Die Studie „Unterwegs zur inklusiven Schule“ der Bertelsmann-Stiftung stellt dem Land in Sachen Inklusion ein schlechtes Zeugnis aus. Aus Sicht des Kultusministeriums greift die Studie mit dem Kriterium „Exklusionsquote“ jedoch zu kurz, da sie die qualitativen Anstrengungen bei der Inklusion verkenne. Außerdem lasse die Studie die in Baden-Württemberg erfolgreichen kooperativen Klassen außen vor.
In dem heute veröffentlichten Bericht „Unterwegs zur inklusiven Schule“ konzentriert sich die Bertelsmann Stiftung auf eine so genannte „Exklusionsquote“, die laut Studienmacher den Anteil der Schüler mit Förderbedarf angebe, die „separiert in Förderschulen unterrichtet“ würden. Dazu nimmt das Kultusministerium Stellung:
Die „Exklusionsquote“ als einzigen Indikator für die Beantwortung der Frage zu wählen, ob und inwieweit Kindern mit Behinderung der Zugang zu den allgemeinen Schulen ermöglicht wurde, greift aus baden-württembergischer Sicht zu kurz: „Diese Sichtweise lässt sämtliche Anstrengungen seitens der Lehrkräfte, der Schulen und der Schulverwaltung, Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf individuell zu einem ihren Voraussetzungen entsprechenden Bildungsabschluss zu verhelfen, außer Acht. Die Quote alleine kann nicht der entscheidende Indikator für den Erfolg der Inklusion sein“, sagt eine Sprecherin. Entscheidend sei vielmehr, die individuellen Bedürfnisse und Ansprüche des Kindes und seiner Eltern mit den Angeboten und Möglichkeiten des Schulsystems in Einklang zu bringen.
Baden-Württemberg setzt auf Wahlfreiheit der Eltern
Ausgehend von der „Exklusionsquote“ folgern die Autoren, dass sich Baden-Württemberg, neben Bayern und Rheinland-Pfalz, von den in der UN-Konvention formulierten Zielen entfernt hätte – Bremen hingegen sei ein Leuchtturm der Inklusion. „Diese Logik ist bemerkenswert. Denn bei der Inklusion sollte es nicht um Quoten gehen, sondern um die Frage, an welchem Lernort die jeweilige Schülerin oder der jeweilige Schüler ihre oder seine Potenziale am besten entfalten kann“, sagt die Sprecherin. Spezifische Bildungsangebote für Schüler mit einem festgestellten Förderanspruch werden von den Eltern der Kinder nachgefragt, weil sie mit den besonderen Möglichkeiten dieser Schulen ein hohes Maß an Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und Selbständigkeit erreichen.
Mit der Änderung des Schulgesetzes zum Schuljahr 2015/16 wurde den Eltern eine Wahlmöglichkeit gegeben. Eltern entscheiden, ob ihr Kind eine allgemeine Schule oder ein sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) besuchen soll. „Damit drücken die Ergebnisse des Berichts letztlich auch die Entscheidungen der Eltern aus, die es aus unserer Sicht zu respektieren gilt“, so die Sprecherin.
Darüber hinaus haben in Baden-Württemberg kooperative Organisationsformen (früher: Außenklassen) ein lange Tradition. „Diese Organisationsform steht inklusiven Bildungsangeboten qualitativ in nichts nach und wird von allen Beteiligten sehr geschätzt. Doch dies wird im Bericht ausgeblendet, da kooperative Klassen von der Statistik der Kultusministerkonferenz (KMK) nicht erfasst werden“, so die Sprecherin. Im Schuljahr 2016/17 gab es mehr als 620 kooperative Klassen. Insgesamt besuchten über 3.230 Schülerinnen und Schüler eines SBBZ ein solches Bildungsangebot und lernten mit Schülerinnen und Schülern einer festen Partnerklasse an einer allgemeinen Schule.
In Baden-Württemberg stehen drei Organisationsformen gleichwertig nebeneinander: inklusive Bildungsangebote an allgemeinen Schulen, kooperative Organisationsformen und die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren.
Inklusion ist Bestandteil der Lehrerausbildung
In der Lehrerausbildung und der Lehrerfortbildung hat das Land auf die neuen Anforderungen reagiert: Angehende Lehrerinnen und Lehrer aller Lehrämter lernen bereits an der Ausbildung die wissenschaftlichen und schulpraktischen Grundlagen der Inklusion kennen. Für bereits unterrichtende Lehrkräfte hat das Land entsprechende Fortbildungsangebote geschaffen. Darüber hinaus stehen den Lehrkräften der Schulen an jedem Staatlichen Schulamt Praxisbegleiterinnen und Praxisbegleiter für alle Schularten zur Fortbildung und Unterstützung zur Verfügung.
Zu den vorrangigen Aufgaben der kommenden Jahre gehört weiterhin, zusätzliche sonderpädagogische Lehrkräfte zu gewinnen. Für den Ausbau der Inklusion geht die baden-württembergische Landesregierung von 2015/16 bis 2022/2013 von einem Mehrbedarf von insgesamt 1.353 Lehrerstellen aus. Baden-Württemberg hat davon jeweils 200 neue Stellen in den Schuljahren 2015/16 und 2016/17 geschaffen. In den Schuljahren 2017/18 und 2018/19 sind jeweils weitere 160 Stellen hinzugekommen. Das Land hat die Studienanfängerkapazitäten in der Sonderpädagogik an den Pädagogischen Hochschulen erhöht sowie weitere Maßnahme zur Qualifizierung von Lehrkräften allgemeiner Schulen zu sonderpädagogischen Lehrkräften unternommen.