Energie

Mieterstrommodell gewinnt an Bedeutung

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Jede zweite deutsche Energiegenossenschaft plant nach einer Umfrage eine Änderung oder Ergänzung ihres Geschäftsmodells. Neben einer zentraleren Rolle des Eigenverbrauchs der Mitglieder wollen sie auch Kooperationen zwischen Genossenschaften und anderen Marktteilnehmern ausbauen.

Knapp die Hälfte aller deutschen Energiegenossenschaften plant aktuell eine Änderung oder Ergänzung ihres Geschäftsmodells. Dies ergab eine Umfrage der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen, die im Rahmen des gemeinsamen Energietags des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV) und des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg in Biberach an der Riß vorgestellt wurde.

Viele Genossenschaften wollen den Eigenverbrauch der Mitglieder stärker in den Mittelpunkt rücken und so den Strom vermehrt direkt dort verbrauchen, wo er produziert wird. Mieterstrommodelle werden in diesem Zusammenhang zunehmend bedeutsam. Weiter wollen die Genossenschaften über den Ausbau von Kooperationen untereinander sowie mit anderen Marktteilnehmern wie etwa Kommunen oder Stadtwerken neue Geschäftsfelder erschließen. Darüber hinaus sehen immer mehr Energiegenossenschaften ihre Zukunft in den Bereichen Elektromobilität, Aufbau von Ladestationen und Energieeinsparung.

„Wir befinden uns gerade wieder in einer spannenden und entscheidenden Phase der Energiewende“, erläuterte Umweltstaatssekretär Andre Baumann zu Beginn des diesjährigen Energietags. „Es geht vor allem darum, den Anteil an erneuerbaren Energien weiter zu erhöhen und dem Transformationsprozess auch in den Sektoren Wärme und Verkehr mehr Schubkraft zu verleihen. Darüber hinaus müssen wir den Fokus noch stärker auf die Energieeffizienz legen und gleichzeitig die wirtschaftlichen Chancen der Energiewende stärker in den Vordergrund rücken.“

Energiegenossenschaften würden dabei eine besondere Rolle spielen, so Baumann weiter. „Regionalität, Transparenz und Gemeinschaftlichkeit sind die drei herausragenden Stärken der Genossenschaften. Sie können dazu beitragen, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu stärken und sicherstellen, dass die Wertschöpfung in der Region verbleibt.

Projekte der Energiegenossenschaften werden immer vielfältiger

Wurden in der Vergangenheit vor allem Bürgersolaranlagen umgesetzt, sind mittlerweile die Projekte vielfältiger geworden, in denen sich die Menschen im Land für die Energiewende engagieren: Genossenschaftlich betriebene Windkraftanlagen und Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung entstehen, Nahwärmenetze und Effizienzprojekte werden betrieben und auch die Elektromobilität findet in Bürgerhand statt.

Aktuell 150 Energiegenossenschaften mit rund 31.000 Einzelmitgliedern gibt es im Land. Damit weist Baden-Württemberg eine so hohe Dichte an Energiegenossenschaften auf wie kein anderes Bundesland. „Die sich geänderten Rahmenbedingungen bei der gesetzlich garantierten Einspeisevergütung sorgen dafür, dass sich unsere Energiegenossenschaften strategisch weiterentwickeln und ihr Geschäftsmodell erweitern müssen“, betonte BWGV-Präsident Roman Glaser in der Stadthalle von Biberach vor rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Energietags. Rein auf die Einspeisevergütung ausgelegte Geschäftsmodelle seien auf längere Sicht gesehen wirtschaftlich nicht erfolgreich.

Er machte deutlich, dass die Weiterentwicklung bestehender Genossenschaften etwa zu Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften, die die komplette Energieversorgung vor Ort übernehmen können, ein möglicher, vielversprechender Weg sei. Glaser: „Die Genossenschaft der Zukunft überwacht das Energiesystem vor Ort, kauft bei Bedarf Strom von Partnern hinzu, setzt auf einen Mix an Erneuerbaren Energien, integriert Nahwärme und stößt auch Sanierungs- und Effizienzmaßnahmen an.“ Darüber hinaus könnten auch die Themen Mobilität und Lademöglichkeiten für E-Autos und E-Bikes integriert werden.

Heidelberger Energiegenossenschaft gewinnt beim Ideenwettbewerb

Wie innovativ baden-württembergische Genossenschaften sind und wie sie ihre Geschäftsmodelle auf die Zukunft ausrichten, zeigt der mit insgesamt 50.000 Euro dotierte Ideenwettbewerb „Neue Geschäftsmodelle für Energiegenossenschaften“, der in diesem Jahr erstmalig von den Elektrizitätswerken Schönau und dem BWGV initiiert wurde. Der mit 25.000 Euro ausgestattete Hauptpreis ging an die Heidelberger Energiegenossenschaft für ihr Konzept einer ganzheitlichen Quartiersversorgung.

Die Genossenschaft setzt für drei Mehrfamilienhäuser mit Wohnraum für insgesamt 130 Personen ein umfangreiches Angebot an Erneuerbaren Energien um: Im Zentrum steht eine für Eigenverbrauch optimierte Photovoltaikanlage mit Speichermöglichkeiten, von der alle Bewohner über ein Mieterstromprogramm profitieren können. Hierbei wird der selbst produzierte Strom von den Mietern direkt genutzt. Eventuelle Engpässe werden über den Zukauf von Strom durch die Genossenschaft ausgeschlossen.

Elektronische „intelligente“ Zähler (Smart Metering) sorgen für eine hohe Transparenz des individuellen Stromverbrauchs, wobei der Einsatz von energiesparenden Geräten gefördert wird. Zur Quartiersversorgung gehört außerdem eine Elektroladesäule und ein gemeinschaftlich nutzbares Elektro-Lastenrad. „Quartierskonzepte können eine der führenden Zukunftsideen für Energiegenossenschaften sein“, sagte Glaser, der die Preisverleihung gemeinsam mit Armin Komenda von den Elektrizitätswerken Schönau sowie Umweltstaatssekretär Baumann vornahm.

Platz zwei geht an die Bürgerenergie Dreiländereck

Der zweite Platz und 15.000 Euro gingen an die Bürgerenergie Dreiländereck aus Binzen. Sie entwickelte ein Kommunikationskonzept, mit dem der Mehrwert einer Mitgliedschaft bei einer Energiegenossenschaft über die CO2-Einsparung dank regenerativ erzeugter Energie verdeutlicht werden kann – auch jenseits einer Dividendenausschüttung. Dafür wird die CO2-Einsparung in Euro umgerechnet und in Relation zum Wert eines Anteilsscheins bei einer Genossenschaft gesetzt. Genossenschaften können auf diese Weise den CO2-Fußabdruck pro Person kommunizieren und darstellen, dass CO2 – etwa durch Klimaschäden – Kosten verursacht, die von der Allgemeinheit getragen werden.

Damit wird die persönliche Betroffenheit jedes Einzelnen erhöht und verdeutlicht, dass eine Mitgliedschaft einen wirtschaftlichen Wert hat, auch wenn dieser nicht ausgezahlt werden kann. Genossenschaftsmitglieder können damit ihren persönlichen CO2-Fuß-abdruck verringern. Die Jury zeigte sich davon überzeugt, dass dieses auf alle Energiegenossenschaften leicht übertragbare Modell dazu beitragen kann, die Energiewende in Baden-Württem-berg weiter voranzubringen.

Mit dem dritten Preis und 10.000 Euro bedachte die Jury die Ostalb-Bürger-Energie aus Aalen für die Kooperation mit der VR-Bank Ostalb beim geplanten Bau von zwei energieautarken Häusern. Während die VR-Bank als Bauherr und späterer Vermieter der Häuser in Erscheinung tritt, kümmert sich die Energiegenossenschaft aus Aalen um die Installation und den Betrieb der regenerativen Anlagen.

Geplant ist pro Haus eine Photovoltaikanlage mit Stromspeicher, die den Eigenbedarf zu rund 92 Prozent abdecken wird, sowie eine Solarthermische Anlage mit Langzeit-Wärmespeicher, die 75 Prozent des Wärmebedarfs erzeugt. Beim Projekt ebenfalls mit im Boot ist der Stiftungslehrstuhl für erneuerbare Energien an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Aalen. Die enge Zusammenarbeit mit der VR-Bank Ostalb und der Hochschule hat die Jury überzeugt, da Kooperationen bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder von Energiegenossenschaften eine wichtige Rolle spielen.

Neue Broschüre mit Erfolgsbeispielen aus Baden-Württemberg

Weitere Beispiele, wie Energiegenossenschaften wirken und welche unterschiedlichen Geschäftsfelder sie besetzen, werden in der gerade erschienenen Broschüre „Energiegenossenschaften – Erfolgsbeispiele aus Baden-Württemberg“ anschaulich beschrieben. Die Publikation wurde gemeinsam vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft sowie dem BWGV herausgebracht.

BWGV: Broschüre Energiegenossenschaften – Erfolgsbeispiele aus Baden-Württemberg

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