Die stetig steigenden Infektionszahlen und auch die steigende Zahl von Patienten, die intensivmedizinische Betreuung benötigen, machen weitere Einschränkungen erforderlich, damit sich das Virus nicht weiter unkontrolliert und explosionsartig verbreitet. Der Bund und die Länder haben sich daher heute auf weitere harte Einschnitte, aber auch Hilfen für die betroffenen Gewerbe geeinigt.
Die Corona-Lage hat sich in den vergangenen Tagen und Wochen weiter dramatisch zugespitzt. Obwohl wie in Baden-Württemberg seit Mitte Oktober wieder strengere Regeln gelten, steigt die Zahl der Neuinfektionen weiter an. Inzwischen liegt ganz Baden-Württemberg bei einer 7-Tage-Inzidenz von knapp 96 – Tendenz steigend. Vor einem Monat lag die landesweite 7-Tage-Inzidenz noch unter 15. Inzwischen haben 15 Stadt- und Landkreise eine 7-Tage-Inzidenz von über 100 – auch hier werden es von Tag zu Tag mehr.
Persönliche Kontakte um 75 Prozent reduzieren
Deshalb müssen wir noch mehr Anstrengungen unternehmen, um die Ausbreitung des Virus wieder zu verlangsamen. Die renommiertesten Expertinnen und Experten bestätigen, dass das Virus von Kontakten lebt und wir daher persönliche Kontakte um 75 Prozent reduzieren müssen. Alle beschlossenen Beschränkungen verfolgen genau dieses Ziel. Dies sei ohne Zumutungen nicht zu erreichen, so Kretschmann. „Sonst laufen wir in eine Situation hinein, in der wir die Kontrolle über die Pandemie verlieren“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Anschluss an die Ministerpräsidentenkonferenz. Wie schnell das gehen kann, zeige auch der Blick zu den europäischen Nachbarn. „Die Niederlande und Tschechien können schon jetzt nicht mehr alle Corona-Patienten selbst behandeln. In Belgien müssen mit Corona infizierte Ärzte sich um COVID-19-Kranke kümmern, weil das Personal knapp wird. In Warschau wird das Fußballstadion zur Corona-Klinik umfunktioniert“, erläuterte Kretschmann den Ernst der Lage.
Auch Deutschland droht eine Überlastung der Krankenhäuser
Es ist naiv zu glauben, dass die Entwicklung in Deutschland anders verläuft, wenn wir jetzt nicht weitere Anstrengungen unternehmen, um die Verbreitung einzudämmen. „Die Zahl der Patienten auf den Intensivstationen verdoppelt sich derzeit alle acht Tage. Wenn wir diese Entwicklung nicht bremsen, dann sind die Intensivstationen in Deutschland bis zum Nikolaustag voll“, warnte der Ministerpräsident.
„Die aktuelle Lage zwingt auch uns zu weiteren harten Maßnahmen. Dabei ist für uns klar, dass wir unsere Kitas und Schulen offen halten und die Wirtschaft am Laufen halten wollen“, so Kretschmann weiter.
Die von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen
Ab dem 2. November treten in ganz Deutschland zusätzliche Maßnahmen in Kraft. Die Maßnahmen sind zeitlich befristet und gelten bis Ende November. Nach zwei Wochen werden sich Bund und Länder erneut beraten und die Maßnahmen beurteilen und gegebenenfalls anpassen. Die Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstandes sollen auf ein absolut nötiges Minimum reduziert werden. Schulen und Kindergärten bleiben geöffnet. „Das heute beschlossene Paket bedeutet eine gewaltige kollektive Kraftanstrengung von Bund und Ländern, um gemeinsam eine akute nationale Gesundheitsnotlage abzuwenden“, betonte Kretschmann.
Die Maßnahmen in der schnellen Übersicht (PDF)
- Im öffentlichen Raum dürfen sich nur noch Personen aus zwei Haushalten treffen, höchstens aber zehn Personen.
- Feiernde Gruppen zuhause, in privaten Einrichtungen und auf öffentlichen Plätzen sind inakzeptabel.
- Verstöße gegen die Kontaktbeschränkungen werden entsprechend von den Ordnungsbehörden sanktioniert, dafür verstärken Bund und Länder die Kontrollen.
Die Bürgerinnen und Bürger sollen auf private Reisen sowie Besuche von und zu Verwandten, Bekannten und Freunden verzichten. Das gilt auch im Inland und für überregionale touristische Ausflüge. Für Reisen ins Ausland gelten weiter die Reisewarnungen der Auswärtigen Amts und die Liste der Risikogebiete im Ausland des Robert Koch-Instituts sowie die Verordnung Einreise und Quarantäne.
Übernachtungsangebote sind nur noch für notwendige und nicht touristische Zwecke gestattet.
Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen müssen schließen. Dazu zählen:
- Theater, Opern, Konzerthäuser und ähnliche Einrichtungen
- Museen
- Messen
- Kinos
- Freizeitparks
- Anbieter von Freizeitaktivitäten drinnen und draußen, etwa Indoor-Spielplätze, Escape Rooms, Laser-Tags etc.
- Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnliche Einrichtungen
- Prostitutionsstätten, Bordelle und ähnliche Einrichtungen wie SM-Studios, Swinger-Clubs oder Sex-Clubs
- Freizeit- und Amateursportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen. Davon ausgenommen ist der Sport alleine, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand.
- Profisportsveranstaltungen können nur ohne Zuschauer stattfinden.
- Schwimm- und Spaßbädern, Thermen und Saunen
- Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen
- Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, werden untersagt
- Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen müssen schließen.
- Restaurants und Gaststätten müssen ebenfalls schließen. Davon ausgenommen ist die Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zuhause.
- Betriebskantinen können unter Auflagen weiter geöffnet bleiben.
- Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios, Nagelstudios und ähnliche Betriebe werden geschlossen.
- Medizinisch notwendige Behandlungen wie etwa Physiotherapie, Ergotherapie oder medizinisch indizierte Fußpflege ist weiterhin möglich.
- Friseursalons bleiben unter den bestehenden Hygieneauflagen geöffnet.
- Der Einzelhandel bleibt unter Hygieneauflagen geöffnet.
- Die Einzelhändler müssen den Zutritt so steuern, dass Wartschlangen vermieden werden.
- Es darf sich nicht mehr als ein Kunde pro zehn Quadratmeter Verkaufsfläche im Geschäft aufhalten.
Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben eine besondere Verantwortung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Infektionsketten im Betrieb müssen sie schnell identifizieren. Jedes Unternehmen in Deutschland muss aufgrund einer Gefährdungsbeurteilung und der betrieblichen Pandemieplanung ein Hygienekonzept umsetzen. Dabei müssen sie bisherige Hygienekonzepte in Anbetracht der Infektionszahlen anpassen.
Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollen, wo es möglich ist, überall Home Office ermöglichen.
Nicht erforderliche Kontakte der Belegschaft und mit Kundinnen und Kunden gilt es zu vermeiden. Die Betriebe müssen allgemeine Hygienemaßnahmen umsetzen und besondere Hygienemaßnahmen bei erforderlichen Kontakten ergreifen: AHA+L-Regel
Es braucht besondere Schutzvorkehrungen für Krankenhäuser, Pflegeheime, Senioren- und Behinderteneinrichtungen. Dabei sollen die Regelungen nicht zu sozialer Isolation der Betroffenen führen. Hierfür sieht die Teststrategie des Bundes unter anderem regelmäßige SARS-CoV-2-Schnelltests für Patienten/Bewohner und ihre Besucher sowie das Personal vor.
Die von der temporären Schließung betroffene Unternehmen, Betriebe und Selbständigen erhalten eine Nothilfe vom Bund, um sie für finanzielle Ausfälle zu entschädigen. Der Erstattungsbetrag soll bei Unternehmen bis 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern pauschalisiert die Fixkosten abdecken und beträgt bis zu 75 Prozent der Umsätze des Vorjahresmonats. Weitere Details wird das Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzministerium am Donnerstag, 29. Oktober bekannt geben.
Der Bund wird seine Hilfsmaßnahmen für Unternehmen verlängern und die Konditionen für die hauptsächlich betroffenen Branchen verbessern.
Auch wenn sich viele für härtere Maßnahmen aussprächen, seien einige der Einschränkungen überdrüssig. „Das verstehe ich“, sagte Kretschmann in seinem Statement nach der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Mir ist auch bewusst, dass wir Ihnen mit den Maßnahmen, die wir heute beschlossen haben, viel abverlangen. Ich versichere Ihnen, solche Entscheidungen treffen wir nicht leichtfertig. Und wir treffen sie nicht auf Basis von Emotionen, sondern auf Basis von Fakten“, so Kretschmann weiter.
Es ist eine gesicherte Erkenntnis, dass sich das Virus vor allem in engen persönlichen Situationen in geschlossenen Räumen besonders schnell verbreiten kann. „Deshalb müssen wir jetzt diese geselligen Kontakte konsequent einschränken – auch wenn uns das als gesellige Wesen besonders schwer fällt“, sagte Kretschmann. Nur so sei die zweite Infektionswelle zu brechen und nur so könne man vor allem die Schwächeren schützen: Ältere, Schwangere und viele Menschen mit chronischen Krankheiten.
Infektionsketten müssen wieder nachvollzogen werden können
Dabei geht es nicht darum, die Ausbreitung völlig zum Stillstand zu bringen. Das ist ohne einen Impfstoff unmöglich. Wir müssen aber wieder in der Lage sein, Infektionsketten nachzuvollziehen und so eine weitere unkontrollierte Ausbreitung des Virus zu verhindern. Inzwischen verbreitet sich das Virus diffus und ein Großteil der Ansteckungen lässt sich nicht mehr nachvollziehen.
Das bedeutet wir können nicht mehr genau sagen, was derzeit die Haupt-Infektionstreiber sind. „In der Folge können wir uns jetzt eben leider nicht mehr allein auf Hygienekonzepte verlassen können, so ausklügelt diese auch sein mögen. Deshalb haben wir heute ein Gesamtpaket geschnürt, mit dem wir erstens die Kontakte schnell massiv reduzieren, zweitens die Schulen und Kitas grundsätzlich offen halten können und drittens möglichst viele Menschen weiter Ihrer Arbeit nachgehen können“, sagte Ministerpräsident Kretschmann.
Im Zentrum steht der Schutz von Leben und Gesundheit
„Im Zentrum stehen der Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung, die Bildung und Betreuung unserer Kinder und der Schutz von Arbeitsplätzen und die Begrenzung des gesamtwirtschaftlichen Schadens.“ Man müsse jetzt die Notbremse ziehen und eine Zeitlang alle vermeidbaren Kontakte unterlassen, um die Pandemie wieder richtig unter Kontrolle bringen zu können. „Als politisch Verantwortliche können wir noch so harte Maßnahmen gegen die Pandemie beschließen. Eine Wirkung entfalten diese nur, wenn Sie sich auch an diese Beschränkungen halten. Entscheidend ist jetzt, dass Sie alle mitmachen und alle vermeidbaren Kontakte auch tatsächlich vermeiden. Und das bitte nicht erst ab kommenden Montag, wenn die Maßnahmen in Kraft treten, sondern gleich. Denn es kommt auf jeden Tag an“, appellierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
„Wenn wir gemeinsam für einen Monat die Notbremse ziehen, dann haben wir die Chance, dass sich die Situation wieder entspannt, und wir gemeinsam mit unseren Familien Weihnachten feiern können“, so Kretschmann abschließend.
Der heutige Beschluss von Bund und Ländern ist ein Grundsatzbeschluss, der jetzt bis zum Montag, 2. November in den Ländern im Detail ausgearbeitet und umgesetzt wird. Wir Informieren auf Baden-Württemberg.de und über unseren Messenger-Dienst umgehend, wenn genaue Regelungen feststehen.
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