Bei Sichtprüfungen und Messungen an Brennstabhüllrohren des Kernkraftwerks Philippsburg wurde festgestellt, dass eine größere Zahl von Hüllrohren erhöhte Oxidschichtdicken aufweisen. Das Ereignis hat keine oder eine sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung.
Im Rahmen der Tätigkeiten zur Jahresrevision 2019 nahm der Betreiber in einem vorab festgelegten Umfang Sichtprüfungen und Messungen an Brennstabhüllrohren vor. Dabei wurde festgestellt, dass eine größere Zahl von Hüllrohren, die erst seit einem oder zwei Betriebszyklen eingesetzt waren, erhöhte Oxidschichtdicken und vereinzelt Abblätterungen der Oxidschicht aufweisen.
In diesem Zusammenhang erfolgte auch eine erneute, vertiefte Prüfung der Dokumentation der Sichtprüfung aus dem Jahr 2018. Dabei ist anhand des Erscheinungsbilds zu vermuten, dass bei einem Teil der Brennstäbe auch bereits zu diesem Zeitpunkt Auffälligkeiten beziehungsweise erhöhte Oxidschichtdicken vorlagen. Die vorliegenden Messungen liefern keinen Hinweis darauf, dass Grenzwerte für die zulässige Oxidschichtdicke überschritten wurden.
Einstufung durch den Kraftwerksbetreiber: Meldekategorie N (Normalmeldung); INES 0 (keine oder sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung).
Maßnahmen des Kraftwerksbetreibers
Die Auswirkungen der Befunde auf die Zulässigkeit des weiteren Einsatzes der Brennelemente im Reaktor wurden bewertet. Der Betreiber plant für den kommenden Betriebszyklus eine für die Brennstäbe weniger belastende Fahrweise mit geringfügig abgesenkter Reaktorleistung.
Die Hüllrohre sind Bestandteile der Brennelemente und dienen dazu, den Kernbrennstoff im Normalbetrieb und bei Störfällen dicht einzuschließen. Durch Einwirkungen, wie zum Beispiel hohe Temperaturen im Leistungsbetrieb, kommt es zu einer unvermeidlichen Oxidation dieser Hüllrohre. Eine solche Oxidation beeinträchtigt ihren sicheren Einsatz im Regelfall nicht.
Die Oxidation bei einem Teil der Hüllrohre war im vorliegenden Fall zwar unterhalb der Grenzwerte, aber stärker als erwartet. Derartige Befunde hat es sowohl in KKP 2 (in den Jahresrevisionen 2005 und 2012) als auch in anderen deutschen Kernkraftwerken früher bereits gegeben. Sie waren daher in gewissem Umfang erwartet worden. Die genauen Ursachen dieses Phänomens sind aktuell noch Gegenstand von bundesweiten Expertendiskussionen.
Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg wird die aus 2018 und 2019 vorliegenden Erkenntnisse aus KKP 2 in das entsprechende Expertengremium der Reaktorsicherheitskommission einspeisen. Die bisher vorliegenden Bewertungen haben jedoch gezeigt, dass ein weiterer Einsatz der Brennelemente – gegebenenfalls unter angepassten Bedingungen wie einer reduzierten Reaktorleistung – möglich ist.
Systematische Befunde an sicherheitsrelevanten Komponenten wie im vorliegenden Fall sind grundsätzlich meldepflichtig. Die unmittelbare sicherheitstechnische Bedeutung der erhöhten Oxidation an den Hüllrohren ist hingegen gering.
Meldekategorien
Die für die kerntechnische Sicherheit bedeutsamen Ereignisse sind den atomrechtlichen Aufsichtsbehörden der Länder nach den bundeseinheitlichen Kriterien der Atomrechtlichen Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung (AtSMV) zu melden. Ziel des Meldeverfahrens ist, den Sicherheitsstand der Kernkraftwerke zu überwachen, dem Auftreten ähnlicher Fehler in anderen Kernkraftwerken vorzubeugen und die gewonnenen Erkenntnisse in sicherheitstechnische Verbesserungen einfließen zu lassen.
Die meldepflichtigen Ereignisse sind unterschiedlichen Kategorien zugeordnet (Erläuterungen zu den Meldekriterien für meldepflichtige Ereignisse):
- Kategorie S (Unverzügliche Meldung): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde unverzüglich gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kürzester Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Vorkommnisse, die akute sicherheitstechnische Mängel aufzeigen.
- Kategorie E (Meldung innerhalb von 24 Stunden): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde binnen 24 Stunden gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kurzer Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Ereignisse, deren Ursache aus Sicherheitsgründen in kurzer Frist geklärt und gegebenenfalls in angemessener Zeit behoben werden muss. In der Regel handelt es sich dabei um sicherheitstechnisch potentiell – aber nicht unmittelbar – signifikante Ereignisse.
- Kategorie N (Meldung bis zum fünften Werktag): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde innerhalb von fünf Werktagen gemeldet werden müssen, um eventuelle sicherheitstechnische Schwachstellen frühzeitig erkennen zu können. Dies sind in der Regel Ereignisse von geringer sicherheitstechnischer Bedeutung, die über routinemäßige betriebstechnische Einzelereignisse bei vorschriftsmäßigem Anlagenzustand und -betrieb hinausgehen. Unverfügbarkeiten von Komponenten/Systemen, die durch im Betriebshandbuch spezifizierte Prozeduren temporär beabsichtigt herbeigeführt werden, sind nicht meldepflichtig, wenn dies auch in der Sicherheitsspezifikation des Betriebshandbuches entsprechend berücksichtigt ist.
Internationale Bewertungsskala INES
Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Betreibern der Kernkraftwerke und dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit werden meldepflichtige Ereignisse in Kernkraftwerken auch nach der Bewertungsskala INES (International Nuclear and Radiological Event Scale) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und der Nuklearenergie-Agentur (NEA) der OECD bewertet. Sie hat eine rasche und für die Öffentlichkeit verständliche Bewertung eines Ereignisses zum Ziel.
Die Skala umfasst sieben Stufen:
- Störung
- Störfall
- ernster Störfall
- Unfall mit örtlich begrenzten Auswirkungen
- Unfall mit weitergehenden Auswirkungen
- schwerer Unfall
- katastrophaler Unfall
Meldepflichtige Ereignisse, die nach dem INES-Handbuch nicht in die Skala (1 bis 7) einzuordnen sind, werden unabhängig von der sicherheitstechnischen Bedeutung nach nationaler Beurteilung der „Stufe 0” zugeordnet.