In Block 2 des Kernkraftwerks Neckarwestheim ist es im Juli 2020 zu einem Wassereintritt in zwei Schachtausstiegskanäle gekommen. Das Ereignis hat keine oder sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung.
Am Mittwoch, 15. Juli 2020, kam es in Block 2 des Kernkraftwerks Neckarwestheim (GKB) bei einem starken Regen zu einem Wassereintrag an zwei Schachtausstiegsdeckeln in zwei begehbaren Kabelkanälen, die vom Notstromdieselgebäude zum Schaltanlagengebäude führen. Grund war ein kleiner Riss in einer Dichtung. Dazu kam eine bauartbedingte Leckagerate, die durch eine nicht ausreichende Überprüfung des Zustands der Deckel erhöht war. Der Wassereintrag wurde bereits am 15. Juli während einer Begehung mit dem Umweltministerium festgestellt. Nach umfassender Sachverhaltsermittlungen wurde das Ereignis als meldepflichtig eingestuft, obwohl es sich um einen Grenzfall handelt.
Einstufung durch den Kraftwerksbetreiber: Meldekategorie N (Normalmeldung), INES 0 (keine oder sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung).
Maßnahmen
Der Betreiber hat daher Versuche mit auf dem Schachtdeckel stehendem Wasser durchgeführt, um zu klären, wie stark der Wassereintritt im Falle eines 10.000-jährlichen Hochwassers (Bemessungshochwasser) wäre. Künftig sollen die Schachtdeckel jährlich kontrolliert werden. Im Falle eines Hochwassers oder Starkregenereignisses wird es regelmäßige Begehungen geben. Pumpen in den Kabelkanälen sind vorzuhalten.
Bei den betroffenen Kabelschächten handelt es sich um Schächte, in denen sich unter anderem Kabel der Notstromversorgung befinden. Diese sind jedoch zusätzlich gegen Hochwasser gesichert. Da das Anlagengelände GKN im Fall eines Bemessungshochwassers überflutet würde, sind die Zugänge zu sicherheitstechnisch wichtigen Gebäuden, die tiefer als das Niveau des Bemessungshochwassers liegen, hochwassersicher ausgeführt.
Bei den beiden betroffenen Schachtdeckeln lag eine erhöhte Leckagerate vor. Der mögliche Wassereintrag durch die Dichtungen ist jedoch gering. Auch im Falle eines Hochwassers wären sicherheitstechnisch wichtige Einrichtungen nicht gefährdet, denn die Kabeldurchführungen in das Schaltanlagengebäude sind druckwasserdicht ausgeführt und eventuell in das Notstromdieselgebäude eindringendes Wasser kann mittels Pumpen abgeführt werden. Das Ereignis hat daher eine geringe sicherheitstechnische Bedeutung. Es ergaben sich keine Auswirkungen auf Personen oder die Umwelt.
Meldestufen
Die für die kerntechnische Sicherheit bedeutsamen Ereignisse sind den atomrechtlichen Aufsichtsbehörden der Länder nach den bundeseinheitlichen Kriterien der Atomrechtlichen Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung (AtSMV) zu melden. Ziel des Meldeverfahrens ist, den Sicherheitsstand der Kernkraftwerke zu überwachen, dem Auftreten ähnlicher Fehler in anderen Kernkraftwerken vorzubeugen und die gewonnenen Erkenntnisse in sicherheitstechnische Verbesserungen einfließen zu lassen.
Die meldepflichtigen Ereignisse sind unterschiedlichen Kategorien zugeordnet (Erläuterungen zu den Meldekriterien für meldepflichtige Ereignisse):
- Kategorie S (Unverzügliche Meldung): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde unverzüglich gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kürzester Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Vorkommnisse, die akute sicherheitstechnische Mängel aufzeigen.
- Kategorie E (Meldung innerhalb von 24 Stunden): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde binnen 24 Stunden gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kurzer Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Ereignisse, deren Ursache aus Sicherheitsgründen in kurzer Frist geklärt und gegebenenfalls in angemessener Zeit behoben werden muss. In der Regel handelt es sich dabei um sicherheitstechnisch potentiell – aber nicht unmittelbar – signifikante Ereignisse.
- Kategorie N (Meldung bis zum fünften Werktag): Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde innerhalb von 5 Werktagen gemeldet werden müssen, um eventuelle sicherheitstechnische Schwachstellen frühzeitig erkennen zu können. Dies sind in der Regel Ereignisse von geringer sicherheitstechnischer Bedeutung, die über routinemäßige betriebstechnische Einzelereignisse bei vorschriftsmäßigem Anlagenzustand und -betrieb hinausgehen. Unverfügbarkeiten von Komponenten/Systemen, die durch im Betriebshandbuch spezifizierte Prozeduren temporär beabsichtigt herbeigeführt werden, sind nicht meldepflichtig, wenn dies auch in der Sicherheitsspezifikation des Betriebshandbuches entsprechend berücksichtigt ist.
Internationale Bewertungsskala INES
Internationale Bewertungsskala INES:Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Betreibern der Kernkraftwerke und dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit werden meldepflichtige Ereignisse in Kernkraftwerken auch nach der Bewertungsskala International Nuclear and Radiological Event Scale (INES) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und der Nuklearenergie-Agentur (NEA) der OECD bewertet. Sie hat eine rasche und für die Öffentlichkeit verständliche Bewertung eines Ereignisses zum Ziel.
Die Skala umfasst sieben Stufen:
- Störung
- Störfall
- ernster Störfall
- Unfall mit örtlich begrenzten Auswirkungen
- Unfall mit weitergehenden Auswirkungen
- schwerer Unfall
- katastrophaler Unfall
Meldepflichtige Ereignisse, die nach dem INES-Handbuch nicht in die Skala (1 bis 7) einzuordnen sind, werden unabhängig von der sicherheitstechnischen Bedeutung nach nationaler Beurteilung der „Stufe 0” zugeordnet.