Ab Januar 2022 fahren die Abellio-Züge im Land unter dem Dach der SWEG. Mit der Übernahme wurden viele Arbeitsplätze gesichert. Drei Abellio-Beschäftigte berichten von ihrem ereignisreichen Jahr 2021 und der geglückten Rettung.
Das Abellio-Insolvenzverfahren und der weitgehende Rückzug der Tochter der Niederländischen Staatsbahn aus dem Deutschlandgeschäft hat in den betroffenen Bundesländern für Wirbel gesorgt. Während andernorts noch Fragen zur Abellio-Nachfolge offen sind, ist in Baden-Württemberg die Lösung inzwischen rund um einen geordneten Zugbetrieb gesichert: Zum Jahreswechsel fährt die Abellio Baden-Württemberg (ABRB) zunächst für zwei Jahre als eigenständige Tochter unter dem Dach der SWEG. Nicht nur Verkehrsminister Winfried Hermann ist froh über die gefundene Lösung. Auch drei ABRB-Beschäftigte aus Stuttgart, der Region Heilbronn und Backnang berichten, wie sie die vergangenen Monate erlebt haben.
SWEG übernimmt Abellio BW
Das Abellio-Insolvenzverfahren in Baden-Württemberg ist quasi abgeschlossen. Gläubigerversammlung und Insolvenzgericht haben dem Insolvenzplan und der Übernahme der Abellio BW durch die SWEG zugestimmt. Bei der nach europäischem Recht zulässigen, befristeten „Notmaßnahme zum Vollkostenprinzip“ ersetzt das Land bei der neuen SWEG-Tochter die künftigen Mehrkosten pro Zugkilometer. In zwei Jahren werden die bisher von Abellio gefahrenen Zugverkehre nach einer Ausschreibung dann neu vergeben. Der künftige Betreiber wird auch das Personal übernehmen. Die SWEG kann sich bei dieser Ausschreibung ebenfalls bewerben, sie soll durch ihr Einspringen weder Vor- noch Nachteile haben.
Verkehrsminister Winfried Hermann
Für Minister Hermann war von Anfang an klar, wem das Hauptaugenmerk zu gelten hat: „Wir wollten das Zugangebot für die Fahrgäste stabil halten und die Arbeitsplätze der rund 400 Beschäftigten bei Abellio Baden-Württemberg unbedingt sichern. Dass uns dies so gut gelungen ist, macht mich froh“, bilanziert der Minister. Die landeseigene SWEG übernimmt die ABRB pünktlich zum Jahreswechsel. Damit kann sich nun eine Hoffnung erfüllen, die der Verkehrsminister gleich zu Beginn des Verfahrens geäußert hatte: „Im besten Fall werden die Fahrgäste von dem Wechsel gar nichts mitbekommen.“
Johannes Rittner (32), Triebfahrzeugführer aus Stuttgart
„Ich bin erst seit August 2020 bei Abellio. Ich habe dort die Qualifizierung zum Triebfahrzeugführer gemacht, also zum Lokführer. Nach Ende der Ausbildung hieß es dann, es gebe Schwierigkeiten mit den Finanzen. Dann kam dieser Schutzschirm – da war uns eigentlich klar: Das wird schwierig. Da ist die allgemeine Stimmung ein bisschen abgefallen. Es ging das böse Wort Insolvenz um, das war ein Dauerthema. Von Abellio wegzugehen kam für mich trotzdem nicht in Frage, ich hatte ja gerade erst dort angefangen.
Die meisten haben darauf vertraut, dass es irgendwie weitergehen wird für sie. Inzwischen kam der erste Newsletter von der SWEG, in dem wir begrüßt wurden. Bis andere Änderungen im Fahrbetrieb ankommen, dauert es eine Weile. Etwas Wehmut ist schon dabei, es war mein Ausbildungsbetrieb und ich mochte die Atmosphäre sehr. Es ist aber auch interessant, jetzt mitzuerleben, was sich ändert. Eine Veränderung ist immer auch eine Chance.“
Timo Henningsen (42), Leiter regionale Betriebsleitung Süd aus Brackenheim
„Das Schutzschirmverfahren am 30. Juni 2021 kam relativ kurzfristig. Es war mein erstes Verfahren dieser Art, deshalb hatte ich noch keine Idee, was da auf mich zukommt. Ich musste plötzlich mit Lieferanten viele Gespräche führen, wie ich sie noch nie geführt habe, auch sonst viele Beruhigungsgespräche. Die Nähe zu den Mitarbeitenden war ein ganz besonderes Steckenpferd bei Abellio.
Die Gespräche und das Insolvenzverfahren kamen zu den normalen Arbeitsspitzen, wie dem Fahrplanwechsel, noch on top. In Nordrhein-Westfalen zeichnete sich ab, dass die Zukunftsperspektive nicht gut ist. Für mich war letztlich auch unklar, wie es weitergeht, bis am 24. November 2021 der Vertrag mit der SWEG unterzeichnet wurde. Natürlich war das dann eine Erleichterung. Als Vater von zwei Kindern und mit einer Ehefrau, die ebenfalls bei Abellio arbeitet, kann man nicht in ein Loch fallen. Für mich ist die jetzige Lösung eine relativ sichere Option. Die SWEG ist schon lange auf dem Markt und hat auch hier in Baden-Württemberg ihre Erfahrungen sammeln können. Im neuen Jahr werde ich zurückschauen auf das, was wir alles geschafft haben, und froh sein, dass wir mit unserer Konstellation erstmal so weiterfahren können.“
Gabriele Hees (53), Kundenbetreuerin aus Heilbronn
„Wir haben es schon relativ früh erfahren, als das Schutzschirmverfahren eingeleitet worden ist, und sind gut von der Geschäftsführung auf dem Laufenden gehalten worden. Draußen auf dem Zug ist viel gesprochen worden, klar, von den Fahrgästen. Es ist halt schon ein Baby, das man mit aufgebaut hat – ich seit 2019. Man hat sich auch Gedanken gemacht, wie es weitergeht, vor allem als man sah, was in Nordrhein-Westfalen passiert ist.
Mit dem neuen Gesellschafter sind es neue Herausforderungen. Man kennt die Leute noch nicht, weiß nicht, wie es strukturell weitergeht. Aber es ist schön zu wissen, dass es für uns weitergeht. Mir ist auf jeden Fall ein Stein vom Herzen gefallen. Wir hoffen, dass wir den Abellio-Teamgeist mit in die SWEG bringen können.“