Die Reduzierung von Tierversuchen ist ein wichtiges Tierschutzziel in Baden-Württemberg. Deshalb fördert das Land zwei Projekte zur Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch.
Die Vermeidung von Tierversuchen ist ein wichtiges Anliegen im Sinne des Tierschutzes. Deshalb fördert die Landesregierung gezielt die Erforschung geeigneter Methoden. „Es ist unser erklärtes Ziel, die Zahl und die Belastung von Versuchstieren in Baden-Württemberg weiter zu verringern. Deshalb fördern wir auch in diesem Jahr wieder geeignete Projekte zur Entwicklung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch“ sagte Minister Peter Hauk am 19. August 2022 in Stuttgart.
„Baden-Württemberg ist ein wichtiger Standort der biomedizinischen Forschung. Dies bringt es auch mit sich, dass in vielen Forschungseinrichtungen Tierversuche durchgeführt werden. Jeder Versuchsantrag wird von den zuständigen Behörden begutachtet und nur bei Erfüllung der strengen rechtlichen Voraussetzungen genehmigt. Wir stehen aber auch zu unserer Verantwortung, Alternativen zu entwickeln. Deshalb fördern wir gezielt die Entwicklung und Anwendung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch in Wissenschaft und Lehre“, so der Minister weiter. In manchen Bereichen, beispielsweise in der angewandten medizinischen Forschung, gebe es noch keine ausreichenden Alternativen. Bestimmte Versuche, beispielsweise zur Prüfung der Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneistoffen, seien gesetzlich vorgeschrieben.
Zwei Projekte erhalten eine Förderung
Zur diesjährigen Ausschreibung wurden vier Förderanträge eingereicht. Unter Mitwirkung einer aus Vertreterinnen und Vertretern von Tierschutz und Wissenschaft besetzten Bewertungskommission wurden daraus zwei Projekte ausgewählt, die eine Förderung erhalten:
Projektleitung: Prof. Dr. med. Sebastian Arnold
Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie
Abteilung zwei Regenerative Pharmakologie
Medizinische Fakultät der Universität Freiburg
Initiale Experimente haben gezeigt, dass es prinzipiell möglich ist, aus embryonalen Stammzellen 3D-Herzanlagen zu bilden. Bisher können diese jedoch nur relativ kurzzeitig experimentell genutzt werden, so dass spätere Aspekte der Herz-entwicklung und Reifung bisher nur unzureichend abgebildet werden. Daher sollen die Techniken für langlebigere Herzorganoid-Kulturen verbessert werden, um auch eine Reifung der Herzmuskelzellen über früh-embryonale Differenzierung hinweg zu ermöglichen.
In dem beantragten Projekt soll zunächst die Entwicklung ausreifender Herzorganoide aus embryonalen Stammzellen der Maus in der Form von Gastruloiden etabliert werden. Diese können als deutlich verbesserte in vitro-Modelle für Studien der Herzentwicklung, -reifung und erblicher Herzerkrankungen als Ersatz für Tierexperimente genutzt werden. Sobald diese experimentellen Systeme mit Mausstammzellen erfolgreich etabliert wurden, sollen diese auf humane iPSC-Zellen übertragen werden, die Mausstammzellen in vielerlei Hinsicht ähneln, dabei aber die humanen Aspekte abbilden können.
Projektleitung: Dr. Eva Rog-Zielinska und Dr. Rémi Peyronnet
Abteilung Kardiale Nano-Dynamiken und Abteilung Kardiovaskuläre Mechanobiologie
Institut für Experimentelle Kardiovaskuläre Medizin
Universität Freiburg
Leider sind sowohl ganze Herzen als auch einzelne Kardiomyozyten in der Regel nur am Tag der Gewebeentnahme für funktionelle Untersuchungen geeignet, weil die Qualität der Proben sich nach der Organentnahme kontinuierlich verschlechtert. Deshalb ist eine große Anzahl von Tieren für die Durchführung von Forschungs-projekten notwendig, was mit erheblichen finanziellen, organisatorischen, und ethischen Kosten verbunden ist. In dem Projekt soll die Entwicklung und Charakterisierung eines neuartigen Modells von organotypischen Herzschnitten, das die Kultivierung und Konservierung von Herzgewebe nach der Entnahme aus dem Organismus erlaubt, entwickelt werden.
Durch die Kultivierung lebender Herzgewebeschnitte unter kontinuierlicher elektromechanischer Stimulation kann die physiologische Funktion aufrechterhalten werden. Mit Hilfe dieser innovativen, biomimetischen Kulturplattform kann eine Vielzahl von funktionellen Experimenten an Gewebe aus ein und demselben Herzen über mehrere Tage hinweg durchgeführt werden, während zeitgleich mechanische, elektrische und pharmakologische Manipulationen möglich sind. Die Vervielfältigung von Proben aus demselben Herzen erleichtert die Datenintegration, verringert die Variabilität und macht invasive in-vivo-Experimente, die oft mit einer erheblichen Belastung für das Tier verbunden sind, überflüssig.
Minister Peter Hauk dankt allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich beworben haben, ausdrücklich für ihr Engagement. Auch die Bewertungskommission, die die Anträge geprüft hat, habe ausgezeichnete Arbeit geleistet, so Peter Hauk.
Das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz fördert jährlich Arbeiten zur Entwicklung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch. Die Forschungsprojekte müssen in Baden-Württemberg oder unter Beteiligung von Einrichtungen aus Baden-Württemberg durchgeführt werden.