Das Land hat den ersten Bericht zur Anwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel vorgestellt. Pflanzenschutz verlangt eine hohe Fachkompetenz, welche die Bäuerinnen und Bauern täglich beweisen.
„Erstmals hat Baden-Württemberg einen Bericht zur Anwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel im Land vorgelegt. Im Rahmen des Biodiversitätsstärkungsgesetzes ist das Ziel der Landesregierung bis 2030 die Anwendung um 40 bis 50 Prozent zu senken. Dazu werden wir einen Ausgangspunkt beziehungsweise eine ‚Baseline‘ festlegen, auf Grund derer wir sehen können, wie sich die Anwendungen über einen längeren Zeitraum entwickelt“, sagte Minister Peter Hauk anlässlich der Vorstellung des ersten Berichtes zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln in Baden-Württemberg.
Das Land zählt, gemessen am Produktionswert der landwirtschaftlichen Erzeugung, zu den vier größten Agrarproduzenten in Deutschland. Mit den Sonderkulturen wie Obst, Gemüse, Hopfen und Reben wird sogar eine Spitzenstellung in Deutschland bezogen. Eine starke regionale Produktion mit hochwertigen Lebensmitteln schont den Flächenbedarf für die Nutzpflanzenproduktion weltweit und reduziert Importe, die zudem das Klima belasten.
Leitbild integrierter Pflanzenschutz
Zur Erzeugung gesunder Lebensmittel und Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung ist ein Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln notwendig. „Der Pflanzenschutz ist dabei umfassender zu sehen, als die bloße Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Leitbild für die Betriebe ist der integrierte Pflanzenschutz, mit vorbeugenden Maßnahmen wie Fruchtfolgegestaltung, Sortenwahl und Bodenbearbeitung“, betonte Hauk.
Der integrierte Pflanzenschutz verlangt große Fachkompetenz. Umfassende Fachinformationen und Entscheidungshilfen sind notwendig, um eine umweltschonende Bewirtschaftung zu ermöglichen. „Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist immer die letzte Möglichkeit und wird auf das unabdingbar notwendige Maß reduziert“, sagte der Minister.
Basis des nun vorgestellten ersten Pflanzenschutzmittelberichts sind Marktforschungsdaten und weitere Statistiken. „Aus diesen Daten haben wir die vorläufige ‚Baseline‘ in Höhe von 1.900 Tonnen chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittelwirkstoffe pro Jahr als Mittelwert mehrerer Jahre hergeleitet, da das für die Datenerhebung vorgesehene Betriebsmessnetz noch nicht vollständig aufgebaut und nutzbar ist. Dies soll bis zum nächsten Frühjahr 2022 erfolgen und in die weitere Berichterstattung einfließen“, sagte der Minister. Die Analyse in dieser Differenziertheit sei die Voraussetzung dafür, dass bei der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln an den richtigen Stellen angesetzt werden könne. Hierzu gehören beispielsweise die Ausweitung des Ökolandbaus, ein besserer Wissenstransfer durch ein Demobetriebsnetz und schließlich Fortschritte in der Züchtung und der Entwicklung neuer nicht chemischer Verfahren im Pflanzenschutz.
Chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel bis 2030 um 40 bis 50 Prozent reduzieren
Die Reduktion chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel in Baden-Württemberg ist ein Prozess, der Schritt für Schritt bis 2030 erreicht werden soll. Dabei spielt der Ausbau des ökologischen Landbaus ebenso eine große Rolle wie die Etablierung neuer, innovativer Pflanzenschutzverfahren. Risiken in Sachen Zielerreichung werden der Klimawandel und das mögliche Auftreten neuer Schaderreger und Krankheiten sein, die bei der schrittweisen Zielerreichung immer mit einbezogen werden müssen. Ebenso müssen Jahre mit extrem nasser Witterung wie zum Beispiel das Jahr 2021 mit einem extrem hohen Pflanzenschutzmittelaufwand zur Bekämpfung von Pilzkrankheiten in allen Kulturen berücksichtigt werden. Gemäß Biodiversitätsstärkungsgesetz ist im Jahr 2023 eine erste umfassende Evaluierung der Maßnahmen vorgesehen.
Ergänzt wurde der Bericht um einen zweiten Berichtsteil zu „Strategien der Gesunderhaltung von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen im ökologischen Anbau“, der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Anbau Baden-Württemberg e. V.. In dieser Anbauform werden keine chemisch-synthetischen, sondern nur in einigen Kulturen Pflanzenschutzmittel angewendet, die auf einer anerkannten Positivliste der Europäischen Union (EU) stehen.
Bericht umfasst viele Bereiche
Der Bericht bezieht alle Bereiche ein, neben der Landwirtschaft auch Forst, Verkehrswege, öffentliches Grün und die Haus- und Kleingärten.
Insgesamt werden anhand von Erhebungen, Ableitungen und vereinfachten Schätzungen als mehrjähriger Durchschnittswert rund 1.900 Tonnen Pflanzenschutzmittelwirkstoffe jährlich im Land ausgebracht.
Dabei handelt es sich, wie schon erwähnt, um eine vorläufige “Baseline“. Eine Reduktion um 40 bis 50 Prozent bis 2030 bedeutet einen Rückgang auf rund 1.000 bis 1.100 Tonnen pro Jahr.
In der Landwirtschaft werden von den 1.900 Tonnen circa 98 Prozent angewendet. Hierbei stehen die Herbizide 52 Prozent an der Spitze, gefolgt von den Fungiziden mit 47 Prozent. Die Insektizide machen unter 1 Prozent aus und die Akarizidmenge ist zu vernachlässigen.
Große Reduktion durch Wegfall von Glyphosat
Ein jetzt schon grob abschätzbares Reduktionspotential von 145 Tonnen besteht im Wegfall von Glyphosat ab 2024, der ab 2022 verbotenen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in Naturschutzgebieten sowie dem Wegfall der chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel im Haus- und Kleingarten und im Forst. Weiter wird die beabsichtigte Ausweitung des ökologischen Landbaus wesentlich zur Reduktion beitragen.
Auf den integriert bewirtschafteten Flächen wird mit Hilfe der 36 Demobetriebe der Wissenstransfer und die Informationsvermittlung in die Praxis voraussichtlich deutlich zur Pflanzenschutzmittelreduktion beitragen.
Von der Einführung der Maßnahmen des integrierten Pflanzenschutzes plus (IPSplus) in Landschaftsschutzgebieten, Natura 2000-Gebieten und weiteren Schutzgebieten sind weitere Reduktionspotentiale zu erwarten.
Neue nicht-chemische Verfahren in Forschung
Durch angewandte Forschung und Entwicklung der landwirtschaftlichen Landesanstalten und weiteren Forschungseinrichtungen werden wir neue nicht-chemische Verfahren bereitstellen. Dazu gehören zum Beispiel:
- pilzwiderstandsfähigen Sorten im Wein-, Obst- und Getreidebau, welche die Anzahl der Fungizidbehandlungen beträchtlich senken
- neue digitale Techniken zur mechanischen Unkrautbekämpfung müssen sich weiter in der Praxis verbreiten
- Prognosemodelle müssen durch Forschung zur Epidemiologie und laufende Validierung in der Praxis weiterentwickelt und treffsicherer gemacht werden
- mittelfristig zuverlässigere Wettervorhersagen
Baden-Württemberg nutzt intensiv die Fördermöglichkeiten der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), um ab 2023 den Ökolandbau weiter auszubauen und Agrarumweltmaßnahmen anzubieten, die den Pflanzenschutzmitteleinsatz reduzieren, zum Beispiel neue Fördermaßnahmen im Bereich Herbizidverzicht.
Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz: Umweltverträglicher Pflanzenbau