Die Landesregierung tritt Extremismus und Hasskriminalität mit vielfältigen Maßnahmen entschieden entgegen. Einen unverzichtbaren Beitrag im Kampf gegen Extremismus leistet das Kompetenzzentrum gegen Extremismus in Baden-Württemberg. Es ist bundesweit einmalig und sorgt für mehr Sicherheit im Land.
Der Ministerrat hat sich in seiner Sitzung am 16. Mai 2023 nach einem Bericht von Innenminister Thomas Strobl mit dem Jahresbericht 2022 (PDF) des Kompetenzzentrums gegen Extremismus in Baden-Württemberg (konex) befasst.
„Der russische Angriffskrieg und die Corona-Pandemie haben die Gesellschaft stark polarisiert. Verschwörungsmythen, Desinformation, Herabsetzungen, Verleumdungen, Anfeindungen, Beleidigungen und Bedrohungen tragen zu dieser Entwicklung einen großen Teil bei“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Anschluss an die Kabinettssitzung. „Wir treten Antisemitismus, Rassismus, Hasskriminalität und jeder Art von Extremismus entschieden und mit vielfältigen Maßnahmen entgegen. Aber auch unsere Sicherheitsbehörden müssen sich diesen immer komplexeren Herausforderungen stellen. Ein Baustein in der Sicherheitsarchitektur unseres Landes ist das Kompetenzzentrum gegen Extremismus beim Landeskriminalamt, kurz konex“, so Winfried Kretschmann weiter.
Konex ist bundesweit einmalig
Der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl stellte fest: „Im Jahr 2022 mussten wir in Baden-Württemberg mit rund 6.200 Fällen einen Höchststand bei den politisch motivierten Straftaten verzeichnen. Diese Entwicklung folgt dem Bundestrend – 2022 gab es mit rund 59.000 politisch motivierten Straftaten bundesweit so viele Fälle in dem Bereich wie noch nie. Extremismus ist eine ernste Gefahr für unsere Gesellschaft, für unser Zusammenleben und für unsere Demokratie. Zudem ist er ein gefährliches Ventil und wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Deshalb müssen wir uns dem mit aller Kraft entgegenstellen. Das tun wir, unter anderem mit unserem Kompetenzzentrum gegen Extremismus. Es ist bundesweit einmalig und leistet einen unverzichtbaren Beitrag im Kampf gegen Extremismus.“
„Gerade in Zeiten, in denen sich viele Extremistinnen und Extremisten keinem gängigen politischen Spektrum mehr zuordnen lassen, ist es absolut notwendig, die Arbeit in dem Bereich auf eine wissenschaftlich fundierte Grundlage zu stellen, zielgerichtet eigene Forschung zu betreiben und mit Expertinnen und Experten aus ganz unterschiedlichen Fachbereichen und Disziplinen zu arbeiten. In unserem rund 25-köpfigen Team bei konex haben wir Islam- und Religionswissenschaftlicher, Sozialwissenschaftlicher, pädagogische Fachkräfte, Psychologen und Polizisten. Nur so können wir passgenau und fundiert analysieren, reagieren und gegensteuern. Fest steht: Die Kompetenz, das Wissen und die Erfahrung von konex sind weit über die Grenzen von Baden-Württemberg hinaus gefragt“, so der Präsident des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg, Andreas Stenger.
Ausstiegsberatung
Kern des Angebots ist die kostenlose Unterstützung und Beratung gegen religiös und politisch motivierten Extremismus. Im Jahr 2022 sind über 100 neue Fälle eingegangen, denen mitunter monate- oder jahrelange, intensive Ausstiegsberatungen folgen. Insgesamt wurden seit 2018 rund 500 Vorgänge bearbeitet. Im Jahr 2022 entfielen 50 Prozent der neu eingegangenen Vorgänge auf den Bereich Rechtsextremismus (2021: 30 Prozent) und 36 Prozent der neu eingegangenen Vorgänge auf den Bereich islamistischer Extremismus (2021: 52 Prozent). Im Jahr 2022 fanden rund 60 Prozent der Beratungen mit Ausstiegswilligen (2021: 43 Prozent) und 40 Prozent mit Menschen aus dem Umfeld von Radikalisierten (2021: 57 Prozent) statt.
„Wir zeigen mit konex allen Ausstiegswilligen einen Weg aus Extremismus und Gewalt auf. Wir bauen Brücken, ohne die Strafverfolgung einzuschränken“, betonte Innenminister Thomas Strobl.
Das Angebot beinhaltet sowohl die konkrete Ausstiegsberatung als auch die Beratung von Menschen aus dem engen Umfeld von radikalisierten Personen. Hilfesuchende können sich an konex wenden und erhalten dort kompetente und individuelle Hilfe. Seit dem Frühjahr 2018 wurden bei konex sukzessive die Ausstiegsprogramme für die Bereiche Rechtsextremismus, ab Ende 2018 Islamismus sowie im Herbst 2020 Linksextremismus und auslandsbezogener Extremismus aufgebaut.
Radikalisierungstendenzen frühzeitig erkennen
„Wichtig ist nicht nur, Menschen, die Hilfe brauchen, Hilfe anzubieten. Wir müssen lernen, Radikalisierungstendenzen frühzeitig zu erkennen. Deshalb bieten wir auch maßgeschneiderte Fortbildungen für all diejenigen an, die mit radikalisierten Menschen erfahrungsgemäß häufiger in Kontakt kommen können“, so Minister Thomas Strobl. Zu den Zielgruppen im Jahr 2022 gehörten unter anderem Landtagsabgeordnete, Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und -anwälte, Amts- und Mandatspersonen sowie weitere Fachkräfte vor allem aus den Bereichen Polizei und Justiz. So wurde zum Beispiel in Kooperation mit der Zentralstelle für die Bekämpfung der Staatsschutzkriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart in der Justizakademie Schwetzingen eine dreitägige Tagung für die regionalen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die auch staatsschutzrechtliche Fragestellungen bearbeiten, durchgeführt. Darüber hinaus koordiniert konex das Projekt ACHTUNG?! (PDF), ein Präventionsangebot mit Schwerpunkt auf islamistischen Extremismus und Rechtsextremismus für Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 9/10 sowie deren Eltern und Lehrkräfte.
Angewandte Wissenschaft
„Extremistische Milieus entwickeln und verändern sich hochdynamisch. Neue Trends und Extremismusformen wie beispielsweise QAnon, Incels oder Querdenken treten in immer kürzeren Zyklen in Erscheinung. Das beeinflusst auch unsere Deradikalisierungsarbeit. Wir brauchen hier einen wissenschaftlichen Blick, um ein möglichst präzises, belastbares und valides Bild zu bekommen. Die Analysen auch des Jahres 2022: Soziale Medien haben hier einen großen Einfluss. Auch die Aktivitäten von Extremisten auf Gaming-Plattformen spielen eine große Rolle“, sagte Minister Thomas Strobl. Deshalb habe man in einer bisher einmaligen wissenschaftlichen Studie zu Gaming-Plattformen untersucht, wie Kinder und Jugendliche auf Gaming-Plattformen geködert und für menschenverachtende Ideologien instrumentalisiert werden können. „Damit hat konex in the Länd Spitzenforschung auf internationalem Niveau betrieben“, so Thomas Strobl.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann hob abschließend die Bedeutung des Kompetenzzentrums hervor: „Konex trägt maßgeblich zu mehr Sicherheit im Land bei und ist zu einem wichtigen Bestandteil unserer wehrhaften Demokratie in Baden-Württemberg geworden.“
Kompetenzzentrum gegen Extremismus in Baden-Württemberg (konex)
Ein wichtiger Bestandteil der Deradikalisierungsarbeit ist der fachliche Austausch mit anderen Expertinnen und Experten sowohl auf Landes-, Bundes- wie auch internationaler Ebene.
Die internationale Vernetzung des Kompetenzzentrums führte zu verschiedenen Kooperationsprojekten:
- So führte konex zwischen November 2022 und April 2023 eine digitale Vortragsreihe für die Sicherheits- und Justizbehörden – unter anderem dem Federal Bureau of Investigation (FBI), dem U.S. Department of Justice (DOJ) sowie dem Bundesgericht in Minneapolis – in den USA durch, um diese zu neuen Phänomenen und präventiven Ansätzen im Bereich Rechtsextremismus und -terrorismus zu schulen.
- In Zusammenarbeit mit der Queensland Universität in Australien führte konex zudem eine Untersuchung durch, um zu beleuchten, wie in Deradikalisierungs- und Ausstiegsprogrammen mit unaufrichtigem und betrügerischem Verhalten (Täuschung und Verstellung) umgegangen werden kann.
- Weiterhin organisierte das konex im November 2022 eine Delegationsreise nach Yad Vashem/Israel mit den beiden Polizeirabbinern, Vertreterinnen und Vertretern vom Landeskriminalamt, Landesamt für Verfassungsschutz, der Hochschule für Polizei und den Staatsschutzdienststellen der regionalen Polizeipräsidien.
- Am 5. Juli 2022 veranstaltete konex gemeinsam mit dem Innenministerium im Haus der Geschichte Baden-Württemberg den Fachtag „Klick. Klick. Hass. – Das Internet – (K)ein Raum für Hatespeech!“.
Das Kompetenzzentrum konex wurde 2015 gegründet. 2018 hat die jetzige Landesregierung den Fokus vom islamistischen Extremismus auf alle Extremismusformen ausgeweitet – aus dem „Kompetenzzentrum zur Koordinierung des Präventionsnetzwerks gegen (islamistischen) Extremismus in Baden-Württemberg“ (KPEBW) wurde das Kompetenzzentrum gegen Extremismus (konex). Seit 1. Januar 2022 ist das Kompetenzzentrum konex beim Landeskriminalamt angesiedelt.
Die Ausstiegsberatung des konex ist montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr unter folgenden Telefonnummern zu erreichen:
- Auslandsbezogener Extremismus: 0711/279-4577
- Linksextremismus: 0711/279-4566
- Islamistischer Extremismus: 0711/279-4555
- Rechtsextremismus: 0711/279-4544
E-Mail: kontakt@konex.bwl.de