Das Land hat die wertvolle „Sammlung Gallinek“ für das Badische Landesmuseum erworben. Die Objekte, welche zuvor als nationalsozialistisches Raubgut an die Erben restituiert wurden, sollen am „Internationalen Tag der Provenienzforschung” der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Dem Land Baden-Württemberg ist es gelungen, die Sammlung Gallinek dauerhaft für das Badische Landesmuseum zu sichern. Die Sammlung des 1865 in Breslau geborenen und 1940 in Baden-Baden verstorbenen jüdischen Kunstsammlers Dr. Ernst Gallinek besteht aus 466 historischen Porzellanobjekten, Portraitminiaturen und Tapisserien. Das Land hat diese im Jahr 2020 als nationalsozialistisches (NS) Raubgut an die rechtmäßigen Erben restituiert; die Sammlung befand sich seitdem als Dauerleihgabe im Museum. Am „Internationalen Tag der Provenienzforschung” wird die Sammlung nun der Öffentlichkeit vorgestellt.
„Der Ankauf ist ein Glücksfall für das Land, da es sich um eine außergewöhnliche und besonders wertvolle Sammlung handelt”, sagte Kunststaatssekretärin Petra Olschowski bei der Präsentation in Karlsruhe. Der Erwerb der Sammlung erfolgte mit Mitteln der landeseigenen Museumsstiftung Baden-Württemberg in Höhe von 1,5 Millionen Euro und der Kulturstiftung der Länder in Höhe von 300.000 Euro.
Präzise Erforschung der Geschichte
Grundlage für die Restitution und für den anschließenden Ankauf war die präzise Erforschung der Geschichte der Sammlung. „Provenienzforschung ist für uns eine kulturpolitische Aufgabe von höchster Priorität wie auch eine ethische Verpflichtung: Die Landesregierung ist sich ihrer historischen Verantwortung bewusst, Kulturgüter, die den Verfolgten des Naziregimes entzogen worden sind, zu ermitteln und zurückzugeben. Wenn es – wie in diesem Fall – gelingt, Objekte rechtmäßig von den Erben zu erweben, ist dies von ganz besonderer Bedeutung”, betonte Petra Olschowski.
Bereits seit Ende 2009 beschäftigt das Land drei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Bereich der Provenienzforschung an der Staatsgalerie Stuttgart, am Badischen Landesmuseum und an der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe. Dadurch konnte eine deutliche Professionalisierung der einschlägigen Forschung in Baden-Württemberg erreicht und zahlreiche Provenienzen aufgeklärt werden. Mit der Verstetigung der Stellen im Jahr 2015 war Baden-Württemberg bundesweit das erste Land, das Dauerstellen für die Provenienzforschung eingerichtet hat.
„Die Sammlung Dr. Ernst Gallinek ist ein seltenes Zeugnis der Tätigkeit von privaten Sammlern der Zwischenkriegszeit. Kaum eine dieser Sammlungen ist in ihrer Gesamtheit erhalten. An ihrem Beispiel, die eng mit der Geschichte des Badischen Landesmuseums verknüpft ist, lässt sich auch beispielhaft die Geschichte NS-verfolgungsbedingt entzogener Kunst und die Rolle der deutschen Behörden und Museen seinerzeit erzählen. Wir freuen uns, mit unserer Förderung den Ankauf von 14 einzigartigen Objekten zu ermöglichen”, sagte Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder.
Sammlung wird dauerhaft im digitalen Katalog präsentiert
„Nach der Restitution der Sammlung Gallinek, ist es nun ein großer Erfolg, dass die Sammlung als Konvolut im Museum verbleiben kann. Damit bewahrt das Land Baden-Württemberg ein wichtiges kulturelles Erbe für das Museum. Es war uns ein großes Anliegen, die Sammlung als Ganzes zu übernehmen, um an den Sammler und an das ihm und seiner Familie angetane Unrecht zu erinnern. Wir werden dafür Sorge tragen, die Provenienzgeschichte der Sammlung Gallinek auch in die Zukunft transparent darzustellen”, so Prof. Dr. Eckart Köhne, Direktor des Badischen Landesmuseums.
Die Porzellanobjekte der Sammlung Gallinek wurden digitalisiert und sind im Digitalen Katalog des Badischen Landesmuseums öffentlich zugänglich. Auch auf der landeskundlichen Informationsseite LEO-BW sowie in der Deutschen Digitalen Bibliothek und in Europeana können die Objekte künftig eingesehen werden. Die wissenschaftliche, dokumentarische und digitale Bearbeitung der Sammlung fördert das baden-württembergische Kunstministerium mit Sondermitteln in Höhe von 65.000 Euro.
Dr. Ernst Gallinek wurde 1865 in Breslau geboren und zog 1935 nach Baden-Baden, wo er im Juli 1940 unverheiratet und kinderlos verstarb. Bereits kurz nach seinem Tod wurde staatlicherseits darauf hingewirkt, dessen Sammlung unentgeltlich dem Badischen Landesmuseum zuzuschlagen. Die Sammlung gelangte daher nicht in das Eigentum der von Dr. Gallinek in seinem Testament bestimmten Erben. Sie wurde 1941 in staatlichen Besitz genommen und zunächst zum Schutz vor Kriegseinwirkung in das Neue Schloss in Baden-Baden verbracht. Im November 1953 wurde die Sammlung dem Badischen Landesmuseum zur treuhänderischen Verwaltung übergeben.
Das Badische Landesmuseum hatte die Sammlung Gallinek 2008 als NS-Raubgut identifiziert und in die Datenbank Lost Art eingestellt. Daraufhin meldeten sich ab August 2010 verschiedene Anspruchsteller beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, unter denen allerdings strittig war, wer tatsächlich Erbe von Dr. Gallinek ist. Nach der gerichtlichen Klärung wurde die Sammlung 2020 an die Erben und rechtmäßigen Eigentümer nach Ernst Gallinek restituiert.
Die Sammlung umfasst Geschirr, Vasen und figürliches Porzellan sowie einige Fayencen aus über 20 überwiegend deutschen Manufakturen. Der Schwerpunkt liegt beim Rokoko-Porzellan des 18. Jahrhunderts. Fast 40 Prozent der Stücke sind aus Meißener Porzellan. Dazu kommen einige herausragende ostasiatische Porzellane, Portraitminiaturen des frühen 19. Jahrhunderts sowie drei großformatige, flämische Tapisserien mit figürlichen Darstellungen.
Die Sammlung Gallinek ist ein einzigartiges Beispiel für das bürgerliche Sammeln in den 1920er bis 1930er Jahren in Deutschland. Sie ist kulturhistorisch von großer Bedeutung, da es sich um eine der wenigen, wenn nicht die einzige erhaltene Vorkriegssammlung eines wohlhabenden deutsch-jüdischen Bürgers handelt. Die Zerstörung dieser Sammlerkultur in der NS-Zeit sowie der direkte Bezug zur Geschichte des Badischen Landesmuseums werfen ein Schlaglicht auf die Enteignungspraxis staatlicher Stellen während des Nationalsozialismus und auf die aktive Beteiligung der Museen daran.
Im Vordergrund der Provenienzforschung der kulturbewahrenden Einrichtungen des Landes steht stets die Frage, ob sich in den dortigen Beständen und Sammlungen Kulturgüter befinden, die während des Dritten Reiches beschlagnahmt, entwendet oder sonst verfolgungsbedingt entzogen wurden.
Dank der an den drei Häusern – der Staatsgalerie Stuttgart, dem Badischen Landesmuseum und der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe – dauerhaft eingerichteten Stellen für Provenienzforschung konnten eine deutliche Professionalisierung der einschlägigen Forschung in Baden-Württemberg erreicht und zahlreiche Provenienzen aufgeklärt werden. Soweit von einem NS-verfolgungsbedingten Entzug auszugehen war, hat das Land die betroffenen Kulturgüter stets umgehend restituiert oder – wie im vorliegenden Fall – zu einem angemessenen Preis erworben.