Die Landes-Behindertenbeauftragte warnt anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tages vor der Normalisierung des nicht-invasiven Pränataltests als Routineuntersuchung in der Schwangerschaft. Durchschnittlich entscheiden sich neun von zehn Frauen und Paare bei der Diagnose Trisomie 21 für einen Schwangerschaftsabbruch.
Die Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Simone Fischer, ruft anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tages dazu auf, den Bundesratsbeschluss vom Juni 2023 umzusetzen, der vorsieht, die Konsequenzen der Kassenzulassung des nicht-invasiven Pränataltests (NIPT) mit einem Monitoring und der Einrichtung eines Gremiums zu überprüfen.
Simone Fischer sagte: „Die Abrechnungszahlen sind alarmierend. Sie lassen den Schluss zu, dass der NIPT zur Routineuntersuchung in der Schwangerschaft geworden ist, obwohl er eigentlich nur in begründeten Einzelfällen eingesetzt werden soll. Der NIPT darf nicht zu einer Selektion von Kindern mit Behinderungen führen“, erklärte Fischer.
Kassenzulassung auf den Prüfstand stellen
Die aktuellen Abrechnungszahlen zum NIPT machten deutlich, wie dringend sich die Politik mit den Folgen der Kassenzulassung dieses Tests auseinandersetzen müsse. Im vierten Quartal 2023 wurde der NIPT 64.000 Mal durchgeführt – bei circa 160.000 Geburten pro Quartal. Das bedeutet, dass auf etwa drei Geburten ein NIPT kommt.
„Unabhängig von der Anzahl der Chromosomen hat jeder Mensch ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und gesellschaftliche Teilhabe. Wenn wir Menschen stärken und positive Rahmenbedingungen schaffen, erhalten sie bessere Chancen, in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Gesellschaft und im Alltag akzeptiert zu werden und erfolgreich zu sein. Es gilt, Vorurteile zu überwinden und das Bewusstsein für die Vielfalt unserer Gesellschaft zu festigen. Stereotype und das Stigmatisieren von Menschen mit Behinderungen schaffen Barrieren und Ausgrenzung. Sie schränken Menschen und ihre selbstverständliche Teilhabe ein, diskriminieren und spalten unsere Gesellschaft. Dies kann weitreichende Konsequenzen mit sich bringen, wie es auch die Abrechnungszahlen zum Einsatz des nicht-invasiven Pränataltests vermuten lassen“, so Simone Fischer.
Deshalb sei es dringend geboten, den Bundesratsbeschluss aus dem vergangenen Jahr jetzt anzupacken und die Kassenzulassung auf den Prüfstand zu stellen: „Es muss sichergestellt sein, dass der NIPT nur dann eingesetzt wird, wenn eine medizinische Notwendigkeit besteht und die betroffenen Frauen umfassend beraten wurden“, sagte Simone Fischer. Es sei nötig, die Auswirkungen genau zu beobachten und die damit verbundenen Fragen zu beleuchten. Werdende Eltern müssten sehr gut über Möglichkeiten und Risiken aufgeklärt werden und ihre freie Entscheidung für oder gegen einen Test müsse respektiert werden.
Monitoring der Konsequenzen für nicht-invasive Pränataltests
Seit Juli 2022 ist nach einer Einigung des Gemeinsamen Bundesausschusses der NIPT für Schwangere eine Kassenleistung, wenn diese gemeinsam mit ihrer Gynäkologin oder ihrem Gynäkologen zur Überzeugung gelangen, dass der Test in ihrer persönlichen Situation notwendig ist. Der Bundesrat hatte bereits im Juni 2023 die Entschließung „Kassenzulassung des nicht-invasiven Pränataltests - Monitoring der Konsequenzen und Einrichtung eines Gremiums“ (PDF) gefasst. Bisher stehe die Umsetzung aus.
Die Bundesregierung ist Anfang März erneut in einem Antrag einer interfraktionellen Gruppe Pränataldiagnostik dazu aufgefordert worden, ein Monitoring zu den Folgen der Kassenzulassung des vorgeburtlichen Bluttests zu veranlassen und das Expertengremium zum NIPT auf die Trisomien 13, 18 und 21 auf den Weg zu bringen. Das Monitoring der Auswirkungen der NIPT-Kassenzulassung und die Einsetzung eines Expertengremiums sind zentrale Elemente des Antrags. Sie ermöglichen eine tiefgreifende Analyse der aktuellen Situation und der zukünftigen Herausforderungen.
„Die Entwicklung neuer molekulargenetischer Tests erfordert eine aktive und gestaltende Rolle der entscheidenden Akteure in Politik und Gesellschaft. Ziel muss sein, für die weitreichenden ethischen, rechtlichen, sozialen und gesundheitspolitischen Fragen der Pränataldiagnostik einen Diskurs zu führen und einen tragfähigen Konsens zu finden“, so die Landes-Behindertenbeauftragte.
Tests sind nicht immer zuverlässig
Der NIPT ist ein vorgeburtlicher Bluttest, der auf Trisomien, also das überzählige Vorhandensein eines Chromosoms, beim Kind hinweisen kann. Der Test ist nicht invasiv und daher für die Mutter risikolos. Allerdings ist er nicht immer zuverlässig und kann zu falsch positiven Ergebnissen führen. Dies ist häufig bei jüngeren Schwangeren der Fall. Die Kassenzulassung des NIPT wurde im September 2019 beschlossen. Im August 2021 wurde der Versicherten-Information zugestimmt und seit Juli 2022 wird der Test von den Krankenkassen erstattet, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. In den ersten zwölf Monaten nach Kassenzulassung wurde der Test circa 63.000 Mal bei etwa 160.000 Geburten pro Quartal eingesetzt. Durchschnittlich entscheiden sich neun von zehn Frauen und Paare bei der Diagnose Trisomie 21 für einen Schwangerschaftsabbruch.
In Deutschland gibt es mehrere offizielle Vereine mit bundesweiter Beratung und Information zum Down-Syndrom. Einige davon sind der Arbeitskreis Down-Syndrom Deutschland e. V., das Deutsche Down-Syndrom InfoCenter sowie das Down-Syndrom-Netzwerk Deutschland e. V. In Baden-Württemberg bieten die Frühförderstellen Unterstützung für Kinder mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen, einschließlich Kinder mit Down-Syndrom. Sie beraten, fördern die Entwicklung motorischer Fähigkeiten, Sprache und kognitiver Fähigkeiten und vermitteln an weiterführende Beratungs- und Unterstützungsstellen.