Zum Weltalphabetisierungstag 2021 erhält die Abendakademie Mannheim das Alpha-Siegel. Es bestätigt, dass die Abendakademie eine gute Kommunikation mit gering literalisierten Erwachsenen aufgebaut hat und diese Personen fördert. Mit umfassenden neuen Ansätzen wird die Alphabetisierung und Grundbildung im Land vorangebracht.
Am Weltalphabetisierungstag wird Staatssekretär Volker Schebesta am 8. September das in Baden-Württemberg neu eingeführte Alpha-Siegel an die Abendakademie Mannheim verleihen. Das Siegel ist ein neuer Ansatz des Kultusministeriums in der Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener. Es bestätigt Einrichtungen jeder Art, egal ob Jobcenter, Stadtverwaltung oder Unternehmen, dass sie eine gute Kommunikation mit gering literalisierten Erwachsenen aufgebaut haben und diese Personen fördern. Das Alpha-Siegel soll als sichtbares Zeichen am Gebäude oder auf der Website darauf hinweisen, dass hier Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner bereitstehen, die sich besonders gut auf Personen, die nicht ausreichend lesen und schreiben können, eingestellt haben. „Ich freue mich, dass die Abendakademie Mannheim als eine der größten Volkshochschulen im Land kurz nach der Einführung des Alpha-Siegels bereits die zweite Trägerin ist. Die Verleihung unterstreicht die gute Arbeit, die die Abendakademie in der Grundbildung leistet“, erklärt Schebesta.
Das Alpha-Siegel weist an der Abendakademie künftig darauf hin, dass hier Zugangshürden für gering literalisierte Erwachsene beseitigt wurden. Zur Verbreitung des Siegels will das Kultusministerium auch den Landesbeirat für Alphabetisierung und Grundbildung Baden-Württemberg (PDF) einbinden und den 32 Mitgliedsverbänden und Einrichtungen eine Übernahme vorschlagen. Das Alpha-Siegel stammt ursprünglich aus Berlin, es wurde vom dortigen Grundbildungszentrum initiiert und erfolgreich verbreitet. Baden-Württemberg hat es als bisher einziges Bundesland in einer Kooperation übernommen. Wenn eine Einrichtung das Alpha-Siegel erhalten möchte, prüft die Fachstelle für Grundbildung und Alphabetisierung Baden-Württemberg, ob die Einrichtung den Kriterien entspricht.
Neue digitale Lernangebote für Alphabetisierung und Grundbildung
Als zweiten neuen Ansatz lässt das Kultusministerium neue digitale Lernangebote in der Alphabetisierung und Grundbildung entwickeln und erproben. Im Rahmen der ressortübergreifenden Weiterbildungsoffensive der Landesregierung WEITER.mit.BILDUNG@BW (PDF) werden Grundbildung und Alphabetisierung strategisch und wissenschaftlich fundiert verknüpft. Dazu hat das Kultusministerium einen Forschungs- und Entwicklungsauftrag an das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung Nürnberg (f-bb) vergeben. Dieses soll Lehr- und Lernmodule für eine integrierte und gemeinsame Förderung der digitalen Grundbildung und der Alphabetisierung in den Kursen entwickeln.
Diese Module werden bis Ende 2022 in enger Zusammenarbeit mit den Grundbildungszentren und Standorten der Bildungsjahr für erwachsene Flüchtlinge mit keinen oder geringen Fähigkeiten im Lesen und Schreiben(BEF)-Alpha-Kurse entwickelt. Gering literalisierte Erwachsene werden so künftig sowohl im Lesen, Schreiben und Rechnen als auch in der Anwendung digitaler Medien geschult. Dazu fördert das Kultusministerium die bestehenden acht Grundbildungszentren (GBZ) zusätzlich. „Angesichts der vielfältigen Anforderungen durch die Digitalisierung insbesondere für geringqualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen wir Erwerbstätige nicht allein im Lesen und Schreiben, sondern auch in der digitalen Grundbildung fortbilden. Die neuen Lehr- und Lernmodule sind deshalb ein zeitgemäßer Impuls, von dem die Kurse enorm profitieren werden“, erklärt der Staatssekretär.
Neue Ausschreibung für Grundbildungszentren
Einen dritten Ansatz verfolgt das Kultusministerium mit einer neuen Ausschreibung für Grundbildungszentren und Kurse sowie für eine Fortführung der Fachstelle für Grundbildung und Alphabetisierung. Von 2022 bis 2027 stehen für die Förderung der Alphabetisierung und Grundbildung im Rahmen des Europäischen Sozialfonds (ESF) insgesamt 4,5 Millionen Euro bereit. Diese Ausschreibung für zunächst drei Jahre stellt angesichts der bisherigen Erfahrungen neue Anforderungen an die GBZ. Verlangt wird neben digitalen Pilotprojekten nun auch der verstärkte Aufbau eines Netzwerks auf lokaler Ebene. Dazu sollen Kooperationen mit Partnern aus Wirtschaft und Gesellschaft abgeschlossen werden, die Berührungspunkte zu gering literalisierten Erwachsenen aufweisen.
Möglich sind solche Vereinbarungen etwa mit Stadtbibliotheken, sozialen Einrichtungen, Jobcentern, Arbeitsagenturen, Mehrgenerationenhäusern, Tafelläden oder Einrichtungen im Gesundheitsbereich. Zudem sollen die Grundbildungszentren Menschen mit Grundbildungsbedarf in Lerncafés oder Quartierszentren niederschwellig ansprechen. Thematisch stehen dabei neben der Alphabetisierung und Grundbildung auch die Digitalisierung sowie die Demokratiebildung im Blickpunkt.
700.000 Menschen im Land gering literalisiert
6,2 Millionen Erwachsene in Deutschland zählen als gering literalisierte Menschen, in Baden-Württemberg rechnet man etwa 700.000 Personen dazu. Sie haben erhebliche Probleme im Lesen, Schreiben, Rechnen und in der Grundbildung allgemein. Rund 80 Prozent von ihnen sind erwerbstätig oder arbeitslos, circa 50 Prozent haben Deutsch als Erstsprache gelernt. Die digitale Transformation der Wirtschaft stellt sie vor allem am Arbeitsplatz vor zusätzliche Probleme. Das Kultusministerium fördert deshalb seit 2019 Grundbildungszentren und Kurse in Baden-Württemberg, um die Menschen niederschwellig anzusprechen und vor Ort Netzwerke aufzubauen.
Die baden-württembergische Landesregierung hat im Februar 2021 unter dem Titel WEITER.mit.BILDUNG@BW eine ressortübergreifende Weiterbildungsoffensive beschlossen. Das Kultusministerium, das Wirtschaftsministerium und das Wissenschaftsministerium werden dabei unter einem gemeinsamen Dach die berufsbezogene und allgemeine Weiterbildung im Land bündeln, nachhaltig stärken und zukunftssicher aufstellen. Dafür investiert das Land in den Jahren 2021 bis 2024 insgesamt 40 Millionen Euro. Eine Million Euro wird für die Grundbildung bereitgestellt.