Die Gesundheitsämter werden zukünftig positiv auf das Coronavirus getestete Personen nicht mehr routinemäßig kontaktieren. Weiterhin gilt jedoch die Absonderungspflicht, die von den Behörden kontrolliert wird. Damit werden die Ressourcen stärker für den Schutz der vulnerablen Gruppen gebündelt.
Die Gesundheitsämter in Baden-Württemberg konzentrieren sich künftig noch stärker auf größere Ausbruchsgeschehen und den Schutz vulnerabler Gruppen, beispielsweise in Alten- und Pflegeheimen. Das bedeutet, dass ab sofort positiv auf das Coronavirus getestete Personen nicht mehr routinemäßig von den Gesundheitsämtern kontaktiert werden. Nichtsdestotrotz gilt für sie die entsprechende Absonderungspflicht, die auch weiterhin von den Behörden kontrolliert wird.
Weiterhin Kontrolle durch die Ortspolizeibehörden
„Oberstes Ziel ist es, Ausbruchsgeschehen einzudämmen und den Schutz vulnerabler Personengruppen sicher zu stellen“, so der Amtschef des SozialministeriumsProf. Dr. Uwe Lahl. „Die Ermittlung von Fällen und Kontaktpersonen muss daher dort gewährleistet werden, wo Personen besonders gefährdet sind, wie beispielsweise in Altenheimen und Pflegeeinrichtungen“.
Auch mit Blick auf die Belastung der Gesundheitsämter, die neben dem Infektionsschutz noch weitere Aufgaben haben, ist diese Fokussierung beim Fall- und Kontaktpersonenmanagements erforderlich. Das bedeutet, dass – bis auf größere Ausbruchssituationen und Infektionsgeschehen in vulnerablen Gruppen – positiv getestete Personen und enge Kontaktpersonen nicht mehr routinemäßig von den Gesundheitsämtern kontaktiert werden. „Die Pflicht zur Einhaltung der geltenden rechtlichen Regelungen bleibt aber bestehen, es erfolgt weiterhin eine Kontrolle durch die Ortspolizeibehörden. Wichtig ist zudem die Einhaltung der AHA+L-Regeln (Abstand, Hygieneregeln, Alltag mit Maske und Lüften)“, betont Amtschef Lahl abschließend.
Empfehlungen und rechtliche Regelungen
- Personen mit Symptomen einer akuten Atemwegsinfektion sollten sich auf eine Infektion mit dem Coronavirus testen lassen. Da derzeit ebenso viele andere Erreger kursieren, kommen auch andere Ursachen in Betracht. Kostenfreie Testmöglichkeiten für Personen mit Corona-Symptomen sind bei derKassenärztlichen Vereinigung zu finden.
- Personen mit einem positiven Antigen-Schnelltest oder PCR-Test müssen sich in häusliche Absonderung begeben. Diese beträgt in der Regel 14 Tage. Informationen finden Sie in den Antworten auf häufige Fragen zur Corona-Verordnung Absonderung oder bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Wer keine Symptome hat und geimpft ist, kann sich nach fünf Tagen per PCR-Test freitesten und dann die Absonderung beenden, wenn das Ergebnis negativ ist.
- Ungeimpfte Haushaltsangehörige von positiv getesteten Personen müssen ebenfalls für zehn Tage in Absonderung. Diese kann vorzeitig beendet werden
- durch einen negativen PCR-Test ab Tag 5 der Absonderung, für Schülerinnen und Schüler und regelmäßig getestete Kita-Kinder genügt ein Antigen-Schnelltest,
- durch einen negativen Antigen-Schnelltest ab Tag 7 der Absonderung.
- Personen, die Kontakt zu einer positiv getesteten Person hatten, sollten Kontakte weitestgehend reduzieren und beim Auftreten von Symptomen ärztlichen Rat einholen und sich testen lassen.
- Einrichtungen in denen vulnerable Personen betreut werden, sollen sich beim Auftreten von Corona-Fällen mit dem zuständigen Gesundheitsamt in Verbindung zu setzen.
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Fragen und Antworten zum Fall- und Kontaktpersonenmanagement
Bislang war es Aufgabe der Ämter, herauszufinden, wem eine coronapositive Person begegnet ist oder wen sie getroffen haben könnte. Denn Kontaktpersonen mussten unter Umständen in Quarantäne. Gesundheitsämter griffen dazu beispielsweise auf die Kundendaten von Restaurants, Kinos oder Theatern zurück und telefonierten diejenigen Leute ab, die zum selben Zeitpunkt wie die infizierte Person dort waren.
Mit der Zahl der Erkrankten schnellte auch die Masse der Kontakte nach oben. Die Gesundheitsämter erhielten Unterstützung, auch die Bundeswehr half aus. Aber zum einen stießen die Ämter zunehmend auf Geimpfte oder Genesene, die sie gar nicht mehr in Quarantäne schicken können. Zum anderen war das Ermitteln eines Kontaktes ungemein zeitraubend. Viele konnten nicht mehr zeitnah gefunden und informiert werden, teilweise dauerte es mehrere Tage, bis das Telefon klingelte, in vielen Fällen blieb es ganz still. Außerdem kamen etliche Aufgaben der Gesundheitsämter zu kurz, die Trinkwasserüberwachung etwa oder Einschulungsuntersuchungen.
Das Land zieht sich aus der Nachverfolgung weitgehend zurück. Im Behördendeutsch heißt es dann, das „individuelle Fallmanagement“ werde eingestellt. Gesundheitsämter sollen sich stärker auf den Schutz von Risikogruppen zum Beispiel in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern sowie Kitas und Schulen konzentrieren und auf das Management von größeren Ausbrüchen. Oberstes Ziel ist es, Ausbruchsgeschehen einzudämmen und den Schutz vulnerabler Personengruppen sicherzustellen. Die meisten Infizierten sind daher aufgerufen, ihre Kontakte der vergangenen Tage selbst über die Ansteckung und die Quarantäne zu informieren, sofern diese nicht geimpft oder genesen sind.
Da baut das Land jetzt auf Verständnis und Eigenverantwortung. Denn in den meisten Fällen müssen Erkrankte das Informieren jetzt selbst und freiwillig übernehmen. Das Gesundheitsamt kümmert sich künftig nur noch in einzelnen Fällen, den sogenannten vulnerablen Gruppen, darum oder ruft an, wenn es größere Ausbrüche gibt oder diese befürchtet werden. Allerdings fallen ja zahlreiche Geimpfte und Genesene bereits heraus. Es ist aufgrund der zunehmenden Durchimpfung der Bevölkerung davon auszugehen, dass der überwiegende Anteil der Kontaktpersonen geimpft ist. Geimpfte Kontaktpersonen müssen nicht in Quarantäne.
In vielen Kinos oder Restaurants gilt für Besucherinnen und Besucher bereits die 2G-Regel. Sollte die Alarmstufe in den kommenden ein oder zwei Wochen in Kraft treten, ist das sogar vorgeschrieben. Besucher*innen und Kontakte von dort sind also geimpft oder genesen. Das Sozialministerium verlässt sich zudem darauf, dass man seine Kontakte an gemeinsamen Abenden meist besser kennt.
Einen positiven Test sollte man unbedingt auch über die Corona-Warn-App melden, so dass auch fremde Personen, neben denen man etwa im Zug gesessen hat, gewarnt werden.
Das Land will die Corona-Warn-App ebenso behalten wie die Luca-App. Beides seien ergänzende Bausteine im Kampf gegen die Pandemie wenn es darum gehe, zum Beispiel ein Superspreader-Ereignis durch ein Gesundheitsamt zu untersuchen. Außerdem mache die Corona-Warn-App darauf aufmerksam, wenn man sich in der Nähe eines Infizierten
aufgehalten hat.
Nein, keineswegs. In Hamburg zum Beispiel und in einigen anderen Bundesländern müssen Corona-Infizierte ihre Kontakte außerhalb von vulnerablen Gruppen bereits selbst informieren. Ermöglicht wird das durch eine Richtlinie des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Kontaktnachverfolgung, in der eine Fokussierung auf Situationen mit hohem Übertragungspotenzial empfohlen wird.
Bei vielen ist Erleichterung zu spüren, im wahrsten Sinne des Wortes. „Es war höchste Zeit, hier etwas zu tun“, sagt der Biberacher Landrat Heiko Schmid. Alexis von Komorowski, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags, lobt die „große Vor- und Umsicht des Landes“. Es sei ein wichtiges Signal, dass das Land die Gesundheitsämter bereits im nächsten Haushalt personell massiv stärken werde.
Auch Brigitte Joggerst, die Chefin des Gesundheitsamtes beim Landratsamt Enzkreis, zeigt Verständnis: „Die Nachverfolgung bindet sehr viel Zeit und Personal und verliert, je später sie erfolgt, zunehmend ihre Wirksamkeit im Kampf gegen die Pandemie“, sagt sie. Joggerst appelliert “dringend an die Eigenverantwortlichkeit der Betroffenen“, sich nach einem positiven Test auch zurückzuziehen.
Quelle:
Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration / dpa (FAQ)