Noch bis zum 5. Juli läuft das Nachrückverfahren für die Lehrereinstellung. Angehende Lehrkräfte haben hier noch gute Chancen auf eine Einstellung. Lehrkräfte für das Gymnasium können über eine berufsbegleitende Zusatzqualifizierung auch an anderen Schularten unterrichten.
Wer ein abgeschlossenes Lehramtsstudium in der Tasche hat und für das kommende Schuljahr noch eine Stelle sucht, der hat im Nachrückverfahren gute Chancen auf eine Einstellung. Beim Nachrückverfahren, das in einem ersten Schritt vom 1. bis zum 5. Juli 2019 läuft, sind die Bewerberinnen und Bewerber nicht mehr an ihren ursprünglichen Einstellungsantrag gebunden. „Die Karten werden noch einmal neu gemischt. Alle Bewerberinnen und Bewerber, die bisher nicht zum Zug gekommen sind, haben die Möglichkeit, sich noch einmal neu zu orientieren. Sie können sich die noch offenen Stellen ansehen, ihre ursprünglich genannten Einstellungswünsche noch einmal überdenken und sich auf die für sie interessanten Stellen bewerben“, sagt Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann. Eine Bewerbung ist online möglich.
Im Vergleich mit dem vergangenen Schuljahr ist die Zahl der noch offenen Stellen zum Zeitpunkt des Nachrückverfahrens zurückgegangen. Für das Lehramt Grundschule und das Lehramt Werkreal-, Haupt- und Realschule (WHR) stehen jeweils noch mehr als 400 Stellen zur Verfügung. Für Grundschullehrerinnen und -lehrer sowie für Bewerberinnen und Bewerber der Lehrämter Grund- und Hauptschule, Realschule und WHR bedeutet dies, dass augenblicklich noch gute Einstellungsmöglichkeiten vorhanden sind.
Gute Chancen für Gymnasial-Lehrkräfte an anderen Schularten
An den allgemein bildenden Gymnasien ist die Zahl der offenen Stellen wie in den vergangenen Jahren allerdings überschaubar. Lehrkräfte mit einer gymnasialen Lehramtsausbildung, die bisher noch kein Einstellungsangebot erhalten haben, können sich über das Lehrer-Online-Portal über die an Gymnasien, Gemeinschaftsschulen und beruflichen Schulen ausgeschriebenen Stellen hinaus auch an Grundschulen sowie für das Lehramt WHR an Werkreal-,Haupt, Real- und Gemeinschaftsschulen für eine Einstellung bewerben.
Über eine berufsbegleitende Zusatzqualifizierung können die Lehrkräfte dann jeweils die Befähigung für das Lehramt Grundschule oder das Lehramt Werkreal-, Haupt- und Realschule erlangen und anschließend verbeamtet werden. Über diese Option informiert das Kultusministerium alle Bewerberinnen und Bewerber mit gymnasialer Lehramtsausbildung, die bisher kein Angebot zur Einstellung erhalten haben, noch einmal explizit.
„Die unbefristete Stelle war ein verlockendes Angebot.“
„Die Möglichkeit ins gymnasiale Lehramt zurückzukehren, macht das Angebot attraktiv. Es wird gut angenommen, und ich möchte den jungen Gymnasiallehrkräften, die momentan noch keine Stelle haben, diese Möglichkeit ans Herz legen“, sagt die Kultusministerin. Sie betont: „Die Rückmeldungen von aktuellen Teilnehmern sind sehr positiv. Sie zeigen, dass es sich auch für die persönliche Weiterentwicklung lohnt, das Angebot wahrzunehmen.“
Das Kultusministerium hat mit einigen Gymnasiallehrkräften gesprochen, die an Grundschulen unterrichten, und sie nach ihren Erfahrungen gefragt. Julia Seitz, eine Deutsch- und Englischlehrerin und momentan an einer Grund- und Gemeinschaftsschule in Herrenberg, berichtet: „Ich habe mich von Anfang an auch an Grundschulen beworben. Mit meiner Fächerkombination Deutsch und Englisch war die Jobsituation ziemlich schlecht, und ich wollte wieder zurück in die Heimatgegend. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass es mich weiter bringt, weil ich bis dahin nur das Gymnasium kannte, aber nicht die Schulen, wo die Kinder herkommen.“ Auch Tanja Freiesleben, ausgebildete Gymnasiallehrkraft, arbeitet mit Freude an der Grund- und Gemeinschaftsschule Großaspach. Für die Lehrerin wäre nach der Ausbildung die Alternative ein Bundeslandwechsel gewesen, um im Gymnasium unterzukommen, wie sie erzählt. Daher habe sie sich für den Schritt an die Grundschule und die Zusatzqualifikation mit der Übernahmezusage entschieden. „Die unbefristete Stelle war ein verlockendes Angebot.“
Die Arbeit an der Grundschule bewerten beide als bereichernd. „Ich finde es tatsächlich super, mir macht die Arbeit unglaublich viel Spaß. Ich bin auch direkt Klassenlehrerin einer ersten Klasse geworden. Natürlich ist es ein ganz anderes Unterrichten, man leistet mehr Erziehungsarbeit als stoffliche Vermittlung. Aber mir gibt das unglaublich viel, und mir bringt das auch als Lehrerin unglaublich viel, weil man auch etwas anderes sieht“, erklärt Julia Seitz. Unterschiede zur Arbeit an Gymnasien sieht auch Tanja Freiesleben: „An einer Grundschule hat man im Vergleich zum Gymnasium etwas weniger Vorbereitungsaufwand, da mehr Material unter Kollegen ausgetauscht wird. Auch die Korrekturen von Klassenarbeiten sind weniger, die am Gymnasium häufig in die Ferienzeit fallen. Dafür nimmt die Elternarbeit an einer Grundschule deutlich mehr Zeit in Anspruch.“ Aber auch sie sieht die Erfahrung positiv: „Es macht Spaß und ich habe mich auch nicht mehr für den gymnasialen Bereich beworben. Mir gefallen besonders die Rückmeldungen von den Schülern.“
Die kompletten Interviews finden Sie unten.
Regional unterschiedliche Einstellungsmöglichkeiten
Die noch offenen Stellen im Nachrückverfahren verteilen sich regional durchaus unterschiedlich. Einstellungsmöglichkeiten für das Lehramt Grundschule sowie das Lehramt Werkreal-, Haupt- und Realschule bestehen vor allem noch in den Landkreisen Böblingen, Schwarzwald-Baar, Rottweil, Reutlingen, Zollern-Alb und Tuttlingen. Um sich einen Überblick zu verschaffen, wo es noch freie Stellen gibt, bieten die Karten Stellensuchenden einen guten Überblick.
Offene Stellen gibt es auch noch an den beruflichen Schulen. Wenn diese Stellen auch für den Direkteinstieg, also für den Einstieg von berufserfahrenen Fachkräften geöffnet sind, wirbt das Kultusministerium dafür zusätzlich über das Onlinestellenportal „stepstone“. Auf diesem Weg möchte das Kultusministerium vor allem geeignete Personen außerhalb des schulischen Bereichs ansprechen. „Die attraktiven Karrieremöglichkeiten an den beruflichen Schulen sind nicht jedem bekannt. Über diesen Weg wollen wir deshalb Fachkräfte aus der freien Wirtschaft ansprechen, die mit ihren beruflichen Vorerfahrungen für die beruflichen Schulen sehr wertvoll sind“, erklärt Kultusministerin Eisenmann. Die über den Direkteinstieg gewonnenen Fachkräfte werden in den ersten beiden Jahren nach der Einstellung berufsbegleitend pädagogisch geschult und werden in der Regel auch in ein Beamtenverhältnis übernommen.
Die Bewerbungsverfahren im Überblick
Das Nachrückverfahren läuft in einem ersten Schritt vom 1. bis zum 5. Juli. Eine Bewerbung ist über das Portal Lehrer Online in Baden-Württemberg möglich. Auch nach dem Nachrückverfahren können offene Stellen noch schulbezogen ausgeschrieben werden.
- 30. November bis 5. Dezember 2018: Sonderausschreibungsverfahren zur Lehrereinstellung für ausgewählte Lehrämter.
- 4. bis 8. Februar 2019: Ausschreibungsverfahren für den ländlichen Raum.
- 20. bis 25. März 2019: Hauptausschreibungsverfahren zur Lehrereinstellung.
- 3. bis 7. Junis 2019: Listenauswahlverfahren zur Lehrereinstellung.
- 1. bis 5. Juli 2019: Beginn des Nachrückverfahrens zur Lehrereinstellung über Stelleninfo der Regierungspräsidien und schulbezogene Stellenausschreibungen.
- bis 30. September 2019: weitere Lehrergewinnung über die Einstellungsverfahren.
Lehrer-Online: Stellenangebote aus dem Bereich der schulbezogenen Stellen
Lehrer Online: Stellenangebote aus dem Bereich der Stelleninfo Regierungspräsidien
Lehrer-Online: Interaktive Karten: Regionale Verteilung der Stellenangebote nach Schulart
Stepstone.de: Stellenbörse des Kultusministeriums Baden-Württemberg für Lehrkräfte an Berufsschulen
Interview mit Tanja Freiesleben
Frau Freiesleben, warum haben Sie sich für den Schritt entschieden, als gymnasiale Lehrkraft an eine Grundschule zu gehen?
Freiesleben: Es hat mich gereizt, dass ich dank der Zusatzqualifikation die Perspektive habe, in einem Jahr verbeamtet zu werden. Denn die Alternative wäre ein Bundeslandwechsel gewesen, da meine Aussicht auf eine gymnasiale Stelle in ganz Baden-Württemberg schlecht war. Die unbefristete Stelle war ein verlockendes Angebot.
Wie waren die Rückmeldungen von Lehrerkollegen?
Freiesleben: Ich habe schon eine gewisse Skepsis gespürt, ob das funktionieren kann. Schließlich war ich fachfremd, und mir war auch die Pädagogik im Grundschulbereich nicht so geläufig. Da musste ich mich einarbeiten, aber hier haben mich die Kollegen großartig unterstützt, nachdem ich meine Situation geschildert hatte. Durch den guten persönlichen Austausch bin ich da immer besser reingekommen…
…und sind nun auch mit Ihrer Arbeit an der Grund- und Gemeinschaftsschule zufrieden?
Freiesleben: Ja. Es macht Spaß und ich habe mich auch nicht mehr für den gymnasialen Bereich beworben. Mir gefallen besonders die Rückmeldungen von den Schülern. An einer Grundschule hat man im Vergleich zum Gymnasium etwas weniger Vorbereitungsaufwand, da mehr Material unter Kollegen ausgetauscht wird. Auch die Korrekturen von Klassenarbeiten sind weniger, die am Gymnasium häufig in die Ferienzeit fallen. Dafür nimmt die Elternarbeit an einer Grundschule deutlich mehr Zeit in Anspruch.#
Warum können Sie den Schritt empfehlen?
Freiesleben: Es ist natürlich immer eine persönliche Entscheidung. Und man sollte schon bedenken, dass es eine ganz andere Tätigkeit ist. Aber man bekommt tolle Rückmeldungen, die Zusammenarbeit mit den Kollegen ist sehr eng, und die Aussicht auf das höhere Einkommen, nachdem man drei Jahre Lehrer an der Grundschule war, ist natürlich auch reizvoll.
Interview mit Julia Seitz, Herrenberg
Frau Seitz, weshalb haben Sie sich als gymnasiale Lehrkraft an einer Grund- und Gemeinschaftsschule beworben?
Seitz: Ich habe mich von Anfang an auch an Grundschulen beworben. Mit meiner Fächerkombination Deutsch und Englisch war die Jobsituation ziemlich schlecht, und ich wollte wieder zurück in die Heimatgegend. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass es mich weiter bringt, weil ich bis dahin nur das Gymnasium kannte, aber nicht die Schulen, wo die Kinder herkommen. Ein Gespräch mit einer Grundschullehrerin hat mich in meiner Meinung bestärkt.
Als feststand, dass Sie nach Herrenberg gehen, wie fielen die Reaktionen von den Referendarskollegen aus?
Seitz: Viele haben mich gefragt, ob ich das wirklich machen wolle. Das liegt auch daran, dass sich viele von vorneherein dagegen entschieden haben, weil es eben doch etwas anderes ist. Es gab positive Rückmeldungen, aber auch viel Verwunderung. Ich habe nicht direkt negative Aussagen erhalten, aber ein bisschen Kopfschütteln hat man schon gespürt.
Was haben Sie den Kollegen dann entgegnet?
Seitz: Es ist besser, einen Job zu haben, als arbeitslos zu sein. Viele entscheiden sich aus Prinzip gegen die Grundschule, nehmen dann lieber keinen Job an oder „nur“ eine Krankheitsvertretung oder wechseln in ein anderes Bundesland. Für mich ist es aber ein Traumjob, Lehrer zu sein. Und ich wollte unterrichten. Da gehe ich gerne den Umweg, aber vielleicht es ja jetzt auch der richtige Weg.
Sie sprechen vom „richtigen Weg“. Da klingt mit, dass Sie sich vorstellen könnten, an der Grundschule zu bleiben…
Seitz: …das stimmt. Ich finde es tatsächlich super, mir macht die Arbeit unglaublich viel Spaß. Ich bin auch direkt Klassenlehrerin einer ersten Klasse geworden. Natürlich ist es ein ganz anderes Unterrichten, man leistet mehr Erziehungsarbeit als stoffliche Vermittlung. Aber mir gibt das unglaublich viel, und mir bringt das auch als Lehrerin unglaublich viel, weil man auch etwas anderes sieht. Hinzu kommt, dass mich die Schule und die Kollegen extrem unterstützt haben. Ich fühle mich hier pudelwohl. Und in den Klassen ist es schön, wie der Lernfortschritt zu sehen ist. Und auch die Motivation der Schüler ist an der Grundschule größer als in älteren Klassen. Hier wollen die Kinder in die Schule, sie wollen etwas lernen, sie wollen Hausaufgaben machen.
Sie könnten sich also eine Anstellung an der Grundschule dauerhaft vorstellen?
Seitz: Ja. Wobei ich schon auch die Größeren unterrichten möchte. Daher wäre es schön, wenn ich hier an der Gemeinschaftsschule dann auch bei älteren Schülern zum Einsatz komme. Denn auch das Unterrichten mit den Größeren macht mir Spaß, und es ist einfach etwas anderes. Ich bin zum Beispiel sehr gern Englischlehrerin, und da beginnt der fachliche Unterricht so richtig erst in Klasse fünf.
Wenn Sie ein aktueller Referendar fragt, ob Sie den Weg über die Grundschule empfehlen können, was antworten Sie ihm?
Seitz: Dass sich der Schritt schon deshalb lohnt, um einen Einblick in andere Schularten zu gewinnen. Das ist etwas ganz Wertvolles. Und hier wird die vielbeschworene Differenzierung wirklich ge-lebt, und zwar die ganze Zeit über. Außerdem geben einem die Kinder sooo viel zurück. Was einem viele Kinder an einer Grundschule geben, das geben einem nur wenige am Gymnasium.
Hatten oder haben Sie Sorgen, einen „Stempel“ Grundschullehrerin zu bekommen?
Seitz: Nein, darüber habe ich nie nachgedacht. Ich habe das aber auch nie von jemandem gehört. Mein Freundeskreis besteht zum Großteil aus Gymnasiallehrern, und da wird kein großer Unter-schied gemacht.