Das Wirtschaftsministerium fördert sechs Verbundforschungsprojekte zum Quantencomputing mit über 19 Millionen Euro. Quantentechnologien bieten enorme Chancen für Wirtschaft und Wissenschaft.
Mit über 19 Millionen Euro fördert das Wirtschaftsministerium für eine Dauer von zwei Jahren sechs Verbundforschungsprojekte zum Quantencomputing. Die Projektideen wurden in Zusammenarbeit mit der Fraunhofer-Gesellschaft im Rahmen eines Förderaufrufs des „Kompetenzzentrums Quantencomputing Baden-Württemberg“ eingereicht.
Enorme Chancen für Wirtschaft und Wissenschaft
„Quantentechnologien bieten enorme Chancen für unsere Wirtschaft. Die Vorhaben sind ein wichtiger Baustein, um das bestehende Ökosystem zu dieser Zukunftstechnologie aus Hochschulen, Forschungsinstituten, Start-ups und Unternehmen in Baden-Württemberg weiter zu stärken. Damit erhöhen wir auch die internationale Sichtbarkeit des Landes als führende Region für quantentechnologische Innovationen“, sagte Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut.
„Mit den ausgewählten Verbundprojekten binden wir zahlreiche Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft aktiv in die Arbeit des Kompetenzzentrums ein und erforschen die Innovationspotenziale des Quantencomputings für vielfältige wirtschaftliche und wissenschaftliche Anwendungen“, so die Ministerin weiter. In den Vorhaben arbeiten Forscherinnen und Forscher aus insgesamt sechs Fraunhofer-Instituten gemeinsam mit 16 weiteren Universitäts-, Hochschul- und außeruniversitären Instituten des Landes sowie rund 40 assoziierten Unternehmenspartnern aus Baden-Württemberg und Deutschland zusammen. So sollen unter Nutzung von Quantencomputing-Ressourcen des Kompetenzzentrums Forschung und Entwicklungsarbeiten in verschiedenen Themenstellungen vorangetrieben werden.
Anwendungsorientierte Forschung im Fokus
Bei den von der Fraunhofer-Gesellschaft koordinierten Vorhaben handelt es sich um vorwettbewerbliche und kooperative Forschungsarbeiten mit dem Ziel, Erkenntnisse der Forschung aus dem Gebiet der Quantentechnologien im Hinblick auf eine praktische Anwendung weiterzuentwickeln und für die Wirtschaft nutzbar zu machen. Dabei steht besonders die anwendungsorientierte Erforschung und Entwicklung von Algorithmen und Architekturen von Quantencomputern im Fokus. Herzstück für die Berechnungen von Quantenalgorithmen wird der neue IBM Quantencomputer in Ehningen sein, der exklusiv dem bundesweiten Fraunhofer Kompetenznetzwerk für eine Nutzung zur Verfügung steht. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF in Freiburg ist in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart mit der administrativen Koordination des Kompetenzzentrums in Baden-Württemberg betraut.
In den sechs Verbundforschungsprojekten werden sowohl neuartige Lösungsansätze für Hard- und Software für das Quantencomputing als auch eine große Bandbreite von Anwendungen untersucht. Die Forschungsschwerpunkte reichen von neuen Simulationsansätzen für Materialien in künftigen Energiespeichern über die Optimierung von Anlageportfolios im Finanzwesen sowie die Steuerung hocheffizienter Betriebsprozesse in der industriellen Produktion bis hin zur Verbesserung von Stabilitätsparametern in kritischen Infrastrukturen der Energieversorgung.
Die geförderten Projekte in der Übersicht:
Das Verbundprojekt QC-4-BW verfolgt das Ziel, eine völlig neuartige Generation von Spin-basierten Quantenregistern zu entwickeln und einen Vergleich der Leistungsdaten von Spin-basierten mit supraleitenden Qubit-Technologien für den Einsatz in anwendungsrelevanten Quantencomputern zu ermöglichen. Spin-basierte Quantenregister sind die Verkopplung mehrerer durch das magnetische Moment einzelner Elektronen dargestellter quantenmechanischer Basissysteme (QuBits), mit einem integrierten Speicher für quantenmechanische Zustände.
Das Schlüsselelement des Quantenregisters ist ein optisch adressierbares Farbzentrum (sogenannte Stickstoff-Vakanz-Zentren beziehungsweise NV-Zentren) in Diamantkristallen. Im Rahmen des Vorhabens soll ein zehn Qubit Quantenregister entwickelt werden, das sich dadurch auszeichnet, als einziges bisher realisiertes Register auch über einen zusätzlichen integrierten, langlebigen Quantenspeicher zu verfügen.
Die Projektpartner:
- Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF, Freiburg
- Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT, Pfinztal
- Karlsruher Institut für Technologie, Physikalisches Institut
- Karlsruher Institut für Technologie, Institut für Theorie der Kondensierten Materie
- Universität Stuttgart, drittes Physikalisches Institut
- Universität Ulm, Institut für Quantenoptik
Fördersumme: 6.951.398 Euro
Das Verbundvorhaben SiQuRe untersucht mit quantenphysikalischen Modellen und Simulationsberechnungen, inwieweit sich als Qubits adressierbare Farbzentren in Diamantkristallen in einer größeren Anzahl regelmäßig anordnen und als QubitRegister für den Aufbau von Quantencomputern nutzen lassen. Perspektivisch soll das Projekt die Frage beantworten, welche für das Quantencomputing unverzichtbaren Quanteneigenschaften unter Zugrundelegung realer Materialeigenschaften bei welcher Registergröße zu welchem Grade kontrolliert erzielbar sind und welche Anforderungen hieraus an Diamant-NV-basierte Quantencomputing-Hardware folgen.
Die Projektpartner:
- Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM, Freiburg
- Universität Ulm, Institut für Komplexe Quantensysteme
- Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Physikalisches Institut
Fördersumme: 1.529.139 Euro
Ziel des Verbundvorhabens QuEST ist es, das Quantencomputing für den Einsatz in Materialsimulationen von elektrochemischen Energiesystemen zu untersuchen. Das Projekt konzentriert sich dabei auf zwei Schlüsselbereiche der atomistischen Modellierung von Batterien und Brennstoffzellen. Die beiden Schlüsselbereiche beinhalten zum einen die Berechnung thermodynamischer Eigenschaften von festen Elektrodenmaterialien sowie zum anderen die Simulation elektrochemischer Reaktionen in flüssigen Elektrolyten.
Die Projektpartner:
- DLR-Institut für Technische Thermodynamik
- Helmholtz-Institut Ulm
- Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM, Freiburg
- DLR-Institut für Quantentechnologien, Ulm
Fördersumme: 1.492.061 Euro
Im Projekt SEQUOIA werden neue Methoden, Werkzeuge und Vorgehensweisen für das Quantencomputing erforscht, entwickelt und erprobt, um zukünftig die industrielle Nutzung in verschiedenen Anwendungsbereichen wie zum Beispiel in der Fertigung, der Entwicklung, oder der Logistik zu ermöglichen. Im Fokus stehen hybride Quantenanwendungen und -algorithmen sowie ein QuantensoftwareKomponentenbaukasten als Grundlage für die Umsetzung von Anwendungskomponenten, Demonstratoren und das Software-Engineering.
Die Projektpartner:
- Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Stuttgart
- Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart
- Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF, Freiburg
- Forschungszentrum Informatik FZI, Karlsruhe
- Universität Stuttgart, Höchstleistungsrechenzentrum HLRS
- Universität Stuttgart, Institut für Architektur von Anwendungssystemen IAAS
- Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Lehrstuhl für Eingebettete Systeme
Fördersumme: 6.162.226 Euro
Ziel des Verbundprojekts QORA ist die Entwicklung von Optimierungsverfahren für portfoliobezogene Entscheidungen. Für Unternehmen wird die Fähigkeit, schnell optimale Entscheidungen zu treffen, zunehmend zu einem maßgeblichen Wettbewerbsvorteil. Quantencomputer können perspektivisch konventionelle Rechner bei Optimierungsverfahren übertreffen. Im Projekt werden daher solche Optimierungs-Algorithmen entwickelt und in der Praxis erprobt.
Die Projektpartner:
- Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF, Freiburg
- Duale Hochschule Baden-Württemberg, Ravensburg
- Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Institut für Theoretische Physik
- Universität Konstanz, Fachbereich Physik
- Universität Stuttgart, Institut für Funktionelle Materie und Quantentechnologien
- Universität Stuttgart, Institut für Technische Informatik
Fördersumme: 2.546.908 Euro
Ziel des Verbundvorhabens EFFEKTIF ist es, mit Hilfe von Quantencomputing-Verfahren die Verbesserung der Effizienz von Stabilitätsanalysen und Fehlerkorrekturprotokollen für klassische, endliche, vielfach verbundene und miteinander gekoppelte Netzwerke von kritischen Infrastrukturen in der Energieversorgung zu erreichen. Darüber hinaus soll eine Machbarkeitsstudie zur Beschleunigung von Echtzeitsimulationen durchgeführt und Möglichkeiten zur Einbindung von Algorithmen der künstlichen Intelligenz evaluiert werden.
Die Projektpartner:
- Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut EMI, Freiburg und Efringen-Kirchen
- Physikalisches Institut, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Fördersumme: 786.117 Euro
Rechenverfahren auf der Basis von Quanteneffekten, auch als Quantencomputing bezeichnet, bieten künftig gänzlich neue Lösungen in der Behandlung von komplexen Systemen und gewinnen für wirtschaftsrelevante Fragestellungen immer mehr an Bedeutung.
Bis zu 40 Millionen Euro bis 2024
Das von der Fraunhofer-Gesellschaft betriebene „Kompetenzzentrum Quantencomputing Baden-Württemberg“ ist das erste seiner Art in einem deutschlandweiten Netzwerk von Kompetenzzentren zum Quantencomputing der Fraunhofer-Gesellschaft. Die Landesregierung Baden-Württemberg stellt für den Aufbau und für Verbundprojekte im Rahmen des Kompetenzzentrums Quantencomputing Baden-Württemberg im Zeitraum 2020 bis 2024 insgesamt bis zu 40 Millionen Euro zur Verfügung. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF mit Sitz in Freiburg übernimmt die koordinative Führung für das Kompetenzzentrum gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO mit Sitz in Stuttgart. Ein vom Land gefördertes Startprojekt der Fraunhofer-Gesellschaft schafft an den Institutsstandorten in Freiburg und Stuttgart die notwendigen Voraussetzungen für die organisatorischen und technischen Voraussetzungen, um wissenschaftliche Projekte und Auftragsforschung unter Nutzung von Quantencomputern zu ermöglichen.
Die Kooperation der Fraunhofer-Gesellschaft mit dem Unternehmen IBM ermöglicht in Baden-Württemberg die europaweit erste Installation eines „IBM Q System“ neuester Generation, des derzeit kommerziell leistungsfähigsten Quantencomputers. Standort wird am Hauptsitz der IBM Deutschland GmbH in Ehningen sein. Ab Anfang 2021 steht der neue Quantencomputer exklusiv für für die Fraunhofer-Gesellschaft und ihre Partner für Forschungs- und Entwicklungsprojekte der Wissenschaft und Wirtschaft zur Verfügung.