Lassen sich am Bodensee Felchen züchten? Landwirtschaftsminister Peter Hauk sagt ja - und wirbt bei Berufsfischern für die Aquakultur. Aber schmeckt gezüchteter Fisch eigentlich?
Beherzt greift Landwirtschaftsminister Peter Hauk zur Gabel und drückt auf zwei weißen Fischfilets herum. Er prüft die Konsistenz, riecht daran und beißt hinein. Ein kurzes Zögern, dann nickt der CDU-Politiker anerkennend und macht ein kleines Kreuz auf einem Fragebogen. Das Ergebnis der kurzen Blindverkostung in der Fischereiforschungsstelle Langenargen: Der Felchen aus der Aquakultur schlägt den echten Bodenseefelchen. Wenn es um die Bekömmlichkeit und die Festigkeit des Fleisches gehe, sei der gezüchtete Fisch dem Wildfisch „ein Stück weit überlegen“, meint der Minister. „Und wenn man vom Kunden her denkt, dann bin ich überzeugt, dass die Aquakultur ein Renner werden wird.“
Aus Hauks Sicht könnte die Felchenzucht vor allem den Berufsfischern eine neue Einkommensgrundlage bieten – denn ihre Fangerträge gehen schon seit Jahren zurück. 2015 lag der Gesamtertrag bei rund 261 Tonnen - das war nach Angaben der Internationalen Bevollmächtigtenkonferenz für Bodenseefischerei (IBKF) das schlechteste Ergebnis seit fast hundert Jahren. Die Fischer sehen den Grund dafür vor allem im niedrigen Nährstoffgehalt des Wassers. Sie fordern daher schon seit langem eine moderate Erhöhung des Phosphatgehalts, damit die Fische mehr Nährstoffe bekommen.
„Davon halte ich wenig“, sagt Hauk. „Ein natürliches Gewässer ist ein natürliches Gewässer.“ Stattdessen setzt der Minister auf eine Aquakultur – entweder in Netzgehegen im See oder im Zuchtbecken an Land. „Technisch wäre beides möglich“, sagt der Leiter der Fischereiforschungsstelle, Alexander Brinker. „Der See bietet unter anderem von der Temperatur und der Strömung her Stellen, die sich für ein Netzgehege eignen. Aber auch ein geschlossenes System wäre möglich – allerdings ist die Landvariante sehr viel teurer und hinterließe einen größeren ökologischen Fußabdruck.“
Die Experten der Forschungsstelle haben in einem Projektversuch getestet, wie eine Zucht am Bodensee funktionieren könnte: „Wir haben die klassischen Untersuchungen gemacht, die züchterisch von Bedeutung sind“, sagt Brinker. „Welche Krankheiten tauchen in einer Zucht auf, kann man ohne Medikamente damit umgehen? Wie kriegen wir die Tiere an das Trockenfutter? Und in welcher Haltungsdichte verwerten sie das Futter gut und wachsen sie gut?“ Das Ergebnis: Der Sandfelchen, eine großwüchsige, bodennah lebende Art, würde sich dafür eignen.
Um eine Zucht am Bodensee zu betreiben, könnten sich die Fischer in einer Genossenschaft zusammenschließen, meint Brinker. „Es ist auch nicht so geplant, dass die Fischer selbst zum Fischzüchter werden. Das geht nicht, da braucht man echte Experten. Unsere Idee war, dass sie drei ausgebildete Fischzüchter einstellen, die dann die Zucht für sie betreiben. Die Berufsfischer könnten ihre Theke dann mit Zuchtfelchen auffüllen. Das wäre ein Aquakulturfisch, der genetisch identisch ist mit dem Wildfisch. Ein Premium-Aquakultur-Produkt“, sagte Brinker.
Doch nicht alle Fischer sind von der Idee überzeugt. „Viele Kollegen sagen: Der Kunde will das nicht“, sagt Martin Meichle vom Verband Badischer Berufsfischer. „Aber wenn ich so weitermache wie im vergangenen Jahr, habe ich nichts mehr, was ich dem Kunden anbieten kann.“ Zudem hätten manche Fischer Angst, dass durch die Zucht die Debatte um den Phosphatgehalt nicht mehr weiter verfolgt werde. Er selbst könne sich eine solche Aquakultur jedoch durchaus als weiteres Standbein vorstellen, sagt Meichle. „Ich glaube, die Erhöhung des Phosphatgehalts ist derzeit politisch nicht umsetzbar. Wir müssen uns also nach Alternativen umschauen.“
Auch Brinker weist auf die Notwendigkeit von Alternativen hin: „Niemand würde die Zucht gut finden – uns eingeschlossen –, wenn wir weiterhin eine prosperierende Binnenfischerei mit hohen Erträgen hätten“, sagt er. „Aber unter der jetzigen schwierigen Situation gibt es schon einige, vor allem jüngere und offenere Fischer, die sich das angeschaut und auch das Potenzial erkannt haben“, sagt Brinker.
Quelle:
dpa/lsw