Die regelmäßige Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist im Vergleich zum Individualverkehr nicht mit einem höheren Infektionsrisiko verbunden. Eine Untersuchung der Charité sorgt für belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse.
Die regelmäßige Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist im Vergleich zum Individualverkehr nicht mit einem höheren Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion verbunden. Zu diesem Ergebnis kommt eine in dieser Form bisher einzigartige Studie der Charité Research Organisation (CRO). Das renommierte Forschungsinstitut hat im Auftrag der Bundesländer und des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) das konkrete Ansteckungsrisiko von Fahrgästen in Bussen und Bahnen mit dem von Pendlerinnen und Pendlern verglichen, die regelmäßig mit Pkw, Motorrad oder Fahrrad unterwegs sind.
Einzigartige epidemiologische Studie im Mobilitätssektor
Für die unabhängige epidemiologische Studie hat die Research Organisation der Berliner Charité seit Februar 2021 über fünf Wochen lang insgesamt 681 freiwillige Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Alter von 16 bis 65 Jahren im Gebiet des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) begleitet. Zielsetzung dieser Untersuchung war, die Infektionsgefahr von Fahrgästen nicht unter Laborbedingungen oder auf Grundlage statistischer Berechnungen abzuschätzen, sondern im Rahmen der alltäglichen Fahrt zur Arbeit, Ausbildung oder Schule zu ermitteln. Ein solcher Ansatz ist im Rahmen von Covid-Untersuchungen im Mobilitätssektor bislang einzigartig.
„Die Studie der Charité liefert für Millionen von Fahrgästen in Deutschland erstmals belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse zum tatsächlichen Infektionsrisiko bei der Nutzung von Bussen und Bahnen. Die Ergebnisse sind eine gute Nachricht für die Stammkunden im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), aber auch für die vielen Fahrgäste, die in den letzten Monaten aufgrund eines Unbehagens auf die Nutzung von Bus und Bahn verzichtet haben“, sagte die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz und Senatorin für Mobilität der Freien Hansestadt Bremen, Dr. Maike Schaefer. Sie fügte hinzu: „Ich möchte aber auch deutlich darauf hinweisen, dass die Ergebnisse der Studie gewisse Rahmenbedingungen hatten, die weiter gewährleistet sein müssen: Abstand halten, Maske tragen, Durchlüften und natürlich trägt auch die geringere Auslastung dank Homeoffice dazu bei, dass der ÖPNV weiter zuverlässig funktioniert.“
Wissenschaftliche Klarheit für die Fahrgäste
Ende vergangenen Jahres hatten die Bundesländer gemeinsam mit dem VDV entschieden, diese Studie bei der CRO zu beauftragen, um damit eine Lücke bei den vorhandenen wissenschaftlichen Untersuchungen in diesem Bereich zu schließen. An der Finanzierung beteiligen sich die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Die Federführung liegt beim Land Baden-Württemberg.
Die Bedeutung dieser Untersuchung unterstrich der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann: „Wir haben nun wissenschaftliche Klarheit für die Fahrgäste, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Verhältnis zu anderen Verkehrsmitteln nicht mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko verbunden ist. Diese diffuse Sorge hat dazu beigetragen, dass die Fahrgastzahlen teilweise deutlich eingebrochen sind und mittlerweile sogar Stammkunden ihre Abos kündigen. Die Studienergebnisse sorgen dafür, dass die Menschen wieder mit einem besseren Gefühl und auf einer gesicherten Faktengrundlage in Bus und Bahn einsteigen können. Die Ergebnisse der Studie belegen, dass die Einhaltung der Hygieneregeln, häufige Reinigung und Lüftung der Fahrzeuge einerseits und Abstand halten und Maske tragen andererseits wirkungsvolle Mittel zum Infektionsschutz sind.“
Studiendesign
Die Charité Research Organisation ist ein weltweit führender Anbieter unabhängiger Studien, der fachliche Expertise und langjährige Studienerfahrung kombiniert sowie über ein besonders qualifiziertes wissenschaftliches Team verfügt. Die CRO hat nach einem positiven Votum einer Ethikkommission der Berliner Ärztekammer im Rahmen dieser Studie untersucht, ob bei regelmäßiger Nutzung von Bussen und Bahnen (ÖPNV), wo seit vergangenen Jahr Abstandsregeln und Maskenpflicht gelten, im Vergleich zu Verkehrsträgern des Individualverkehrs ein erhöhtes Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion festzustellen ist. Für die Studie wurden 681 freiwillige Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und annähernd gleich auf die beiden Gruppen ÖPNV und Individualverkehr aufgeteilt. Alle Probanden sind zu Beginn und am Ende der Studie durch PCR-Testung (akute Infektion) oder Antikörpertestung (überstandene Infektion) medizinisch untersucht worden. Während des Studienzeitraums führten die Probanden ein digitales Tagebuch, über das zusätzlich zum konkreten Mobilitätsverhalten auch tägliche Kontakte, Erkältungssymptome oder die Einhaltung von Hygieneregeln im ÖPNV festgehalten wurden.
Die CRO hat dabei keinen Unterschied im Hinblick auf ein mögliches erhöhtes Infektionsrisiko bei der Nutzung des ÖPNV im Vergleich mit dem Individualverkehr festgestellt. Die regelmäßige Nutzung von Bussen und Bahnen führte laut der Studie nicht zu einer höheren Ansteckungsgefahr. Auch im Vergleich verschiedener Verkehrsmittel des ÖPNV wurden keine Unterschiede festgestellt. Die zum Zeitpunkt der Untersuchung gültigen Schutzmaßnahmen, also die FFP2-Maskenpflicht, ausreichende Abstände und gute Durchlüftung der Fahrzeuge im ÖPNV waren auf Basis der Studienergebnisse wirksam.
RMV repräsentativ für die bundesweite Nahverkehrsnutzung
Als Untersuchungsgebiet ist der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) ausgewählt worden. Im RMV leben rund 5 Millionen Menschen in Großstädten, Ballungsräumen und ländlicheren Gebieten. Werktäglich sind etwa 2,5 Millionen Fahrgäste mit Bussen und Bahnen unterwegs. Die durchschnittliche Reiseweite pro Tag beträgt 11 Kilometer. Damit ist der RMV repräsentativ für eine Nahverkehrsnutzung, wie sie täglich in Deutschland stattfindet. Prof. Knut Ringat, Sprecher der Geschäftsführung des RMV und Vizepräsident des VDV, unterstreicht die Bedeutung der Untersuchung für die Branche: „Die Nutzung von Bus und Bahn ist so sicher wie die Fahrt mit dem eigenen Auto, das belegen die Ergebnisse der Charité-Studie eindeutig. Für die ÖPNV-Branche ist damit klar, dass sie schon in den ersten Tagen der Pandemie den richtigen Weg eingeschlagen hat, um die Fahrgäste zu schützen. Zusätzliche Hygienemaßnahmen, Maskenverteilaktionen und -Kontrollen, ein volles Fahrtenangebot auch bei weniger Fahrgästen und neue Angebote, die der deutlich stärkeren Nutzung der digitalen Vertriebskanäle Rechnung tragen – das sind nur ein paar von vielen, vielen Beispielen, wie Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen sich selbst übertroffen haben, um ihren Kundinnen und Kunden in unsicheren Zeiten eine sichere Fahrt im ÖPNV zu bieten.“
Enorme Anstrengungen der Verkehrsunternehmen
Bereits seit dem Frühjahr 2020 gilt für den ÖPNV eine Maskenpflicht, die im Verlauf der Pandemie weiter verschärft worden ist. Die Verkehrsunternehmen selbst haben darüber hinaus enorme Anstrengungen unternommen, um durch eine Angebotsausweitung für mehr Abstand in den Fahrzeugen, regelmäßiges Lüften sowie zusätzliche Hygienemaßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit beigetragen.
Die Auswirkungen der Coronakrise haben den öffentlichen Nahverkehr in Deutschland besonders hart getroffen: Der mehrfache Lockdown mit Ausgansbeschränkungen, Kontaktvermeidungen sowie der seit Pandemiebeginn anhaltende Trend zum Homeoffice und auch die bundesweit vielfach nach wie vor geltende Kurzarbeit haben die Fahrgastzahlen massiv einbrechen lassen und zu Einnahmenverlusten in Milliardenhöhe geführt.
Branche sichert Mobilität von Millionen Menschen in systemrelevanten Berufen
Die Untersuchung der Charité ist daher auch nach Einschätzung von VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff ein wichtiger Baustein zur Rückgewinnung der Fahrgäste: „Unsere Branche sichert gerade in Zeiten von Pandemie und Lockdown die Mobilität von Millionen Menschen in systemrelevanten Berufen. Trotzdem fehlen unseren Unternehmen natürlich aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen des täglichen Lebens viele Kundinnen und Kunden. Die dadurch entstehenden Einnahmenverluste sind immens, sodass wir alles tun werden, um möglichst schnell möglichst viele Fahrgäste zurückzugewinnen. Neben der politischen Unterstützung, etwa in Form eines Rettungsschirms, brauchen wir dafür auch solche Studienergebnisse ein wichtiger Baustein, um Vertrauen und damit Kundinnen und Kunden zurückzugewinnen.“
Gemeinschaftskampagne #BesserWeiter setzt Engagement fort
Um diese Studienergebnisse nun in den kommenden Wochen und Monaten in aller Breite in der Bevölkerung zu kommunizieren soll unter anderem auch die von Bund, Ländern, kommunalen Spitzenverbänden und den öffentlichen Verkehrsunternehmen getragene bundesweite #BesserWeiter-Kampagne genutzt werden.
Gemeinsam #BesserWeiter in Bus und Bahn
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