungen der Gesundheit, auch vor Infektionen, am Arbeitsplatz geschützt werden. Und zwar mit Arbeitsschutzmaßnahmen und Gefährdungsbeurteilung des einzelnen Arbeitsplatzes.“
Ausführliche Diskussion über das Thema Impfpflicht
Wie auch bei den bisherigen Sitzungen des Bürgerforums Corona, erarbeiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach den einführenden Vorträgen der Referentinnen und Referenten eigene Positionen rund um das Schwerpunktthema Impfen. So setzten sie sich mit der Frage auseinander, ob es fair ist, dass Ungeimpfte von bestimmten Bereichen des öffentlichen und Berufs-Lebens ausgeschlossen sind. Sie diskutierten in welchen Bereichen sie eine Impfpflicht für akzeptabel halten und welche Argumente für und gegen eine allgemeine Impflicht gegen das Corona-Virus sprechen.
Staatsrätin Bosch zeigte sich abschließend erfreut über die Diskussionen im Bürgerforum: „Das Bürgerforum lebt von einem liberalen Geist. Auch dieses Mal gab es wieder, wie geplant, sehr kontroverse Vorträge. Und auch dieses Mal diskutierten die Zufallsbürger sehr sachlich, um- und weitsichtig. Das belegt für mich: Unsere Bürgerinnen und Bürger können auch bei heißen Eisen gut einbezogen werden. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Landesregierung die Leistung und das Engagement der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Bürgerforum würdigt und sich mit den Empfehlungen befasst.“
In der kommenden Sitzung am 18. November 2021 wird sich das Bürgerforum mit dem Thema „Lehren aus der Pandemie“ beschäftigen.
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