Im Kernkraftwerk Neckarwestheim wurde im Rahmen von Instandhaltungsarbeiten versehentlich ein Reaktorschutzsignal erzeugt, das den Start zweier sicherheitstechnisch wichtiger Pumpen angeregt hat. Für die Menschen und die Umwelt bestand zu keiner Zeit Gefahr.
Der Block II des Kernkraftwerks Neckarwestheim befindet sich derzeit in einem Kurzstillstand, um Brennelemente umzusetzen und Prüfungen sowie Instandhaltungsarbeiten zu ermöglichen. Nach der Abschaltung des Reaktors am 1. Januar 2023 nahm das Personal routinemäßig Teile des Reaktorschutzsystems außer Betrieb.
Im Zusammenhang mit diesen Arbeiten wurde aufgrund einer Verwechslung versehentlich ein Reaktorschutzsignal erzeugt, das den Start zweier sicherheitstechnisch wichtiger Pumpen anregte. Eine der Pumpen war bereits für die Nachkühlung des Reaktors in Betrieb, so dass das fehlerhafte Einschaltsignal keine Auswirkungen hatte. Die zweite Pumpe startete, obwohl ihr Betrieb im vorliegenden Anlagenzustand nicht erforderlich war.
Keine Gefahr für Menschen und Umwelt
Der Genehmigungsinhaber stufte das Ergebnis als sogenannte Meldekategorie N (Normalmeldung) ein; INES 0 (keine oder sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung). Es bestand zu keiner Zeit eine Gefahr für Menschen und Umwelt.
Mitarbeitende des Betreibers hatten den Fehler bei den Arbeiten am Reaktorschutzsystem sofort bemerkt und rückgängig gemacht. Der dadurch ausgelöste unbeabsichtigte Pumpenstart wurde im Nachgang bemerkt und die Pumpe abgeschaltet. Der Betreiber hat angekündigt, den Ereignisablauf weitergehend zu analysieren.
Das Reaktorschutzsystem hat die Aufgabe, bei einem Störfall automatisch die jeweils erforderlichen Sicherheitseinrichtungen anzufordern. Die in dem vorliegenden Anlagenzustand (bei abgeschaltetem Reaktor) noch erforderlichen Funktionen des Reaktorschutzsystems waren durch das Ereignis nicht beeinträchtigt. Der durch das Ereignis unbeabsichtigt ausgelöste Start einer Pumpe hatte ebenfalls keinen negativen Einfluss auf die Sicherheit. Die Auswirkungen des Ereignisses hatten daher keine sicherheitstechnische Bedeutung. Aufgrund der Sicherheitsbedeutung, die das Reaktorschutzsystem grundsätzlich hat, sind jedoch auch dessen Fehlanregungen zu untersuchen und der Aufsichtsbehörde zu melden.
Meldestufen
Die für die kerntechnische Sicherheit bedeutsamen Ereignisse sind den atomrechtlichen Aufsichtsbehörden der Länder nach den bundeseinheitlichen Kriterien der Atomrechtlichen Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung – AtSMV zu melden. Ziel des Meldeverfahrens ist, den Sicherheitsstand der Kernkraftwerke zu überwachen, dem Auftreten ähnlicher Fehler in anderen Kernkraftwerken vorzubeugen und die gewonnenen Erkenntnisse in sicherheitstechnische Verbesserungen einfließen zu lassen.
Die meldepflichtigen Ereignisse sind unterschiedlichen Kategorien zugeordnet (Erläuterungen zu den Meldekriterien für meldepflichtige Ereignisse):
- Kategorie S (Unverzügliche Meldung): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde unverzüglich gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kürzester Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Vorkommnisse, die akute sicherheitstechnische Mängel aufzeigen.
- Kategorie E (Meldung innerhalb von 24 Stunden): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde binnen 24 Stunden gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kurzer Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Ereignisse, deren Ursache aus Sicherheitsgründen in kurzer Frist geklärt und gegebenenfalls in angemessener Zeit behoben werden muss. In der Regel handelt es sich dabei um sicherheitstechnisch potentiell - aber nicht unmittelbar - signifikante Ereignisse.
- Kategorie N (Meldung bis zum fünften Werktag): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde innerhalb von 5 Werktagen gemeldet werden müssen, um eventuelle sicherheitstechnische Schwachstellen frühzeitig erkennen zu können. Dies sind in der Regel Ereignisse von geringer sicherheitstechnischer Bedeutung, die über routinemäßige betriebstechnische Einzelereignisse bei vorschriftsmäßigem Anlagenzustand und -betrieb hinausgehen. Unverfügbarkeiten von Komponenten/Systemen, die durch im Betriebshandbuch spezifizierte Prozeduren temporär beabsichtigt herbeigeführt werden, sind nicht meldepflichtig, wenn dies auch in der Sicherheitsspezifikation des Betriebshandbuches entsprechend berücksichtigt ist.
Internationale Bewertungsskala INES
Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Betreibern der Kernkraftwerke und dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit werden meldepflichtige Ereignisse in Kernkraftwerken auch nach der Bewertungsskala INES (International Nuclear and Radiological Event Scale) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und der Nuklearenergie-Agentur (NEA) der OECD bewertet. Sie hat eine rasche und für die Öffentlichkeit verständliche Bewertung eines Ereignisses zum Ziel.
Die Skala umfasst sieben Stufen:
- Störung
- Störfall
- ernster Störfall
- Unfall mit örtlich begrenzten Auswirkungen
- Unfall mit weitergehenden Auswirkungen
- schwerer Unfall
- katastrophaler Unfall
Meldepflichtige Ereignisse, die nach dem INES-Handbuch nicht in die Skala (1 bis 7) einzuordnen sind, werden unabhängig von der sicherheitstechnischen Bedeutung nach nationaler Beurteilung der „Stufe 0” zugeordnet.