Motorräder sind verstärkt bei schönem Wetter an Wochenenden und Feiertagen unterwegs. Auf manchen Strecken sind es zeitweise sogar mehr Motorräder als Autos. Und etwa jedes dritte Motorrad ist bei der Vorbeifahrt lauter als 90 Dezibel (dB(A)), bei den Personenkraftwagen (Pkw) sind es lediglich vier Prozent. Dagegen sind nur 13 Prozent der Motorräder leiser als 80 dB (A), bei den Pkw sind dies 32 Prozent. Dies zeigen Mess-Untersuchungen, die im Auftrag des Verkehrsministeriums in den Jahren 2020 und 2021 für jeweils etwa 14 Tage durchgeführt wurden.
Rund 100 untersuchte Strecken
Der Fokus der Untersuchung lag auf Strecken mit hohem Motorradaufkommen, um den Motorradlärm möglichst zielgerichtet zu erfassen. Bei den Untersuchungen wurde die Lautstärke vorbeifahrender Fahrzeuge, die Anzahl und die Geschwindigkeit der Fahrzeuge ermittelt. Elke Zimmer, Staatssekretärin im Verkehrsministerium, machte anlässlich der Veröffentlichung der Daten deutlich: „An vielen Strecken ist die Lärmbelastung durch Motorräder enorm. Gerade an Wochenenden bei schönen Wetter werden Anwohnerinnen und Anwohner von vielen Motorrädern beschallt. Das führt zwangsläufig zu Konflikten.“
Parallelen zum Abgasskandal
Staatssekretärin Zimmer erinnert an die vom Bundesrat am 15. Mai 2020 verabschiedeten Forderungen an Europäische Union (EU), Bund und Hersteller (PDF), gegen unnötigen Motorradlärm vorzugehen – und sieht Parallelen zum Abgasskandal bei Diesel-Pkw: „Die vorgegebenen Grenzwerte werden zwar am Prüfstand eingehalten. Im Normalbetrieb auf der Straße sind Motorräder jedoch häufig lauter, und zwar zum Teil erheblich. Das muss nicht sein! Motorräder müssen leiser werden, unabhängig davon, wer sie wo fährt.“ Sie appelliert auch an die Motorradfahrenden: „Eine rücksichtsvolle und leise Fahrweise ist im Interesse aller. Ich habe kein Verständnis, wenn Motorräder bewusst auf laut getrimmt werden. Lautes Fahren und unnötiges Hin- und Herfahren geht immer zu Lasten anderer und deren Gesundheit.“
So laut wie Kreissäge oder Presslufthammer
Die Auswertung der Pegel von Vorbeifahrenden an den 100 untersuchten Strecken zeigt, dass etwa jedes dritte Motorrad lauter ist als 90 dB(A), bei den Pkw waren es lediglich 4 Prozent. Fast jedes dritte vorbeifahrende Motorrad ist damit so laut wie ein Presslufthammer oder eine Kreissäge.
Die Untersuchungen zeigen, dass an Samstagen und Sonntagen gegenüber einem Wochentag durchschnittlich doppelt so viele Motorräder unterwegs sind. An einigen Strecken wurden an einem Wochenendtag sogar sieben bis neun Mal so viele Motorräder gezählt wie an einem Wochentag.
Beispielweise wurde an der Bundesstraße (B) 32 zwischen Hettingen und Veringenstadt im Kreis Sigmaringen am südlichen Ortsausgang von Hettingen vom 6. bis 19. Mai 2021 insgesamt 1.447 Motorräder erfasst. An den Werktagen waren durchschnittlich 32 Motorräder unterwegs, am Wochenende mit 294 Motorrädern am Tag mehr als das Neunfache.
An der B 39 bei Löwenstein in Fahrtrichtung Westen vor dem Ortsteil Hirrweiler im Kreis Heilbronn wurden vom 7. bis 20. Juli 2020 insgesamt 3.665 Motorräder erfasst. An den Werktagen waren durchschnittlich 136 Motorräder unterwegs, am Wochenende mit 593 Motorrädern am Tag mehr als das Vierfache.
Wo der Motorradanteil besonders hoch ist
Der höchste Anteil der Motorräder gemessen an den Vorbeifahrten der Pkw, Motorräder und Lkw war an der Kreisstraße 5363 im Ortenaukreis zwischen Sasbachwalden und Seebach. Der Motorradanteil lag an dieser Strecke bei 36 Prozent. Am Wochenende lag der Anteil bei 49 Prozent, das heißt fast jedes zweite Fahrzeug war ein Motorrad.
Das höchste Motorradaufkommen mit 4.740 Motorrädern in eine Fahrtrichtung über den Zählzeitraum von 13 Tagen wurde im Ortenaukreis an der Schwarzwaldhochstraße B 500 im nordwestlichen Schwarzwald zwischen Unterstmatt und Mummelsee erfasst. Die Schwarzwaldhochstraße in diesem Bereich ist damit einer der beliebtesten Motorradstrecken des Landes. Besonders viele Motorräder waren unterwegs am Pfingstmontag 24. Mai 2021 (863) und am darauffolgenden Sonntag 30. Mai 2021 (1495).
Die Messdaten liefern wichtige Hinweise auf Lärm-Brennpunkte und lassen Rückschlüsse auf die örtlichen Lärmbelastungen zu. Sie stellen eine wertvolle Grundlage dar, um die die Diskussion um Motorradlärm und möglicher Maßnahmen zu versachlichen.
Das Verkehrsministerium hat mit den Erhebungen ein Vorzeigeprojekt geschaffen, da es bisher bundesweit keine umfangreichen Erhebungen zum Motorradlärm und Motorradaufkommen gibt. Erfasst wurden die Fahrzeugart, die gefahrene Geschwindigkeit und der maximale Lärmpegel bei der Vorbeifahrt an rund 100 Strecken für einen Zeitraum von circa 14 Tagen von Juni bis Oktober 2020 und von Mai bis September 2021. Im Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 3,3 Millionen Fahrzeuge erfasst, darunter 2,94 Millionen Pkw und 206.000 Motorräder.
Ministerium für Verkehr: Hotspots von Motorradlärm in Baden-Württemberg